Anlagenbau & Prozesstechnik

Lebensmittelhaltbarkeit verlängert durch Aseptik und Reinraumtechnik

12.06.2012 -

ReinRaumTechnik - Die Forderung der Konsumenten, mehr noch des Handels, nach möglichst lange haltbaren Lebensmitteln zwingt die Produzenten zur Entwicklung neuer und möglichst Produkt schonender Haltbar­machungsverfahren. Reinraum­technologie ist eine der Antworten auf diese Forderung.

Die Ursprünge der industriellen Reinräume finden sich in den USA in den Sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Seinerzeit erkannte man, dass die Raumfahrt eine hoch integrierte Mikroelektronik benötigt, die nur dann die geforderte Zuverlässigkeit bringt, wenn sie unter extrem sauberen Bedingungen fabriziert wird. Heute gibt es keinen Mikrochip, der nicht in partikelarmer Umgebung produziert worden wäre. Mittlerweile hat die Reinraumtechnik als Querschnittstechnologie auch in der Lebensmittel­industrie Einzug gehalten.

Der Reinraum - eine Schutzglocke für Lebensmittel
Reinräume sind immer nach dem gleichen Prinzip aufgebaut. Der Zugang erfolgt über eine „schmutzige" Zone, den so genannten Graubereich, und führt über einzelne Schleusen bis ins Herzstück - den eigentlichen Reinraumteil mit der höchsten Reinheitsklasse. Ein ausgeklügeltes Konzept der Luftführung, basierend auf hochwertigen Schwebstofffiltern in denen kleinste Partikel und Mikroorganismen hängen bleiben, garantiert ein sauberes Produktionsumfeld. Zum Einsatz kommen spezielle HEPA-Filter (High Efficiency Particulate Air Filter), die Schwebeteilchen von bis zu 0,5 µm herausfiltern. Zum Vergleich: Eine Bakterienzelle hat durchschnittlich eine Größe von ungefähr zwei Mikrometern.
Reinraum ist allerdings nicht gleich Reinraum. Reinräume werden durch ISO-Reinraumklassen definiert. In der ISO 14644-1 ist festgelegt, wie viele Partikel welcher Größe in einem Kubikmeter Luft vorhanden sein dürfen. Die höchsten Anforderungen an die Luftreinheit stellt die ISO-Klasse 1, diejenige mit den geringsten Anforderungen ist die Klasse 9. Solange keine Keime an ihnen haften, sind Staubpartikel keine große Gefahr in der Lebensmittelproduktion. Maßgeblich für die Luftreinheit ist hier vielmehr die Keimbelastung, ausgedrückt durch die Anzahl der koloniebildenden Einheiten (kbE). Welche Reinraumklasse nötig ist, hängt vom Produkt ab. Gebäck muss nicht in einer so hyperreinen Umgebung hergestellt werden wie ein Halbleiter. Die Reinräume in der Lebensmittelindustrie sind üblicherweise in den ISO-Klassen 5, 6 oder 7 vereinzelt auch 8 ausgelegt. Bei Klasse 5 dürfen beispielhaft maximal 3.520 Partikel von 0,5 µm Durchmesser/m3 (3,5 Partikel/l) enthalten sein. Dies entspricht einer mikrobiellen Belastung von weniger als einem Keim/m3 Luft, was faktisch als keimfrei anzusehen ist.

Längere Haltbarkeit für Produkte aus dem Kühlregal
Durch den Ausschluss von Keimen entfallen beim Herstellen und Verpacken viele Faktoren, die für Qualitätseinbußen oder gar einen vorzeitigen Verderb der Lebensmittel sorgen. Damit verbunden ist der Vorteil einer längeren Transport- und Lagerfähigkeit, womit den Herstellern u. a. auch Exportmöglichkeiten in neue Märkte eröffnet werden. Reinraumtechnologie ist aber auch eine Basis für die Entwicklung neuer Produkte mit verbesserten Eigenschaften hinsichtlich Frische und Zubereitung. Dabei gilt der Grundsatz: Je Natur belassener die angebotenen Produkte sind, desto konsequenter muss für ein hygienisch einwandfreies Produktionsumfeld gesorgt werden. Chilled Food sind ein gutes Beispiel dafür. Im Unterschied zu Konserven oder Tiefkühlkost ist die Haltbarkeit dieser immer beliebter werdenden Frischeprodukte aus dem Kühlregal auf wenige Tage bis Wochen begrenzt. Werden die Pasta-Spezialitäten, Salate und Kartoffelgerichte dabei im Reinraum unter keimarmen Bedingungen hergestellt und verpackt, lässt sich die Haltbarkeit um bis zu 50 % verlängern.
Wegen der hohen Kosten großflächiger Reinräume sind alternative Reinraumkonzepte auf dem Vormarsch. Der Trend geht dahin, Reinräume möglichst klein zu halten, um den technischen Aufwand zu reduzieren und Kosten zu sparen. Je kleiner der Reinraum, desto geringer ist zudem das Kontaminationsrisiko. Idealerweise herrschen die Reinraumbedingungen daher nur unmittelbar am Ort der Bearbeitung der Lebensmittel. So genannte „Mini-Environments" oder „FlowBoxen" - kleine abgeschlossene, zum Teil modular aufgebaute oder sogar mobile Reinraumeinheiten - tragen diesem Trend Rechnung.

Kaltes Abfüllen in steriler Umgebung
Zur Meisterschaft bei der Miniaturisierung des Reinraums haben es die Hersteller von Anlagen zur Getränkeabfüllung gebracht. Immer mehr stille Getränke und sensible Produkte, die sich aufgrund der fehlenden Kohlensäure im schwachsauren pH-Bereich bewegen, werden in keimfreier Umgebung abgefüllt. Dank der stark wachsenden Nachfrage nach diesen alkoholfreien Erfrischungsgetränken kommt seit einigen Jahren vermehrt ein Verfahren zur Anwendung, welches letztlich auf Reinraumtechnologie
basiert: die aseptische Kaltabfüllung.
Stand in den Anfängen der aseptischen Kaltabfüllung noch die komplette Anlage im Reinraum, so ist heute nur noch ein Minimum an Reinraum notwendig. Lediglich der Weg der desinfizierten Flaschen verläuft innerhalb eines Isolators, der als dichte Kammer konsequent von der Umgebungsluft abgetrennt ist. In modernen Abfüllanlagen sind heute nur noch zehn Prozent des ursprünglichen Reinraumvolumens in diesem kritischen Isolatorbereich lokalisiert. HEPA-Filter befreien auch hier die zugeführte Luft von Keimen, so dass im Isolator eine sterile Atmosphäre herrscht. Der Reinraumbereich um die Füller- und Verschließer ist nach ISO-Klasse 5, das heißt keimfrei, ausgelegt. Ein Raum-in-Raum-Konzept, bei dem ein zweiter, abgetrennter Reinraum der Klasse 6 installiert wird, bietet darüber hinaus Sicherheit vor Wiederverkeimung aus der Umgebungsluft und dem Graubereich. Solche Raum-in-Raum-Konzepte verursachen nicht nur weniger Investitions- und Betriebskosten, sondern garantieren oft eine höhere Reinheit als großflächige Lösungen. Groß oder klein, egal welche Lösung umgesetzt wird: Für Lebensmittelproduzenten, die ihre Wettbewerbsfähigkeit sichern und ihren Marktvorteil ausbauen wollen, dürften Reinräume zukünftig immer wichtiger werden.  

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