Strategie & Management

Die Chemie – Innovationstreiber zu allen Zeiten

Eine Zeitreise durch vier Epochen von VCI-Präsident Kurt Bock

10.03.2017 -

Kern der Industrie in Deutschland, Nummer Eins der Branche in Europa bei Umsatz und Produktion, Exportweltmeister, attraktiver Arbeitgeber, starker Mittelstand. Das sind nur einige der Attribute, die den heutigen Stellenwert der chemisch-pharmazeutischen Industrie in Deutschland beschreiben. Vor allem ist die Chemie aber der Innovationsmotor der deutschen Wirtschaft. Ob spritsparende Autos, energieeffiziente Häuser oder schnell wirkende Medikamente – chemische Produkte und Technologien ermöglichen Innovationen in allen Lebensbereichen.

Seit Beginn der industriellen Revolution vor über 150 Jahren ist die chemische Industrie ein Treiber für Fortschritt in Deutschland. Sie förderte notwendigen technologischen und strukturellen Wandel und wurde dabei selbst immer innovativer, wettbewerbsfähiger und nachhaltiger. Das belegt ein Blick auf die wesentlichen Entwicklungsphasen:

Chemie 1.0 (ab 1865)

Einzelne Erfinder und unternehmerische Pioniere prägten die Gründerzeit unserer Branche. Sie setzten chemische Erkenntnisse in großtechnische Verfahren um. So entstanden und wuchsen die ersten Chemieunternehmen. Synthetische Farbstoffe wie Indigo ersetzten zunehmend Naturstoffe als Färbemittel. Mit der Industrialisierung stieg die Nachfrage nach Chemieprodukten wie Kunstdünger, Seifen und Pharmazeutika. Die enge Verzahnung der industriellen mit der akademischen Forschung war ein Wettbewerbsvorteil für die deutsche Chemieindustrie. Als Rohstoffbasis dienten Rückstände aus der Kohle-Chemie sowie pflanzliche Öle und tierische Fette. Produziert wurde überwiegend diskontinuierlich im Batch-Prozess. Umwelt- und Arbeitsschutz waren anfangs kein Thema; rauchende Industrieschlote standen für wirtschaftlichen Aufschwung und Wohlstand.

Chemie 2.0 (ab 1950)

Rund hundert Jahre später begannen die Chemieunternehmen ihre Rohstoffbasis von Kohle auf Rohbenzin umzustellen. Den Chemikern eröffnete dies nahezu unbegrenzte Möglichkeiten für neue Moleküle. Aus wenigen Grundsubstanzen konnten sie Verbundprodukte und über mehrstufige Synthesen eine Vielfalt von Industriechemikalien herstellen. Polymere Werkstoffe und makromolekulare Fasern aus der Petrochemie ermöglichten Produkte, die als Haushaltsgegenstände oder Textilien den Alltag eroberten. Um die stark wachsende Nachfrage zu bedienen, produzierten die Unternehmen zunehmend in Großanlagen, über deren Skaleneffekte sie die Kosten reduzieren konnten. Die großen Unternehmen bauten ihre Forschungsabteilungen aus. Außerdem führten zunehmende Umweltprobleme zu einer steigenden Bedeutung von nachsorgendem Umweltschutz in Form von Abluftfiltern und Abwasserreinigung.

Chemie 3.0 (ab 1980)

Seit den 80er Jahren erweiterten Erdgas und nachwachsende Rohstoffe die bisherige Rohstoffbasis der Unternehmen. Die Biotechnologie und biobasierte Verfahren ergänzten die Produktionsverfahren und ermöglichten eine neue Generation von Medikamenten und Spezialchemikalien. Die immer engere Kooperation mit der universitären Grundlagenforschung stärkte die Innovationskraft der Unternehmen. Außerdem beflügelten die Globalisierung der Märkte und der weltweite Ausbau der Produktion ihr Wachstum. Aufgrund der Konzentration der Unternehmen auf ihr Kerngeschäft sowie der Auslagerung von Dienstleistungen entstanden immer mehr Chemieparks. Parallel machte die Branche beim Umweltschutz große Fortschritte. Der Schlüssel: Umweltaspekte werden seit dieser Zeit bereits bei der Entwicklung von Produkten und Prozessen berücksichtigt und entsprechende Maßnahmen beim Bau der Produktionsanlagen umgesetzt. Dadurch verringern sich die Emissionen drastisch. Mit neuen analytischen Möglichkeiten für die ökotoxikologischen Eigenschaften von chemischen Stoffen verbessert sich gleichzeitig die Produktsicherheit.

Chemie 4.0 (Gegenwart und Zukunft)

Heute steht unsere Branche erneut vor einer Weichenstellung. Die Digitalisierung verändert Produktion und Prozesse in der Chemie, aber auch in unseren Abnehmerbranchen. Viele Unternehmen nutzen bereits digitalisierte Informationen, um die Logistik zu optimieren oder ihre Ressourceneffizienz zu steigern. Die Möglichkeit, dass Anlagen über Unternehmensgrenzen hinweg miteinander digital vernetzt werden können, eröffnet Chancen für innovative Geschäftsmodelle. Noch stehen wir hier am Anfang. Aber die horizontale Vernetzung von Wertschöpfungsketten wird immer wichtiger. Und wieder ist die Chemie Innovationstreiber und Anbieter von ganzheitlichen Lösungen und Leistungspaketen für ihre Kunden.

Zum Beispiel in der Landwirtschaft: Der vernetzte Acker mit punktgenauem Einsatz von Pflanzenschutz- und Düngemitteln ist ein strategisches Ziel moderner und nachhaltiger Agrarwirtschaft. Der Zugang zu digitalen Informationen in Echtzeit über Wetter, Bodenbeschaffenheit und Zustand der Pflanzen hilft dabei, Agrarwirtschaft umweltschonender und gleichzeitig ertragreicher zu machen. Auch die Forschung in den Life Sciences setzt auf Big-Data-Analysen. Gerade bei der computergestützten Genomanalyse und der Identifizierung von Wirkstoffen für die Entwicklung von Medikamenten und Pflanzenschutzmitteln spielen Auswertungsmöglichkeiten großer Datenmengen eine wichtige Rolle.

Nachhaltigkeit bildet den Kern des Zukunftskonzeptes

Bei Chemie 4.0 geht es aber nicht allein um die weitere Digitalisierung der chemisch-pharmazeutischen Industrie. Nachhaltigkeit mit ihren drei Dimensionen – wirtschaftlicher Erfolg, Schutz der Umwelt und gute Arbeitsbedingungen – bildet den Kern des Zukunftskonzeptes. Auch hier gehört die Chemie zu den Pionieren: Nachhaltigkeit ist schon seit Jahren ein Leitbild der Branche. Das unterstreicht die Nachhaltigkeitsinitiative Chemie3, die vom VCI, der Gewerkschaft IG BCE, und dem Arbeitgeberverband Chemie BAVC gemeinsam getragen wird. Mit vierzig Indikatoren messen wir zum Beispiel die Wettbewerbsfähigkeit auf den globalen Märkten, den Ausstoß von Treibhausgasen oder auch die Übernahmequote von Ausgebildeten. Die Indikatoren sind für die Unternehmen ein Kompass und schaffen Transparenz für die Öffentlichkeit. Sie zeigen Kunden, Lieferanten, Nachbarn und Politik, dass die Branche Kurs hält.

Auch in Zukunft wird unsere Branche eine Säule für eine nachhaltige Gesellschaft sein: Mit ihrem Know-how und ihrer Verzahnung mit anderen Branchen wird die Chemie eine noch größere Rolle in einer Kreislaufwirtschaft übernehmen, zum Beispiel durch die Wiederverwendung kohlenstoffhaltiger Abfälle.

Chemie 4.0. steht dafür, durch Innovationen auf allen Ebenen nachhaltiges Wachstum für die Branche zu erzeugen. Dank ihrer Fähigkeit, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln gehört Deutschland für die chemisch-pharmazeutische Industrie seit anderthalb Jahrhunderten zu den führenden Standorten in der Welt. Mit Chemie 4.0 stellt die Branche die Weichen, um ihre globale Top-Position weiterhin zu behaupten und als Treiber von Innovation ihren Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland zu leisten.

Kontakt

VCI - Verband der Chemischen Industrie e.V

Mainzer Landstr. 55
60329 Frankfurt
Deutschland

+49 69 2556 0
+49 69 2556 1471

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