Anlagenbau & Prozesstechnik

Reinheitsanforderungen an Halbleiter-Zulieferer

31.08.2016 -

Durch größere Waferdurchmesser und weitere Prozessautomatisierung wächst in den Halbleiterfabriken der Bedarf an Anlagen und Ausrüstungen für den Reinraum. Das stellt Zulieferer vor die Herausforderung, selbst unter reinen Bedingungen zu fertigen und sicherzustellen, dass ihre Produkte rein zum Kunden kommen.

Unsere Welt wird immer digitaler, intelligenter und vernetzter. Möglich machen es Computer­chips und Sensoren. Sie erobern Fabriken, Smartphones, Autos und Haushaltsgeräte, ja sogar die Kleidung. Befeuert wird der Trend durch die Industrie 4.0 und das Internet der Dinge. „Diese Entwicklung ist die größte Chance für die Halbleiterindustrie seit dem Internetboom“, erklärt Werner Ballhaus. Er leitet den Bereich Technologie, Medien und Telekommunikation bei PricewaterhouseCoopers (PwC) in Düsseldorf.
Ob Smartphones, Elektrofahrzeuge oder Wear­a­bles – so verschieden die Produkte auch sind, sie haben eines gemeinsam: Für ihre Herstellung werden Halbleiter benötigt. Die wachsende Nachfrage, so prognostiziert PwC, werde dem globalen Halbleitermarkt einen neuen Boom bescheren.
Damit steigt auch der Bedarf an Anlagen und Ausrüstungen für die Halbleiterindustrie. Wie der Branchenverband SEMI im Juli 2016 auf der Halbleitermesse Semicon West in San Francisco mitteilte, werde der weltweite Markt für Halbleiter-Equipment im kommenden Jahr um 11 % wachsen.
Zusätzlich geschürt wird der Bedarf an Ausrüstungen durch den hohen Innovationsdruck in der Halbleiterindustrie. Um gegen den hohen weltweiten Konkurrenzdruck zu bestehen, setzen hiesige Unternehmen unter anderem auf Automatisierung. Dr. Germar Schneider,  Manager Thin Wafer Handling bei der Infineon Technologies Dresden, bestätigt den Innovationsdruck. Das Unternehmen zählt zu den modernsten Halbleiterproduzenten bei 200-Millimeter-Wafern und fertigt mit über 30 unterschiedlichen Technologien mehr als 200 verschiedene Produkte. „Die Kundenanforderungen werden immer diversifizierter, darum müssen wir die Abläufe in der Halbleiterproduktion ständig neu überarbeiten und die Komplexität senken“, sagt Schneider. „Automatisierung ist hierfür einer der Schlüssel zum Erfolg.“

Die Produktion
Damit schlägt die Stunde der Zulieferer. Sie können mit Maschinen, Komponenten, Mess-, Prüf- und Hilfsmitteln in der Halbleiterindustrie reüssieren, vorausgesetzt, sie liefern in reinraumtauglicher Qualität. „Wir geben unseren Zulieferern unsere Reinheitsspezifikationen vor, wobei nicht alle sie erfüllen können“, sagt Infineon-Experte Schneider. „Je reiner uns ein Hersteller beliefern kann, desto weniger Aufwand haben wir bei der Einbringung. Grundsätzlich geht nichts in den Reinraum, was wir nicht vorher gereinigt und geprüft haben.“
Zulieferer müssen sich daher mit Blick auf die Mitbewerber überlegen, ob sie künftig in schwarz, grau oder weiß produzieren. Sprich: Ob sie in normalen Fabrikhallen, in staubarmen Umgebungen oder in Reinräumen fertigen. Für Letzteres entschied sich die Firma mkf im thüringischen Lederhose. Der Maschinen- und Anlagenhersteller montiert, reinigt und verpackt für seine Kunden z. B. in der Optik- und Halbleiterindustrie sowohl Einzelteile als auch Baugruppen in einem Reinraum bis zur ISO-Klasse 5. „Wir haben es als Lücke am Markt gesehen, dem Kunden Produktionsprozesse wie Fertigung und Montage einschließlich der Reinigung abzunehmen und einbaufertig zu liefern, denn der Kunde braucht sein Personal für seine Kernprozesse“, sagt mkf-Geschäftsführer Christian Voigt. Zum Reinigen werden unter anderem Ultraschall, Vakuumtrockenöfen und Ozon genutzt. Bei besonderen Anforderungen kommen auch Reinluftarbeitsplätze oder Minienvironments zum Einsatz. Die Baugruppen bestehen aus oberflächenveredelten Metallteilen mit komplexen Geometrien und hohen Genauigkeiten im Mikrometerbereich. „Indem wir unsere Kunden von der Dekontaminierung, Montage und Reinigung entlasten, müssen sie die Baugruppen nur auspacken und können sie ohne Zusatzaufwand sofort in den Reinraum einbringen und verwenden.“ Hierfür habe man natürlich erst einmal das Vertrauen der Kunden gewinnen müssen. Doch diese hätten bald erkannt, dass die einbaufertige Anlieferung von großem Nutzen für sie sei.
Ebenfalls im Reinraum fertigt Feinmetall in Herrenberg unweit von Stuttgart. Das Unternehmen produziert für die Elektronikindus­trie unter anderem Prüfkarten. Diese stellen den elektrischen Kontakt zwischen den Chips auf den Wafern und dem Testsystem her, so dass die Funktionsfähigkeit der Chips geprüft werden kann. „Bei diesem Produkt werden Hunderte von elektronischen Kontakten in der Stärke eines dünnen Haares auf der Fläche einer Briefmarke in einem exakt definierten Abstand platziert. Das erfordert höchste Präzision“, sagt Geschäftsführer Wolfgang Bürkle. Feinmetall hat gerade sechs Mio. Euro in die Erweiterung und Automatisierung seiner Wafer-Prüfkarten-Fertigung investiert. Bestandteile der neuen Produktionslinie sind der Reinraum, eine Prüfkarten-Waschanlage und Spezialtestgeräte für die Prozesskontrolle. Fertigungsleiter Thorsten Kern betont: „Die Strukturen auf den Prüfkarten sind so fein, dass keinerlei Verunreinigungen darauf sein dürfen, sonst kommt es zu fehlerhaften Kontakten auf den Wafern.“ Darum werden die Prüfkarten nach der Reinigung und Endkontrolle hermetisch dicht verpackt. Die Kunden können sie dann in der Schleuse auspacken und sofort im Reinraum verwenden.

Die Logistik
Logistikunternehmen kümmern sich darum, dass die Produkte aus den Reinräumen der Zulieferer unbeschadet in die Reinräume der Kunden kommen. Heiko Löwe, Leiter Spezialverkehre bei DB Schenker am Standort Dresden, erklärt den Ablauf: „Wir übernehmen die Waren, z. B. Maschinen, eingeschweißt in antistatische Folien und verpackt in Holzkisten und bringen sie bis vor die Schleuse des Kunden.“ Handele es sich um Spezialmaschinen, seien mitunter besondere Temperaturanforderungen während des Transportes sicherzustellen. Beim Kunden würden zuerst Kiste und Außenfolie entfernt und die Maschine in die Schleuse gefahren. „Dann bringen wir unsere Hubwagen und Werkzeuge wieder nach draußen, ziehen uns in der Personalschleuse die Reinraumkleidung an und betreten die Materialschleuse nunmehr von der Reinraumseite. Von hier aus bringen wir reine Hubwagen und Werkzeuge mit in die Schleuse und entpacken die Maschine komplett. Nachdem der Kunde sie gereinigt hat, fahren wir sie im Reinraum an die gewünschte Stelle, wo der Kunde sie dann anschließen kann.“
Kleinere Produkte, wie sie unter anderem mkf fertigt, werden zweifach in antistatische Reinraumfolien eingeschweißt und in dafür entwickelten Umverpackungen transportiert. „Bei solchen Produkten ist es wichtig, eine Spedition zu qualifizieren, die die Ware wie rohe Eier behandelt“, betont mkf-Geschäftsführer Christian Voigt. Schließlich dürften die Folien auf keinen Fall verletzt werden. Auch sollte der Fahrer die Ware direkt zum Kunden bringen und nicht noch an mehreren Stationen weitere Fracht im schlimmsten Fall obendrauf packen, nur um das Ladevolumen auszuschöpfen. „Sie müssen die Partner in ihrer Lieferkette für Ihre Produkte sensibilisieren“, rät Voigt.
Dass immer mehr Ausrüster der Halbleiterindustrie dazu übergehen, ihre Produkte in reinen Umgebungen zu produzieren und für den Kunden zu reinigen, beobachtet auch Frank Duvernell. Er ist Geschäftsführer von profi-con Contamination Control. Das Leipziger Unternehmen ist auf die Reinigung von Reinräumen spezialisiert – ein Prozess, der dafür sorgt, dass ein Reinraum überhaupt erst zum Reinraum wird. „Professionelle Reinraum-Reinigungen werden von den Zulieferern der Halbleiterindustrie immer stärker nachgefragt“, konstatiert Duvernell. „Denn die Unternehmen erkennen zunehmend, dass nicht nur die Prozessreinheit, sondern auch die Umgebungsreinheit einen entscheidenden Einfluss auf die Qualität ihrer Produkte hat.“
Doch egal, ob ein Unternehmen seinen Reinraum von einem Dienstleister oder von eigenen Mitarbeitern reinigen lässt – in jedem Fall ist dafür qualifiziertes Reinraumpersonal erforderlich. Ein Reinraumverantwortlicher darf die Reinigung nicht als lästige Nebensache betrachten. Sie ist die entscheidende Voraussetzung dafür, dass überhaupt mit der Produktion begonnen werden kann. Dieses Bewusstsein bringen nur ausgebildete Reinigungsexperten mit.
Entsprechende Schulungen und Veranstaltungen hierzu bieten zahlreiche Anbieter wie bspw. die ReinraumAkademie in Leipzig an. Letztere veranstaltet im November 2016 eine Tagung genau zu diesem Thema, Titel: „Optimales Reinraummangement".


Cleanzone bietet AMC-Workshop für Unternehmen der Halbleiter­industrie
Erstmalig findet in diesem Jahr auf der Reinraummesse „Cleanzone“ ein Workshop zum Thema „AMC – eine Herausforderung für die Reinraumtechnik“ statt. Die Veranstaltung rückt das Problem der molekularen Verunreinigungen in den Fokus und präsentiert neue Erkenntnisse zu den Themen Messtechnik und Filtertechnologie. Der Workshop wendet sich an Unternehmen der Halbleiterindustrie, der Luft- und Raumfahrt sowie der High-End-Kunststoffbranche. Die „Cleanzone“ wird von der Messe Frankfurt in Kooperation mit der ReinraumAkademie veranstaltet.

Kontakt

ReinraumAkademie GmbH

Rosa-Luxemburg-Str. 12-14
04103 Leipzig
Deutschland

+49 341 98989 302
+49 341 98989 3 302

Wasserstoff für die Prozessindustrie

News & Hintergrundberichte

CITplus Insight

Aktuelle Themen aus der Prozess- und Verfahrensindustrie

Registrieren Sie sich hier

CHEMonitor

Meinungsbarometer für die Chemieindustrie

> CHEMonitor - Alle Ausgaben

Social Media

LinkedIn | X (Twitter) | Xing

Wasserstoff für die Prozessindustrie

News & Hintergrundberichte

CITplus Insight

Aktuelle Themen aus der Prozess- und Verfahrensindustrie

Registrieren Sie sich hier

CHEMonitor

Meinungsbarometer für die Chemieindustrie

> CHEMonitor - Alle Ausgaben

Social Media

LinkedIn | X (Twitter) | Xing