Strategie & Management

Merck feiert 350 Jahre Neugier

Eine Apotheke in Darmstadt war die Wiege des Wissensschafts- und Technologiekonzerns Merck

01.05.2018 -

Die Wurzeln von Merck liegen in der im Jahr 1668 von Friedrich Jacob Merck übernommenen Apotheke in Darmstadt. Der Wandel vom Apothekerhandwerk zu einem mit wissenschaftlichen Methoden forschenden Unternehmen begann 1827 mit der Herausgabe des „Pharmaceutisch-chemischen Novitäten-Cabinets“ durch Emanuel Merck. Novitäten – oder wie man heute sagen würde: Innovationen – haben seit jeher die Entwicklung des Unternehmens geprägt und vorangetrieben. In diesem Jahr feiert Merck sein 350-jähriges Jubiläum, bezeichnenderweise unter dem Motto „Imagine. Immer neugierig – auch in den nächsten 350 Jahren“. Michael Reubold befragte Stefan Oschmann, Vorsitzender der Merck-Geschäftsleitung und CEO, zur Bedeutung der Neugier in der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft des chemisch-pharmazeutischen Unternehmens, das inzwischen ein globaler Wissenschafts- und Technologiekonzern ist.

CHEManager: Herr Oschmann, das Motto für das Jubiläumsjahr lautet verkürzt „Immer neugierig“. Was verbinden Sie mit dem Begriff Neugier und welche Rolle spielte und spielt er für Merck?

S. Oschmann: Neugier spielt für uns schon immer eine wesentliche Rolle. Ein gutes Beispiel ist unser Flüssigkristallgeschäft. Ende der 1960er-Jahre waren Flüssigkristalle ein absolutes Exotenthema, auch bei Merck zweifelten viele am Potenzial dieser Technologie. Aber einige unserer Wissenschaftler ließen sich davon nicht beirren. Ihre Neugier war größer als alle Bedenken. Dieser Neugier verdanken wir es ganz wesentlich, dass wir heute der weltweit führende Anbieter von Flüssigkristallmaterialien sind.

Heute entwickeln wir neue Krebstherapien, Technologien für die Biotechindustrie oder Hightech-Materialien für die Herstellung von Halbleitern. In allen Feldern, in denen wir tätig sind, gilt: Fortschritt lebt von neugierigen Köpfen. Und weil das so ist, haben wir das Phänomen Neugier sogar wissenschaftlich untersucht. Die Ergebnisse sind eindeutig: Neugierige Menschen sind wissbegierig, sie haben einen Hang dazu, Fragen zu stellen. Sie sind kreativ in Sachen Problemlösung, das heißt sie sind bereit, neue Herangehensweisen auszuprobieren. Und schließlich sind sie stresstolerant, sie begegnen Neuem mit Mut statt mit Angst.

Ist diese wissenschaftliche Neugier, die Ansporn und Antrieb für die Forschung ist, also auch das verbindende Element Ihrer unterschiedlichen Geschäftsaktivitäten?

S. Oschmann: Neugier ist ein verbindendes Element zwischen unseren drei Unternehmensbereichen Healthcare, Life Science und Performance Materials, aber beileibe nicht das Einzige. Mindestens ebenso wichtig sind unsere starke Verankerung in den Naturwissenschaften, unser hoher Grad an Spezialisierung und unser stark ausgeprägtes Qualitätsbewusstsein. Unsere Unternehmensbereiche verfolgen natürlich eigene Geschäftsziele. Aber am Ende geht es immer darum, das Leben von Menschen zu verbessern.

Merck hat sich – nicht zuletzt durch milliardenschwere Zukäufe – zu einem Global Player für innovative Medikamente, Materialien, Chemikalien und Forschungsprodukte entwickelt. Welche Treiber und welche Strategie liegen dieser Entwicklung zugrunde?

S. Oschmann: Die langfristige unternehmerische Strategie von Merck wird wesentlich durch die Familie Merck mitgeprägt. Sie hält mehr als 70 % der Anteile an unserem Unternehmen. Unsere Mehrheitseigentümer denken sehr langfristig. Sie sehen sich in erster Linie als Treuhänder und möchten die Firma der nächsten Generation im bestmöglichen Zustand übergeben. Für die Entwicklung von Merck gibt es klare Rahmenbedingungen. Wir sind ein lebendiges Wissenschafts- und Technologieunternehmen mit unterschiedlichen Unternehmensbereichen. Wir fokussieren uns auf innovative Spezialprodukte und streben in unseren Märkten eine führende Position an. Risikodiversifikation spielt für uns eine wichtige Rolle, deshalb sind wir in unterschiedlichen Branchen aktiv und achten auf eine ausgewogene regionale Gewichtung unserer Geschäfte. Die umfangreichen Zu- und Verkäufe der letzten Jahre mit einem Gesamtvolumen von rund 40 Mrd. EUR haben diesen Zielen Rechnung getragen.

Merck hält an seiner Diversifizierung fest, während sich die großen Chemie- und Pharmakonglomerate auf Drängen der Finanzmärkte weiter aufspalten und spezialisieren. Sehen Sie also in diesem Geschäftsmodell auch in Zukunft ein wertgenerierendes Konzept?

S. Oschmann: Ja! Schauen Sie sich die großen Tech-Unternehmen wie Apple oder Alphabet an, auch die sind breit aufgestellt. Ich bin überzeugt, dass unser Portfolio eine wesentliche Stärke von Merck ist. Wir erleben gerade einen Strukturwandel in vielen Branchen, auch getrieben durch digitale Technologien. Nehmen Sie das Beispiel Gesundheit: Wir stehen heute am Anfang der personalisierten Medizin. Aber um Therapien auf individuelle Bedürfnisse zuschneiden zu können, brauchen wir viel detailliertere Daten als bisher. Wir müssen wissen, wie sich bestimmte Biomarker des Patienten entwickeln. Sensortechnologien an der Schnittstelle zwischen digitalem und biologischen Umfeld werden eine viel größere Rolle spielen. Kaum ein Unternehmen ist dafür besser aufgestellt als Merck. Wir verstehen Medizin, Biologie und Materialwissenschaften.

Und sind heute deutlich globaler aufgestellt als noch vor einigen Jahren. Inwieweit ist es vor diesem Hintergrund ein Wermutstropfen, dass Merck in Nordamerika auch weiterhin nicht unter dem eigenen Namen agieren kann?

S. Oschmann: Die Namenssituation in Nordamerika ist ohne Frage erklärungsbedürftig. Aber davon mal abgesehen, hat sie keine konkreten Auswirkungen auf unser Geschäft. Auch unter den Marken EMD Serono, MilliporeSigma und EMD Performance Materials stoßen unsere Produkte bei Kunden und Patienten in Kanada und den USA auf sehr gute Resonanz. Nordamerika ist für uns eine sehr wichtige Region, in allen drei Geschäften. Wir beschäftigen dort über 10.000 Mitarbeiter und erwirtschaften ein Viertel unseres Konzernumsatzes.

Merck hat – beschleunigt durch die jüngsten Akquisitionen – einen Kulturwandel hinter sich. Wie schwierig war es, diesen in einem Unternehmen mit solch einer Tradition, das sich noch heute mehrheitlich im Besitz der Nachkommen des einstigen Gründers befindet, zu vollziehen? Was macht die heutige Unternehmenskultur von Merck aus?

S. Oschmann: Merck hat sich in den letzten Jahren deutlich verändert. Wir sind gewachsen und dabei nochmal deutlich internationaler geworden, nicht zuletzt auch in unserer Belegschaft. Derzeit erleben wir einen immer stärkeren Einfluss digitaler Technologien auf unser Geschäft. Diese Tradition, die Sie ansprechen, war und ist bei diesem Wandel ein unschätzbarer Vorteil. Gerade die Familie Merck spielte eine wichtige Rolle. Denn dank unserer Eigentümer haben wir die Chance, eine langfristig angelegte unternehmerische Strategie umsetzen zu können. Gleichzeitig unterstützt die Familie Merck den Kulturwandel. Denn 350 Jahre alt werden Sie als Unternehmen nur, wenn Sie bereit sind, sich stetig neu zu erfinden. Das macht die Kultur bei Merck aus: Einerseits eine hohe Sicherheit und klar definierte Werte, andererseits eine ausgeprägte Veränderungsbereitschaft. Das ist eine sehr gute Kombination.

2015 überraschte Merck mit einem neuen visuellen Markenauftritt. Für manche war das neue farbenfrohe Design ein Kulturschock. Und es polarisiert bis heute. Was war Ihre erste Reaktion und wie denken Sie heute darüber?

S. Oschmann: Ich muss zugeben, als ich den neuen Auftritt zum ersten Mal sah, war ich skeptisch. Dann habe ich aber gemerkt wie positiv unsere Kunden und unsere Mitarbeiter auf die neue Marke regiert haben. Das hat mich überzeugt, dass dieser Schritt richtig war. Das neue Branding passt zu unserem Geschäftsmodell, es drückt aus, wofür Merck steht, nämlich für lebendige Wissenschaft und Technologie. Außerdem ist es aufmerksamkeitsstark und unterscheidet uns deutlich von unseren Wettbewerbern. Heute kommen viele Unternehmen und lassen sich von uns Konzept und Umsetzung erklären. Wir sind also ein Vorzeigebeispiel.

Der neue Markenauftritt setzt für einen Konzern mit einer 350-jährigen Tradition ein trotziges Ausrufezeichen. War das gewollt, quasi als Bruch mit der Tradition?

S. Oschmann: Ich würde eher von einem klaren, prägnanten Ausrufezeichen sprechen. Dieses Ausrufezeichen war gewollt, aber nicht als Bruch mit der Tradition. Im Gegenteil. Veränderungsbereitschaft ist ein ganz wesentliches Element unserer Tradition. Und auf diese Tradition sind wir in der Tat sehr stolz.

Mit zahlreichen Jubiläumsevents will Merck die Neugier auf Zukunftstechnologien wecken. Welche Beiträge wird Merck hier leisten? Wie farbenfroh – um beim neuen Markenauftritt zu bleiben – wird die Zukunft des Unternehmens sein?

S. Oschmann: Wie bereits erwähnt haben wir unser Jubiläum unter das Motto „Immer neugierig – auch in den nächsten 350 Jahren“ gestellt. Fast alles dreht sich um Wissenschaft und Technologie. Im Mai richten wir den Bundeswettbewerb Jugend forscht in Darmstadt aus. Und im Juli planen wir die „Curious 2018 Future Insight Conference“ in Darmstadt, zu der wir fünf Nobelpreisträger und weitere hoch-renommierte Forscher wie Emmanuelle Charpentier und Craig Venter erwarten.

Aber auch in unserem Kerngeschäft haben wir uns viel vorgenommen. Unsere Technologie-Pipeline ist gut gefüllt. Ich denke da zum Beispiel an unseren Wirkstoff Evobrutinib, den wir unter anderem zur Behandlung der schubförmigen Multiplen Sklerose untersuchen, an unser Angebot zur Genom-Editierung oder an unsere OLED-Materialen. Außerdem arbeiten wir an faszinierenden Technologien wie zum Beispiel „Biosensing and Interfaces“. Hier geht es um ganz neue Möglichkeiten in der Behandlung von Patienten, die sich aus der Kombination von neuen Sensortechnologien mit intelligenten Algorithmen und Big-Data-Ansätzen ergeben. Sie sehen, wir bei Merck bleiben stets neugierig auf die Zukunft.

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