Anlagenbau & Prozesstechnik

Qualifizierung von Reinräumen - Teil 4

Änderungskontrolle, Requalifizierung und Abnahmeinspektion

05.04.2013 -

ReinRaumTechnik - Die Qualifizierung von Anlagen der Reinraumtechnik ist eine aufwändige Nagelprobe, bei der es für die Betriebe um alles geht. Für viele von ihnen ist der Nachweis der Fähigkeit, die saubere Produktion im Reinraum tatsächlich zu beherrschen, keine freiwillige Kür, sondern notwendige Pflicht.

In der Pharmabranche ist die Qualifizierung die Voraussetzung dafür, dass überhaupt produziert werden darf. Mit dem regulären Betrieb darf nämlich erst begonnen werden, nachdem die Geeignetheit der Räume festgestellt wurde. Mit anderen Worten: nach der „Qualifizierung". Im ReinRaum Tutorial „Qualifizierung von Reinräumen" erläutert Prof. Gernod Dittel die Richtlinien und Maßnahmen zur Qualifizierung. Teil 4 beschäftigt sich mit den Themen Änderungskontrolle, Requalifizierung und Abnahmeinspektion.

Änderungskontrolle (Change Control)
Ist die Anlage erst einmal qualifiziert und in Betrieb, muss weiterhin jede Änderung daran nach einem genauen Verfahren eingeführt und geprüft werden (EU-GMP-Leitfaden Anhang 15 (2001): Qualifizierung und Validierung, Nr. 43). Ein System der Änderungskontrolle (Change-Control-System) soll sicherstellen, dass die geplante Änderung die Produktqualität und den Herstellungsprozess nicht negativ beeinflusst. Dies gilt, falls die Änderung einen der folgenden Punkte berührt:

  • die Produktqualität und Reproduzierbarkeit des Prozesses,
  • das Impact Assessment (Systeme, die bisher keinen oder nur indirekten Einfluss auf das Produkt hatten, haben nun direkten Einfluss, und umgekehrt),
  • elementare Elemente der Entwurfsplanung
  • und die Kundenspezifikationen (URS) des Systems. (EU-GMP-Leitfaden Anhang 15 (2001): Qualifizierung und Validierung, Nr. 43), (International Society for Pharmaceutical Engineering (2001): Pharmaceutical Engineering Guides for New and Renovated Facilities, Volume 5 Commissioning and Qualification 05.2001, Nr. 6.5.3.)

Die Vorgehensweise bei der Änderungskontrolle definiert der Anwender vorab und dokumentiert sie. Änderungen müssen beantragt und von der Verantwortlichen Person genehmigt werden. Des Weiteren sollte eine Risikoanalyse zur Bestimmung weiterer Maßnahmen folgen, zum Beispiel zur Requalifizierung und Revalidierung (EU-GMP-Leitfaden Anhang 15 (2001): Qualifizierung und Validierung, Nr. 43), (International Society for Pharmaceutical Engineering (2001): Pharmaceutical Engineering Guides for New and Renovated Facilities, Volume 5 Commissioning and Qualification 05.2001, Nr. 6.5.3.).

Requalifizierung und Überwachung
Mit „Requalifizierung" ist der Nachweis gemeint, dass die Anlage andauernd mit der Klassifizierung der Anlage übereinstimmt - es wird also der hohe Standard immer wieder auf seine Einhaltung überprüft. Relevant dafür sind der EU-GMP-Leitfaden (EU-GMP-Leitfaden Anhang 1 (2009): Herstellung steriler Arzneimittel, Nr. 7.) und die EN ISO 14644-2 (EN ISO 14644-2 (2001): Festlegungen zur Prüfung und Überwachung zum Nachweis der fortlaufenden Übereinstimmung mit ISO 14644-1, Nr. 3.1.1). Üblich sind zwei Arten der Requalifizierung. Die erste ist die wiederkehrende, zum Beispiel jährliche Requalifizierung. Sie dient der Prüfung zum Nachweis der andauernden Übereinstimmung gemäß den Spezifikationen. Die zweite Art ist die Requalifizierung, die nach besonderen Ereignissen nötig wird (Schicht, Hans (2009): Requalifizierung, in: Maas, Anita / Peither, Barbara / Peither, Thomas (Hg.): GMP-Berater. Nachschlagewerk für Pharmaindustrie und Lieferanten, Schopfheim, Maas&Peither AG - GMP-Verlag, Nr. 3.J.8.). Gemäß der EN ISO 14644-2 muss neben der wiederkehrenden Prüfung nach folgenden Gegebenheiten eine Requalifizierung durchgeführt werden:

  • nach Verletzung der Grenzwerte und Abschluss der resultierenden Aus-/Verbesserungsmaßnahmen,
  • bei signifikanten Änderungen der Spezifikationen der Anlage, zum Beispiel der Anpassung des Druckzonenkonzepts,
  • bei signifikanten Störungen der Lüftungsanlage, zum Beispiel bei Stromausfall und der folgenden Unterbrechung der Luftströmung sowie
  • bei Instandhaltungsarbeiten, die den Betrieb der Anlage signifikant beeinflussen, zum Beispiel bei Wechsel der endständigen Schwebstofffilter.

Inwiefern eine Änderung signifikant ist oder nicht, bestimmen Kunden und Lieferanten untereinander (EN ISO 14644-2 (2001): Festlegungen zur Prüfung und Überwachung zum Nachweis der fortlaufenden Übereinstimmung mit ISO 14644-1, Nr. 4.2.8.). Tabelle 4 zeigt, welche Messungen zur Requalifizierung der Anlage durchgeführt werden sollten. Die Forderungen der verschiedenen Quellen stimmen demnach nicht ganz überein. Ohne Einschränkung bindend ist nach EN ISO 14644-2 nur die Messung der Partikelzahlen (Klassifizierung der Luftreinheit). Alle weiteren Prüfungen sind entweder fakultativ oder nach Absprache zwischen Kunden und Lieferanten durchzuführen.

Der GMP-Berater empfiehlt, die Requalifizierung der Reinraumtechnischen Anlage im Pharmabereich jährlich mit folgenden Maßnahmen zu wiederholen:

  • alle normativen Tests aus der ISO 14644-2 (vgl. Tabelle 4),
  • Filterlecktest bei Anlagen der Steril­herstellung,
  • mikrobiologische Messungen der Luft und der Oberflächen im Betriebszustand,
  • Erstellung von Trendanalysen auf Grundlage früherer Qualifizierungen und der vorhandenen Überwachungs-/Monitoringdaten,
  • ggf. Test auf Dichtheit der Reinraumhülle,
  • Strömungsvisualisierung und weitere Messungen auf Basis einer Risikoanalyse (Schicht, Hans (2009): Requalifizierung, in: Maas, Anita / Peither, Barbara / Peither, Thomas (Hg.): GMP-Berater. Nachschlagewerk für Pharmaindustrie und Lieferanten, Schopfheim, Maas&Peither AG - GMP-Verlag,
  • Nr. 3.J.8.).

Die Requalifizierung darf nicht mit der Überwachung des Reinraums verwechselt werden (EU-GMP-Leitfaden Anhang 1 (2009): Herstellung steriler Arzneimittel, Nr. 4). Letztere ist die „messtechnische Beobachtung nach einem definierten Verfahren und Plan zum Nachweis der Leistung einer Anlage" (EN ISO 14644-2 (2001): Festlegungen zur Prüfung und Überwachung zum Nachweis der fortlaufenden Übereinstimmung mit ISO 14644-1, Nr. 3.1.3) und wird häufig als das Monitoring des Reinraums bezeichnet. Die Überwachung festgelegter Parameter erfolgt periodisch (täglich, wöchentlich) per Hand oder (quasi-)fortlaufend automatisch (Schicht, Hans (2009): Raumluft- und reinraumtechnische Daten, in: Maas, Anita/Peither, Barbara/Peither, Thomas (Hg.): GMP-Berater. Nachschlagewerk für Pharmaindustrie und Lieferanten, Schopfheim, Maas&Peither AG - GMP-Verlag, Nr. 3.K.3.). Überwacht werden dabei:

  • die Partikelzahl (in Reinraumklasse A und B vorgeschrieben/empfohlen) (EU-GMP-Leitfaden Anhang 1 (2009): Herstellung steriler Arzneimittel, Nr. 9+10),
  • der Differenzdruck (Ebenda: Herstellung steriler Arzneimittel, Nr. 55),
  • mikrobiologische Messgrößen (vgl. Grenzwerte in Tabelle 3, s. ReinRaumTechnik Ausgabe 05/2012)
  • ggf. Temperatur, relative Feuchte und weitere produkt- und prozessrelevante Parameter.

Die Überwachungspunkte wählen Anwender anhand einer Risikoanalyse und der Klassifizierung der Reinräume (Ebenda: Herstellung steriler Arzneimittel, Nr. 8). Während sie die Requalifizierung meist im Zustand „at rest" durchführen, um die Funktionsfähigkeit der Anlage zu bestätigen, wird die Überwachung im Betriebszustand („in operation") vollzogen. So erkennen die Betriebe, ob die Produktion tatsächlich innerhalb der Grenzwerte stattfindet (VDI-Richtlinie 2083 Blatt 3 (2005): Messtechnik in der Reinraumluft, Nr. 4.1.1.1).

Abnahmeinspektion
Nach der Fertigstellung des Reinraums und den Qualifizierungstätigkeiten erfolgt die Abnahmeinspektion. Erst nach dieser kann eine Erlaubnis für Herstellung, Einfuhr und Großhandel von Pharmaprodukten erteilt werden (Hiob, Michael (2009): GMP-Inspektionen, in: Maas, Anita/Peither, Barbara / Peither, Thomas (Hg.): GMP-Berater. Nachschlagewerk für Pharmaindustrie und Lieferanten, Schopfheim, Maas&Peither AG - GMP-Verlag, Nr. 18.E.5.1.). Die Inspektion von Betrieben, die in Deutschland Arzneimittel herstellen, prüfen, lagern, verpacken, in den Verkehr bringen oder mit ihnen Handel treiben, obliegt verschiedenen Behörden (Abbildung 2, § 64 AMG). Die Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten (ZLG) koordiniert die zuständigen Landesbehörden (Ebenda: 18.E.2.2). Zugelassen sind nur hauptberuflich tätige Prüfer (Arzneimittelgesetz (AMG) vom 12. Dezember 2005, BGBl. I S. 3394, i.d.F. vom 23. Juli 2009, BGBL. I S. 1990, § 64 Abs. 1+2).
Die Landesbehörde untersucht, ob die örtlichen Gegebenheiten die Einhaltung der GMP-Grundsätze gewährleisten, ob die Herstellung und Prüfung der Arzneimittel dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen und alle Vorraussetzungen für die Erlaubniserteilung gegeben sind (Ebenda: 18.E.5.1). Sind die Grundsätze der Guten Herstellungspraxis erfüllt, bekommt der Betrieb innerhalb von 90 Tagen ein Zertifikat ausgestellt (Arzneimittelgesetz (AMG) vom 12. Dezember 2005, BGBl. I S. 3394, i.d.F. vom 23. Juli 2009, BGBL. I S. 1990, § 64 Abs. 3).

 

Die Qualifizierung von Reinräumen - Teil 1 lesen Sie hier.
Die Qualifizierung von Reinräumen - Teil 2 lesen Sie hier.
Die Qualifizierung von Reinräumen - Teil 3 lesen Sie hier.

 

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