Anlagenbau & Prozesstechnik

Verdampfung: Eine zentrale Grundoperation stellt sich vor

08.06.2011 -

CITplus - Verdampfung ist eine der zentralen Grundoperationen in nahezu allen Prozessen der Petrochemie, Chemie, Spezialchemie, der pharmazeutischen Produktion, der Lebensmittelverarbeitung wie auch der Energiewandlung. Sie kann dabei als eigenständiges Trennverfahren, wie z.B. bei der Eindampfung von Zuckerlösungen oder der Konzentrierung von Abwässern, zur Brüdenerzeugung in einer Rektifikationskolonne oder auch zur Bereitstellung von Prozessdampf, z.B. zur Beheizung von Apparaten über zentrale Dampfnetze oder zu Sterilisationszwecken in der Pharmaindustrie, eingesetzt werden.

Die verdampften Medien reichen von Flüssiggasen bei der kryogenen Luftzerlegung über Wasser, Kältemitteln, Kohlenwasserstoffen bis hin zu hochviskosen und/oder thermisch sensiblen Stoffen wie Monomeren oder Vitaminen.

Der Verbesserung von Verdampfungsverfahren und damit die Erhöhung der Wirtschaftlichkeit der mit ihnen hergestellten Produkte können unterschiedliche Zielsetzungen zugrunde liegen: die Reduzierung des Flächenbedarfs und damit der Investition für eine gegebene Verfahrensaufgabe durch Erhöhung des Wärmeüberganges bei der Verdampfung, die Erhöhung des auf einer gegebenen Fläche übertragenen Wärmestroms im Rahmen einer Kapazitätserhöhung, die Reduzierung der treibenden Temperaturdifferenz zum Einsatz kostengünstiger Heizmedien oder zur thermischen Schonung eines temperatursensitiven Produktes oder auch eine besonders kompakte Bauweise zur Volumen- und Massenreduktion in mobilen Anwendungen. Da Verdampfer in verfahrenstechnischen Prozessen oft den Ort des größten Energieeinsatzes darstellen, besitzen Wärmeintegrationsmaßnahmen hier ein besonders hohes Energieeffizienzpotential.

Naturumlaufverdampfer und Fallfilmverdampfer

Am Institut für Chemische und Thermische Verfahrenstechnik der TU Braunschweig werden daher seit vielen Jahren umfangreiche Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Verdampfung durchgeführt. Dabei werden sowohl effektive, produktschonende und energieeffiziente Verdampfungsverfahren wie auch deren optimale apparative Gestaltung und Betrieb betrachtet. Besonders im Fokus stehen dabei Naturumlaufverdampfer und Fallfilmverdampfer. Naturumlaufverdampfer zeichnen sich durch einen guten Wärmeübergang, eine apparativ einfache Bauweise sowie einen pumpenlosen Betrieb aus.

Dies führt zu niedrigen Investitionen und Betriebskosten sowie einer besonderen Eignung für die Verdampfung scherempfindlicher Produkte. Ihre Nachteile resultieren aus der Kopplung von Fluiddynamik und Wärmeübertragung, was zu einer eingeschränkten Einsetzbarkeit bei kleinen treibenden Temperaturdifferenzen, niedrigen Absolutdrücken sowie geringen Anteilen an verdampfbaren Leichtsiedern des Produktgemisches führt. Der Einsatz von Turbulenzpromotoren oder strukturierten Rohren kann hier zu einer deutlichen Erweiterung des Einsatzbereiches dieser besonders wirtschaftlichen Verdampferbauform führen.

Abbildung 1 zeigt den flächengemittelten Wärmeübergangskoeffizienten bei der Verdampfung eines Glyzerin/Wasser-Gemisches für eine treibende Temperaturdifferenz von 15 K als Funktion des scheinbaren Flüssigkeitsstandes. Dies ist der Flüssigkeitsstand im Brüdenabscheider bzw. im Sumpf einer Rektifikationskolonne bis zum Verdampferrohreintritt bezogen auf die beheizte Rohrlänge des Apparates. Der Verdampfungsdruck betrug 196 mbar. Verglichen wurde das fluiddynamische und wärmetechnische Verhalten eines technischen zylindrischen Rohres der Geometrie 20 x 2 x 1.500 mm mit einem ebensolchen, bestückt mit einem hiTRAN Drahtstrickeinbau [1].

Man erkennt, dass über den gesamten Betriebsbereich eine Erhöhung des produktseitigen Wärmeübergangskoeffizienten für das hiTRAN-Insert um einen Faktor von mehr als 2,6 erreicht wird. Dies geht einher mit einer Stabilisierung des Umlaufstromes insbesondere bei kleinen treibenden Temperaturdifferenzen. Entsprechend den oben skizzierten Optionen kann eine Reduzierung der Wärmeübertragungsfläche und damit des Bauvolumens oder eine Erhöhung des Wärmestroms bei gleicher Fläche oder eine Verminderung der thermischen Belastung des Produktes umgesetzt werden.

Fallfilmverdampfer für thermisch sensible Substanzen

Fallfilmverdampfer hingegen zeichnen sich durch einen sehr geringen Flüssigkeitsinhalt und die Betriebsmöglichkeit bei tiefen Absolutdrücken und kleinen treibenden Temperaturdifferenzen aus. Dies prädestiniert sie für den Einsatz bei thermisch sensiblen Substanzen wie Wirk- und Aromastoffen, Zuckerlösungen oder als Wärmeintegrationsapparat.

Ein Kreislaufstrom stellt dabei üblicherweise eine ausreichende Benetzung der Wärmeübertragungsfläche und damit einen guten Wärmeübergang sicher. Einsatzbeschränkungen ergeben sich für feststoffbeladene Ströme sowie viskose Medien, bei denen das schwerkraftgetriebene Ablaufen des Flüssigkeitsfilms nicht hinreichend gewährleistet ist. Ein aktuelles Einsatzgebiet von Fallfilmverdampfern ist die destillative Entwässerung ionischer Flüssigkeiten. Diese werden z.B. zum Lösen cellulosehaltiger Substrate eingesetzt und sind im Rahmen eines Recyclingschrittes zu Entwässern.

Die Abbildung 2 zeigt die erreichten Restwassergehalte bei der Entwässerung der ionischen Flüssigkeit TEGO IL2Ms, i.e. Dimethyl-dihydroxy-ethylammonium Methylsulfonat, in einem metallenen Einrohrfallfilmverdampfer abhängig von Druck und Temperatur. Man erkennt, dass für Temperaturen oberhalb 130°C und Drücke von ≤ 100 mbar abs Restwassergehalte unter 1 Gew.-% erreicht werden können.

Die Entwässerung erfolgte dabei batchweise, in Einzelfällen mit Gesamtverweilzeiten bis 30 h. In keinem Fall war eine Schädigung der ionischen Flüssigkeit oder eine Beeinträchtigung ihrer verfahrenstechnischen Funktion, wie z.B. Reaktivität, Lösefähigkeit oder Phasenverhalten, zu verzeichnen. Dies belegt die besondere thermische Produktschonung bei der Fallfilmverdampfung.

Verfahrenstechnischer Prozessentwurf

Das Design energetisch effizienter und thermisch schonender Verdampfungsverfahren wie der entsprechenden Verdampfungsapparate stellt eine immer wiederkehrende Aufgabe im Rahmen eines verfahrenstechnischen Prozessentwurfs dar [2]. Dabei zeigt sich, dass hier oft zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden können: eine Wärmeübertragung bei kleinen treibenden Temperaturdifferenzen mindert Exergieverluste und erhöht die Energieeffizienz des Verdampfungsprozesses. Gleichzeitig reduzieren geringe Übertemperaturen der produktseitigen Wärmeübertragungsoberfläche die thermische Belastung und damit eine potentielle Schädigung des Produktes.

Am ICTV wird daher die Intensivierung des produktseitigen Wärmeübergangs in konventionellen Verdampfertypen wie in neuen Bauformen, wie z.B. Naturumlaufverdampfern in Thermoblechweise, untersucht. Neben der Verbesserung bestehender Verfahren kann dies auch zur Erhöhung des Wärmeintegrationspotentials in Verdampfungsstufen beitragen. Da Verdampfungen von Reinstoffen oder engsiedenden Gemischen bei nahezu konstanter Temperatur erfolgen, kann eine entsprechende Absenkung der erforderlichen Wandübertemperatur um wenige Kelvin über die Erschließbarkeit von Wärmeintegrationspotentialen entscheiden.

Literatur
[1] Cal Gavin Process Intensification Engineering, Alcester/GB, www.calgavin.com
[2] S. Scholl: Verfahrenstechnisches Design von Verdampfern. Chem. Ing. Tech. 82 (2010) 12, pp: 2179-2187

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