Anlagenbau & Prozesstechnik

Oberflächenveredelung für Rein- und Sauberräume

12.06.2012 -

ReinRaumTechnik - Für immer mehr Betriebe ist die Fertigung unter reinen bzw. sauberen Bedingungen zur Sicherstellung der Prozessabläufe und der Qualität der Bauteile unentbehrlich. Dabei unterscheiden sich die Anforderungen der verschiedenen Branchen zum Teil deutlich. Einen wesentlichen Einfluss auf die Raumluftqualität haben die Betriebsmittel, zu denen auch Beschichtungen von Böden, Wänden und Decken gehören.

Sauberkeitsbereiche werden zum Schutz sensibler Oberflächen und Güter eingerichtet. Ein Sauberkeitsbereich dient dazu, die festgelegte Sauberkeitsqualität von Komponenten, Hilfsstoffen und Zusammenbauten während der Verarbeitung möglichst weitgehend aufrecht zu erhalten. Das Sauberkeitsniveau soll nicht aufgrund von Umgebungseinflüssen herabgesetzt werden. In einem Sauberkeitsbereich wird Schmutzeinbringung vermieden. Die dort anfallenden Verunreinigungen werden gezielt eingedämmt und beseitigt.
Ausführung, Maßnahmen und Nutzungsweise von Sauberkeitsbereichen richten sich nach erzeugnisbezogenen Sauberkeitsanforderungen. [1]
Die funktionskritischen Partikelgrößen liegen im Regelfall zwischen 5 μm und 1.000 μm.
Die Klassifizierung der Sauberkeitsbereiche nach VDA 19 Teil 2 erfolgt in 4 Stufen:

  • Sauberkeitsstufe 0 (SaS0): Nicht regulierter Bereich
  • Sauberkeitsstufe 1 (SaS1): Sauberzone
  • Sauberkeitsstufe 2 (SaS2): Sauberraum
  • Sauberkeitsstufe 3 (SaS3): Reinraum

Um die Anforderungen ab Sauberkeitsstufe 1 zu erfüllen, müssen Böden vor allem eine gute Abriebfestigkeit (geringe Partikelbildung bei Befahren mit Flurförderzeugen) und eine gute mechanische Beständigkeit aufweisen. Darüber hinaus ist eine porenfreie, leicht zu reinigende Oberfläche notwendig. Je nach Fertigungsprozess können weitere Eigenschaften, wie z.  B. chemische Beständigkeit, Rutschhemmung, elektrische Ableitfähigkeit und Rissüberbrückung hinzukommen. Üblicherweise werden bis Sauberkeitsstufe 2 Beschichtungssysteme aus Epoxidharz oder Polyurethan verwendet, die auch in sonstigen Bereichen der Industrie eingesetzt werden.

Reinräume
Gemäß DIN EN ISO 14644-1 [2] bzw. VDI 2083 Blatt 1 [3] wird ein Reinraum wie folgt definiert: „Raum, in dem die Konzentration luftgetragener Partikel geregelt wird, der so konstruiert und verwendet wird, dass die Anzahl der in den Raum eingeschleppten bzw. im Raum entstehenden und abgelagerten Partikel kleinstmöglich ist, und in dem andere reinheitsrelevante Parameter wie Temperatur, Feuchte und Druck nach Bedarf geregelt werden."
Im Gegensatz zu den Partikelgrößen in Sauberkeitsbereichen sind hier Partikelgrößen von 0,1-5 μm relevant. Um den Anteil von, je nach Standort, mehr oder weniger stark verschmutzter Außenluft möglichst gering zu halten, werden üblicherweise Räume bzw. Geschosse außerhalb des eigentlichen Reinraums für eine Luftumwälzung genutzt. Daher ist es auch dort notwendig, dass Böden, Wände und Decken, die meist aus Stahlbeton bestehen, eine reinraumtaugliche Oberfläche bekommen. Diese Maßnahmen haben einen erheblichen Einfluss auf die Lebensdauer der Filterelemente für den Reinraum.
Maßgebliche Einflussfaktoren auf die Reinheit eines Reinraums sind neben Zuluftqualität, Zulufteinbringung, Oberflächen und dem Personal auch die im Raum befindlichen Betriebsmittel [4].
Zu den Betriebsmitteln zählen u. a. Inneneinrichtungen wie Wände, Türen, Decken und Böden.
Wesentliche Parameter der Reinraumtauglichkeit von Betriebsmitteln sind:

  • Emission luftgetragener Partikel
  • Ausgasungsverhalten (outgassing)
  • ESD-Eigenschaften
  • Reinigbarkeit
  • Chemikalien- bzw. Desinfekt­ionsmittelbeständigkeit
  • Glatte und rissfreie Oberfläche
  • Verstoffwechselbarkeit/Mikrobizidität

Die Anforderungen verschiedener Branchen unterscheiden sich dabei teilweise stark. Während z. B. für die Fertigung von Halbleitern die geringe Ausgasung von Betriebsmitteln zwingend notwendig ist, spielt sie bei der Herstellung von pharmazeutischen Produkten bislang meist noch keine Rolle.
Ebenso gibt es Unterschiede bei den Partikelreinheitsklassen zwischen der DIN EN ISO 14644-1 und der für die Herstellung von human- und veterinärmedizinischen Produkten gültigen GMP (Good Manufacturing Practice) bzw. cGMP. Nach DIN EN ISO 14644-1 sind die Partikelreinheitsklassen der Luft von Klasse 1- 9 eingeteilt, wobei die höchstzulässige Partikelzahl in Klasse 1 am niedrigsten ist. In den GMP erfolgt die Einteilung von Klasse A bis D, wobei Klasse A in etwa der ISO-Klasse 5 entspricht.
Für die meisten Produktionsprozesse stellen luftgetragene Partikel das größte Problem dar. Immer mehr jedoch spielt auch AMC = Airborne Molecular Contamination (luftgetragene molekulare Kontamination) eine Rolle. Dabei handelt es sich um das Vorhandensein solcher molekularer (chemischer, nichtpartikulärer) Substanzen in der Gas- oder Dampfphase innerhalb der Atmosphäre eines Reinraums oder Reinraumbereichs, die eine schädliche Wirkung auf das Produkt, den Prozess, die Ausrüstung oder das Personal haben können [5]. Ausgasungen aus den Werkstoffen, aus denen die Betriebsmittel hergestellt sind, wie z. B. Beschichtungen der Wand/Decke/Boden, können in nicht unerheblichem Maße negative Auswirkungen haben. Beispiele hierfür sind Korrosionseffekte von metallischen Leiterbahnen oder -schichten, Defekte bei Lithografie-Prozessen, verkürzte Service-Intervalle und Lebenszykluszeiten von Optiken, Veränderung der elektrischen Eigenschaften von Wafern durch ungewollte Dotierung [6].
In allen bisherigen Normen und Richtlinien für Reinräume sind keine Prüfkriterien für Betriebsmittel, zu denen auch Beschichtungssysteme für Böden, Wände und Decken zählen, festgelegt. Es gab nur indirekte Hinweise auf die herzustellende bzw. aufrecht zu erhaltende Beschaffenheit der Raumluft in Reinräumen. Daher legten Reinraumhersteller bzw. ‑betreiber aufgrund von Erfahrungen die Kriterien für Systeme in Reinräumen fest. Teilweise wurden eigene Prüfverfahren entwickelt, wie z. B. durch die m+w group mit ihren „specifications for semiconductor clean rooms" [7].
Um Prüfmethoden für die Reinraumtauglichkeit von Betriebsmitteln zu erarbeiten und um hierfür optimierte Produkte zu entwickeln, entstand eine Allianz der Industrie, „Cleanroom Suitable Materials (CSM)", auf Initiative des Fraunhofer Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA), Stuttgart. Aufgrund der im Industrieverbund CSM gewonnenen Erkenntnisse werden erstmals im Entwurf der VDI 2083 Blatt 17 (Februar 2011) Prüfkriterien für die Reinraum-/Reinheitstauglichkeit von Werkstoffen beschrieben.
Je nach Anwendungsbereich werden folgende Anforderungen an Beschichtungssysteme gestellt:

  • Gute Abriebfestigkeit (geringe Partikelbildung)
  • Gute mechanische Beständigkeit
  • Gute chemische Beständigkeit
  • Geringe Ausgasung
  • Glatte, porenfreie Oberfläche
  • Gute Reinigungsfähigkeit
  • Beständig gegen Desinfektionsmittel
  • Biostatisch bzw. Mikrobizid
  • Ableitfähig

Rissüberbrückend
Mittlerweile kann durch Prüfverfahren die Reinraumtauglichkeit von Beschichtungssystemen nachgewiesen werden. Das bedeutet eine erheblich größere Sicherheit für den Bau bzw. Betrieb eines Reinraums.
Biotechnik Laboratorien
In Laboratorien für Forschung, Entwicklung und mikrobiologische Analyse, in denen mit Mikroorganismen im Rahmen der Bakteriologie, Mykologie, Virologie und Parasitologie umgegangen wird und/oder in denen gentechnische Arbeiten durchgeführt werden, liegt das Hauptaugenmerk darauf, dass keine für Menschen, Tiere, Pflanzen und Umwelt gefährlichen Mikroorganismen aus den Labors entweichen können. Nach DIN EN 12128 werden diese Laboratorien in vier Sicherheitsstufen eingeordnet, S 1 bis S 4,­
wobei S 1 die niedrigste, S 4 die höchste Sicherheitsstufe darstellt. Ab S 3 müssen die Oberflächen der Arbeitstische, Fußböden, Wände und Decken leicht zu reinigen und für Pflegearbeiten gut zugänglich sein. Die Oberflächen müssen wasserundurchlässig und gegenüber Desinfektionsmitteln, Reinigungsmitteln, Säuren, Laugen, Lösemitteln und anderen Chemikalien, die üblicherweise verwendet werden, beständig sein [8]. Meist sollen mittlerweile die Beschichtungssysteme rissüberbrückend sein, damit sich in evtl. nachträglich im Bauwerk entstehenden Rissen keine Mikroorganismen festsetzen können, die dann durch Wischdesinfektion nicht erreicht werden.

Beschichtungssysteme
Am besten geeignet für die Anforderungen in Reinräumen sind Epoxidharzsysteme, die sich vor allem durch ihre glatte, porenfreie Oberfläche und eine sehr gute chemische Beständigkeit bewährt haben. Außerdem haben sie bei mechanischer Belastung, wie z.  B. Geh- oder Fahrverkehr, ein sehr gutes Abriebverhalten und somit auch eine geringe Partikelbildung. Zudem wurde in den letzten Jahren bei der Entwicklung von Produkten durch gezielte Auswahl der Inhaltsstoffe das Ausgasungsverhalten weiter verbessert. Die neueste Generation von Epoxidharzdispersionen bzw. -emulsionen enthält, außer Wasser, kaum noch flüchtige Anteile.
Beschichtungssysteme bestehen in der Regel aus folgenden Arbeitsschritten:

  • Untergrundvorbereitung
  • Grundierung
  • Egalisierspachtelung
  • Deckbeschichtung

Für horizontale, befahrbare Flächen hat sich das staubarme Kugelstrahlen in den letzten Jahren als wirtschaftlichstes Verfahren der Untergrundvorbereitung etabliert. In schwer zugänglichen Bereichen und für Kleinflächen wird Schleifen mit einem Diamantschleifteller angewendet. Für Wände und Decken wird üblicherweise, vor allem im Neubau, bei großen Flächen das Hochdruckwasserstrahlen (HDW) verwendet.
Die Grundierung ist ein wichtiger Bestandteil eines Beschichtungssystems, da sie den dauerhaften Verbund zwischen der folgenden Beschichtung und dem Untergrund sicherstellt. Bei Stahlbetonoberflächen sind nach der Untergrundvorbereitung geöffnete Poren und Lunker vorhanden, die durch eine Egalisierspachtelung geschlossen werden müssen, damit sie sich nicht in die Deckbeschichtung übertragen.
Für horizontale Flächen wird als Deckbeschichtung i.d.R. eine selbstverlaufende, mit Quarzsand gefüllte, Epoxidharzbeschichtung mit 1-2 mm Schichtdicke verwendet. Für Wand- und Deckenflächen, die keiner mechanischen Belastung, wie Geh- und Fahrverkehr ausgesetzt sind, reicht im Regelfall eine Versiegelung aus Epoxidharz in einer Schichtdicke von 0,1- 0,2 mm aus. Zur Erzielung einer Rissüberbrückung kann in das Beschichtungssystem ein Glasvlies eingearbeitet werden.

Weiterführende Literatur auf Anfrage beim Autor erhältlich.

Dieser Beitrag ist bereits in VDI-Berichte Nr. 2125, (2011), ISBN: 978-3-18-092125-9 erschienen.

 

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