Strategie & Management

Vom Chemiestudium ins Unternehmertum

Gründungen in der Chemie als Standortfaktor

05.08.2014 -

Es ist zehn Jahre her. Es war das nationale Jahr der Chemie. Da blickten die Chemieorganisationen neidisch auf die Biotechnologie: Es gab eine Landkarte mit einer hohen Anzahl junger Unternehmen in der Biotechnologie. Es lohnte sich, Statistiken einzuführen. Diese haben noch heute Bestand und werden gepflegt. Ein Atlas der Chemieunternehmen fehlt jedoch bis heute. Sind Biologen und Biotechnologen etwa kreativer?

So ein Chemiker hat es nicht leicht: Jeder schlägt sich in einem der komplexesten Studiengänge durch. Diejenigen, die fasziniert vom Fach durchhalten, starten jedoch in hoher Wahrscheinlichkeit am Ende durch und gehen in die chemische Industrie. Heute sind es zwar nach der Statistik der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) „nur" noch 33%. Doch es waren in den 1970er und auch noch 1980er Jahren schon einmal deutlich mehr. Da hört dann der Karriereweg auf, steinig zu werden. Das Berufsbild des Physikers oder eben des Biologen war noch nie so klar vorgezeichnet wie das des Chemikers. Umso eher drängte es diese Berufsgruppen vielleicht auch in andere Karrierepfade, Selbständigkeit inbegriffen.

Chemie-Unternehmertum ist gefragt

Reicht das schon, um die wenigen Hightech-Gründungen auf chemischer Basis zu erklären? Sicher nicht. Jedoch können auch Zweifel ausgeräumt werden: Weniger kreativ als Abgänger anderer naturwissenschaftlicher Fächer sind Chemiker bestimmt nicht - wie auch die vom VCI initiierte Studie „Innovationsmotor Chemie" anhand von Zahlen und den branchenübergreifenden Impulsen zeigt. Das Wissenschaftsforum Chemie der GDCh beweist alle zwei Jahre aufs Neue, dass die Fragen unserer Zeit maßgeblich von chemischen Innovationen abhängen. Man braucht dabei nur an preiswerte Energie, sauberes Wasser und gesünderes Altern zu denken.

Es spricht jedenfalls für den Standort, wenn sich jetzt verstärkt Gründerinitiativen mit Chemiebezug zeigen. Sie schaffen Sichtbarkeit und mehr Transparenz im bereits Erreichten und machen allen Mut, das erworbene Chemiewissen und die erlernten Fähigkeiten auch einmal mit Blick auf eine Unternehmensgründung zu durchleuchten. Der High-Tech Gründerfonds (HTGF) ist Deutschlands führender Investor für den Beginn von Technologievorhaben. Das gilt auch für die Chemie. Man spricht auch von der Seedphase, um die Saat für weiteres Wachstum zu legen. Doch nur 3,3%, der bisher vom HTGF finanzierten Unternehmen sind der Chemie zuzuordnen, etwa Crystal-N (Materialien für Leuchtdioden), Heliatek (organische Solarzellen) oder Heppe Medical Chitosan (Biopolymere auf Chitinbasis).

Finanzierung und Netzwerke

Diese Finanzierungsquote ist noch ernüchternd. Dabei finden sich unter den privatwirtschaftlichen Investoren des HTGF bereits die Chemieriesen BASF, Evonik, Lanxess und Altana. Sichtbarkeit für die Chemie und die Aussicht auf Kooperationen mit der chemischen Industrie sowie Anschlussfinanzierung ist also gegeben. Mit einem Seed-Investment von 500.000 € des HTGF plus sog. „Side Investment" eines Business Angels gehört auch das Argument ad acta gelegt, dass es für chemische Gründungen kein Kapital gibt oder sie mit solch geringen Mitteln nicht möglich sind. Wer das immer noch anzweifelt, der schaue sich einmal den produzierenden Gerätepark der auf chemische Grundstoffe spezialisierten Hapila in Gera an.

Auch die Themen Regularien, Zulassung und Qualität sollten einen potenziellen Gründer nicht abschrecken. Natürlich sind das bedeutende Aspekte einer Gründung in der Chemie. Doch dafür gibt es Netzwerke. Das Wissen, wie man an die schwierigen Fragen einer Unternehmensgründung herangeht, ist vorhanden. Dies bedeutet nicht gleichsam seine Lösung. Letztlich ist alles eine Frage der Darstellung, um mit denen, die es wissen oder helfen können, in Kontakt zu treten.

Anleitung für einen Businessplan

Schließlich ist die technische Idee zwar wichtig; aber sie ist nicht alles, wenn es darum geht Investoren zu überzeugen. Aber mit einem fachmännischen Businessplan kommt man sowohl mit Venture-Capital-Gebern und Business Angels als auch mit Netzwerkpartnern in Kontakt. Der Gründer braucht nicht für alles eine Lösung, doch der Marktexperte möchte sehen und lesen, dass sich der Gründer strukturiert Gedanken gemacht hat und er die nächsten Schritte konzeptionell erarbeitet hat.

Die gute Nachricht ist: Das kann man alles lernen. Seit 1998 wird, ab September 2014 bereits zum 17. Mal, der Science4Life Venture Cup ausgetragen. Die Initiative des Landes Hessen und Sanofi - seinerzeit Hoechst - bietet Gründungswilligen in den Branchen Biotech, Pharmakologie, Chemie, Materialien, Agro, Lebensmittel und Medizintechnik, sowie seit neuestem im Bereich Energie, Hilfe an, d.h. durch Trainings, Webinare und individuelle Coachings zu lernen, ein Geschäft aufzubauen.

Nachholbedarf in der Ausbildung

Der Gedanke, eine Unternehmensgründung in Betracht zu ziehen, wird in den Ausbildungsstätten bisher nur untergeordnet vermittelt. Da kommt es auf zusätzliche Initiativen und Netzwerke an. Aber es gibt sie. Noch steht allerdings die Hochschulkarriere höher im Kurs. Wer den Sprung in die Luxusklasse chemischer Großunternehmen nicht schafft, zieht doch wenigstens die Karriere im Mittelstand oder sonstiger Wirtschaftsinstitutionen in Betracht. Doch wer den Trend erkennt, dass die Arbeitsplätze heute angesichts von Unternehmensübernahmen und der Verlagerung von Produktion, Forschung und Entwicklung ins Ausland hierzulande nicht mehr in ausreichender Fülle vorhanden sind, könnte sich für den dritten Karrierepfad nach Hochschule und Wirtschaft interessieren, die Unternehmensgründung.

Die deutsche chemische Industrie braucht nicht nur die kreativen Köpfe im Unternehmen. Die chemische Industrie braucht auch Unternehmensgründer, die eigenverantwortlich Neues bewegen. Meilensteine können in kleinen beweglichen Organisationen manchmal schneller erreicht und Entscheidungen auf den Punkt gebracht werden als in großen Konzernen. Das Bild vom großen unbeweglichen Dampfer und den kleinen Schnellbooten hat noch immer Gültigkeit.

Open-Innovation-Ansätze und neue Formen der kreativen Zusammenarbeit sind starke Anzeichen für eine weitere Öffnung der Industrie. Die Pharmaindustrie macht es vor: Unter dem Druck der leeren Wirkstoffpipeline und auslaufender Patente werden neue Kooperationsformen mit Hochschulen entwickelt (Sanofi) und Inkubatoren ermöglicht (Bayer). Die Nähe zu kreativen und unternehmerischen Köpfen wird gesucht. Zeit ist Geld und das Kriterium Time-to-Market bekommt über die Zusammenarbeit mit kleinen wendigen Unternehmen eine neue Qualität.

Referenzen und Quellenangaben sind beim Autor erhältlich.

Kontakt:
Dr. Holger Bengs
Gründer und Geschäftsführer
BCNP Consultants GmbH
Tel.: +49 69/61 99 42 73
bengs@bcnp.com

Als Chemie-Student ins Unternehmertum

25.September 2014, Frankfurt a.M.

Kurs: 409/14

Leitung: Dr.Holger Bengs

Weitere Informationen und Anmeldung über:

Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh),

Fortbildung

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