Anlagenbau & Prozesstechnik

Roche modernisiert Antikörperproduktion in Penzberg

30.11.2011 -

Der Pharmakonzern Roche hat den Standort Penzberg mit einem Investment von 158 Mio. € umfassend ausgebaut. Unter der Bezeichnung „TP-Expand" wurden Forschung, Entwicklung und Produktion von Therapeutischen Proteinen erweitert. Diese komplexen Biomoleküle spielen bei der Bekämpfung von immer mehr Krankheiten eine wichtige Rolle, müssen allerdings aufwändig unter Reinraumbedingungen hergestellt werden. Allein für die Therapeutischen Proteine wurden 2.500 m2 Reinraumflächen geschaffen, wovon drei Fünftel auf die Fermentation entfallen.

Der Umbau musste unter enormen Zeitdruck erfolgen, konnte aber dank guter Planung termingerecht abgewickelt werden.
Im bayrischen Penzberg, südlich von München, unterhält der Pharmakonzern Roche sein Biotechnologie-Zentrum, die größte Einrichtung dieser Art in Europa. Kürzlich hat das Unternehmen die gesamte Wertschöpfungskette der Therapeutischen Proteine (TP) von der Forschung über die Entwicklung bis zur Produktion unter ein Dach gebracht. Mit dem Investitionsprojekt „TP-Expand", das Ende Juni 2011 zunächst abgeschlossen werden konnte, hat Roche seine Aktivitäten in der Forschung und Entwicklung therapeutischer Proteine massiv ausgeweitet. Dazu wurden in den zurückliegenden zweieinhalb Jahren rd. 158 Mio. € in Gebäude, hochmoderne Anlagen sowie in die Infrastruktur des Standortes investiert. In insgesamt fünf Gebäuden wurden auf knapp 20.000 m2 Produktions- und Laborflächen für modernste biotechnologische Prozesse erweitert und komplett neu gestaltet. Dieser Ausbau ist deshalb so wichtig, weil Roche derzeit 40 Vorhaben mit neuen therapeutischen Proteinwirkstoffen oder neuen Indikationen in der „Pipeline" hat. Die Mitarbeiterzahl in diesem Bereich ist seit 2001, als Roche die „Therapeutische-Protein-Initiative" startete, von 40 auf mehr als 600 angestiegen.
Weil es sich bei den TP um besonders komplexe Biomoleküle handelt, ist eine herkömmliche chemische Synthese zu teuer oder eher schlichtweg nicht möglich. Deshalb werden gentechnisch modifizierte Mikroorganismen oder Zellkulturen für diesen Zweck eingesetzt. TP helfen signifikant im Kampf gegen verschiedene Krebs- und Rheumaerkrankungen, gegen Multiple Sklerose, werden aber auch gegen Entzündungserkrankungen wie Arthritis und Asthma erfolgreich angewandt. Deshalb gewinnt die Antikörper-Therapie ständig an Bedeutung. So wird die Anzahl der biotechnologisch hergestellten Präparate unter den 100 weltweit wichtigsten Pharmaprodukten von elf Prozent im Jahr 2000 auf 50% 2014 anwachsen.
Einen Schwerpunkt innerhalb der TP-Expand bilden neue Fermentationsanlagen, die in der so genannten Single-Use-Technologie ausgeführt wurden. Diese Fermenteranlagen werden bis zu einer Größe von 250 l auch für die Produktion von Proteinwirkstoffen verwendet, die für die klinische Prüfung benötigt werden. Allein im letzten Jahr hat Roche global Material für derartige Untersuchungen mit 55.000 Patienten in über 70 Ländern zur Verfügung gestellt. Mit den innovativen Einmal-Reaktoren können solche neuen Projekte schnell und flexibel angefahren werden, weil beispielsweise die aufwändigen Reinigungsprozeduren für Stahlfermenter entfallen.

Fermentation auf rund 1.500 Quadratmetern
Ein wichtiges Teilprojekt innerhalb des TP-Expand war der Um- und Ausbau des Produktionsgebäudes 352, das ursprünglich 1987 auf dem Penzberger Gelände errichtet worden war und Kapazitäten für die Fermentation und Aufreinigung von Wirkstoffen für die klinischen Studienphasen I und II enthält. Dabei handelt es sich um ein komplexes Reinraum-Produktionsgebäude, in dem sieben Fermentationslinien mit einem Durchsatz zwischen 250 und 1.000 l untergebracht sind. Dazu kommen noch vier DSP-Produktionsstraßen (DSP steht für Downstream Processing, also Aufreinigung) sowie die Zellbankablage für die Wirkstoff-Produktion, die auch die biotechnologisch hergestellten Antikörper einschließen. Die vorhandenen Reinraum-Anlagen entsprachen nicht mehr dem neuesten Stand der Technik, Treiber für den umfassenden Umbau waren einerseits eigene gewachsene Ansprüche an eine noch höhere Produktionssicherheit, andererseits auch behördliche Forderungen. Dabei befindet sich der komplette Produktionsstrang - Fermentation, Ernte- und Downstream-Processing-Bereich - im Reinraumbereich. Flächenmäßig den größten Bereich bildet die Fermentation, insgesamt haben die angeschlossenen Reinräume eine Gesamtfläche von 2.500 m2, wovon 1.500 m2 auf die Fermentation entfallen und 1.000 m2 auf den DSP-Bereich. Der Downstream-Bereich umfasst die notwendigen Aufreinigungsschritte der Produkte, die aus Chromatographie und Filterung bestehen. Danach werden die Produkte zum Transport in Spezialbehältern eingefroren, und beispielsweise in Mannheim endgültig als Medikament galenisch formuliert und abgefüllt. Nach der galenischen Formulierung wird es an die Kliniken zu Studienzwecken ausgeliefert.
Die beiden Lüftungsanlagen zur Luftreinigung, die auf dem Dach von Gebäude 352 untergebracht sind, laufen mit einer Leistung von jeweils 45.000 m3/h. Die angeschlossenen Reinräume der Fermentation und des DSP wurden für ISO Klasse 8 nach DIN ISO 14644-1 ausgelegt. Die gesamte Luftmenge wird einmal auf diesen Standard gebracht und durchströmt dann die Räume. Nach internen Vorgaben von Roche unterscheiden sich spezielle Produktionsbereiche durch die Anzahl der erlaubten Keime in der Raum-Luft, so liegen zum Beispiel in den Anzuchtlaboren und in den Aufreinigungsbereichen der maximal zulässige Wert bei 200 KBE/m3. Um diese Luftqualität zu erreichen, sind in den Luftzuführungen in diesen Bereichen zusätzliche Filter installiert. Zudem wird die Luft hinsichtlich Temperatur und Feuchte konditioniert.
Die Luft wird also nach der Ansaugung zentral aufgereinigt, konditioniert und dann über Lüftungskanäle in die unterschiedlichen Räume geleitet, die sich über vier Stockwerke im Gebäude 352 erstrecken. Auf jeder Ebene ist der erforderliche Luftwechsel sichergestellt, wobei ein Druckgefälle von innen nach außen herrscht. Volumenstromregler sorgen für einen entsprechenden Differenzdruck. Die Zugänge zu den Reinraumbereichen erfolgt über Personalschleusen. In den speziellen Reinräumen wird grundsätzlich die gleiche Luft eingesetzt, das Umgebungs-Monitoringprogramm zur Überprüfung des Reinraumstatus orientiert sich jedoch an der unterschiedlichen Nutzung. Gemäß den Anforderungen nach BImSG wird die Abluft der Reinräume ebenfalls gefiltert.

Effektive Energierückgewinnung aus der Abluft
Großen Wert hat Roche auch auf das Energierückgewinnungssystem bei der Luftaufbereitung gelegt. Eingesetzte Wärmeenergie kann im Mittel zu über 95 %, Kühlenergie zu über 40% zurückgewonnen werden. Daraus folgt eine Einsparung von 5.680 GJ/a an Heizenergie sowie 130 GJ/a Kühlenergie. Unter dem Strich werden dank dieser Maßnahmen 365 t weniger Kohlendioxid pro Jahr emittiert.
Der Zeitplan für die Umbaumaßnahmen und die Erneuerung der Reinraumtechnik war ausgesprochen anspruchsvoll. So musste das Projekt innerhalb von nur drei Monaten, einschließlich der Qualifizierung von Anlagen und Lüftungstechnik realisiert werden, um die laufenden Entwicklungsarbeiten von TP nicht zu verzögern. Deshalb war eine umfassende Planung im Vorfeld notwendig, die dank der vorhandenen Expertise mit dem Gebäude und der Technik durch eigene Mitarbeiter erfolgte. Für den reibungslosen Ablauf war die Einbindung des eigenen Know-hows zwingend. In die Ausführungsplanung war unter dem Generalplaner M+W Process Industries, Stuttgart, das Ingenieurbüro Markus Mayr aus Peissenberg eingebunden. Das Construction Management wurde von der Firma CCM, Höhenrain, mit Unterstützung von VTU, Graz, geleistet. Der Bauablauf war aufgrund des engen Zeitplans stundengenau festgelegt, alle ausführenden Firmen waren früh eingebunden, um das ehrgeizige Zeitfenster zu gewährleisten. In der Umsetzungsphase wurden bis zu 150 Monteure gleichzeitig in den Umbaubereichen koordiniert. Die Ausführung der Lüftungsanlagen erfolgte durch die Firma Lausser (Pilgramsberg), die Medienanlagen durch die Firmen BIS (Salzburg) und Lausser.
In Penzberg hat Roche bereits seit 1972 Baumaßnahmen mit speziellem technischen Hintergrund durchgeführt. Diese langjährige Erfahrung der Mitarbeiter hat letztendlich die schnelle und erfolgreiche Umstellung auf neue Reinraumtechnik in Gebäude 352 quasi bei laufender Produktion ermöglicht.  

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