Logistik & Supply Chain

CO2-Emissionen quantifizieren

CO2-Management in der Transportkette erfordert Kennzahlen aller Akteure

07.06.2013 -

Der Einsatz umwelt- und gesundheitsgefährdender Stoffe sowie der hohe Ressourcen- und Energiebedarf haben dazu geführt, dass sich Nachhaltigkeit zu einem bedeutenden Thema für die Chemie- und Pharmaindustrie entwickelt.

Ein zentraler Aspekt der Nachhaltigkeit ist im CO2-Management zu sehen, das die Organisation, Planung, Steuerung und Kontrolle von Treibhausgasemissionen umfasst.

Ziel ist es, bestehende Defizite im operativen Betrieb aufzudecken und die CO2-Effizienz zu erhöhen. Ausgangsbasis eines CO2-Managements bildet das CO2-Accounting, das die Erfassung, die Berechnung und das Reporting von Emissionskennzahlen beinhaltet. Gestützt auf diesen Kennzahlen lassen sich Emissionstreiber identifizieren und geeignete Maßnahmen priorisieren.

Energieeffiziente Produktionsverfahren und die Einhaltung der strengen Vorgaben bei Anlagen- und Arbeitssicherheit sind heute Standard in der Chemie- und Pharmabranche. Um den Wünschen der Kunden nach mehr Engagement beim Umweltschutz nachzukommen, entwickeln sich die Berichterstattung von CO2-Fußabdrücken in Transportketten und das Konzept CO2-neutraler Produkte zunehmend zum Differenzierungsmerkmal. Dafür sind nicht nur die im eigenen Unternehmen erzeugten, sondern alle entlang der Transportkette verursachten Emissionen zu erfassen und kontinuierlich zu überwachen.

Als Barriere erweist sich oftmals, dass bisher nur wenige Partner wie Vorlieferanten, Produktions- und Logistikdienstleister über ein CO2-Accounting verfügen und aussagekräftige Emissionskennzahlen bereitstellen können. Insbesondere in der Chemie- und Pharmaindustrie, bei der die Transportketten global ausgerichtet und eine Vielzahl von Akteuren involviert sind, stellt dies eine zentrale Herausforderung dar.

Aufgrund des beachtlichen Anteils der von Logistikdienstleistern in den Transportketten verursachten Emissionen, sehen sich diese mit steigenden Anforderungen hinsichtlich belastbarer CO2-Kennzahlen konfrontiert.

Folgende Aufgabenfelder sind beim CO2-Accounting relevant:

  • Anwendung von Standards zum CO2-Accouting
  • Erfassung des Energieverbrauchs und Berechnung von CO2-Emissionen
  • Allokation von Emissionen (Zuordnung von Emissionen auf Verlader, Sendungen oder Produkte)

Vergleichbarkeit der Messergebnisse

Standards zum CO2-Accouting definieren Richtlinien zur Sicherstellung einer einheitlichen Vorgehensweise bei der Berechnung von CO2-Kennzahlen, um über Unternehmen hinweg eine Vergleichbarkeit der Messergebnisse zu erzielen.
Auf europäischer Ebene gilt für Logistikdienstleister die kürzlich veröffentlichte DIN EN 16258.
Dieser Standard enthält speziell auf den Transportsektor zugeschnittene Richtlinien. Bestehender Handlungsspielraum des Standards, insbesondere im Hinblick auf das Spektrum zulässiger Energieverbräuche und Allokationsparameter, führt jedoch weiterhin zu einer eingeschränkten Vergleichbarkeit von CO2-Kennzahlen unterschiedlicher Logistikdienstleister.

Die Erfassung von Energieverbräuchen und Berechnung von CO2-Emissionen stellen die Kernaufgaben des CO2-Accountings dar. Anzustreben ist, möglichst Echtdaten beim Energieverbrauch zu verwenden, um eine hohe Realitätsnähe der CO2-Kennzahlen zu erzielen. Bei Umschlags- und Lagerleistungen kann überwiegend auf Stromverbräuche zurückgegriffen werden.

Im Gütertransport sind die Kraftstoffverbräuche der Fahrzeuge zu erfassen und Daten folgender Kategorien zu erheben:

  • Routen, z. B. exakte oder durchschnittliche Kilometer
  • Fahrzeuge, z.B. exakte oder durchschnittliche Verbrauchswerte
  • Sendungen, z.B. Gewicht, Volumen

Die Bandbreite der Daten bewegt sich dabei in einem Spektrum von Echt- bis hin zu kalkulatorischen Daten, was maßgeblichen Einfluss auf die Aussagekraft der Kennzahlen ausübt. Die erfassten Energieverbräuche sind für die Berechnung von Emissionen mit spezifischen CO2-Emissionsfaktoren zu gewichten.

Zuordnung der berechneten CO2-Emissionen

Bei der Allokation werden die berechneten CO2-Emissionen einzelnen Verladern, Sendungen bzw. Produkten zugeordnet. Dabei ist auf Basis vorliegender Datensätze eine möglichst verursachungsgerechte Allokation vorzunehmen. Herausfordernd ist dies u.a. in der Distributionslogistik, da diese Touren durch eine Vielzahl von Zwischenstopps (z.B. Lager bzw. Filialen) mit häufigen Be- und Entladevorgängen gekennzeichnet sind. Die Anforderungen bei der Allokation sind somit vergleichbar mit der Zurechnung von Transportkosten auf Touren und Sendungen. Zudem sind konkrete Vorgaben der DIN EN 16258 einzuhalten.

Demnach hat sich der Allokationsparameter aus der Summe einer Fracht- (z.B. Gewicht) und einer Entfernungsgröße zusammenzusetzen. Liegen diese Daten nicht vor, sind andere Parameter (z.B. Marktwert der Güter) einzusetzen, was die Genauigkeit der CO2-Kennzahlen beschränkt.

Es wird deutlich, dass die Aufgabenfelder eines CO2-Accountings sehr stark ineinandergreifen und bereits auf Unternehmensebene eine hohe Komplexität aufweisen. In komplexen, sich ständig ändernden Transportketten erfährt diese Herausforderung eine Verstärkung, da Emissionskennzahlen aller beteiligten Akteure nach gleichen Richtlinien erforderlich sind. Werden mittels CO2-Accounting aussagekräftige Emissionskennzahlen in der Transportkette ermittelt, sind diese CO2-Kennzahlen aktiv in Entscheidungsprozesse zu integrieren:

  • Strategische Ebene, z.B. Gestaltung von Transportnetzwerken, umweltorientierte Verkehrsträgerauswahl, Modernisierung des Fuhrparks
  • Operative Ebene, z.B. Routen- und Tourenplanung, Optimierung der Laderaumauslastung

Dafür sind Verfahren bzw. Methoden anzuwenden, die bei der Bewertung und Priorisierung einzelner Maßnahmen neben ökonomischen (z.B. Kosten) auch ökologische (z.B. CO2 / tkm) Kennzahlen berücksichtigen. Auf diese Weise kann durch zielgerichtete Maßnahmen die CO2-Effizienz in der Transportkette sukzessive erhöht werden.

Im öffentlich geförderten Forschungsprojekt „GreenTool" hat der Lehrstuhl für Logistikmanagement der Universität St. Gallen in einem Konsortium, bestehend aus Logistikdienstleistern und einschlägigen Experten, die Aufgabenfelder eines CO2-Managements erarbeitet.

Dabei ist eine Pilotversion eines CO2-Berechnungs-Tools entwickelt worden, mit dessen Hilfe mittelständische Logistikdienstleister den Anforderungen der verladenden Wirtschaft nach belastbaren CO2-Kennzahlen entsprechen können. Zukünftig wird die Integration des CO2-Managements in die Managementsysteme bei Logistikdienstleistern im Forschungsfokus stehen.

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