Anlagenbau & Prozesstechnik

Der Batterieanlagenbau braucht den europäischen Schulterschluss

Die Qualität des deutschen Anlagenbaus für die Batterieproduktion liegt im Detail

05.09.2023 - Die Batterieproduktion hat in Europa Fahrt aufgenommen, doch zum Durchbruch braucht es intelligente und nachhaltige Fertigungsprozesse. Dafür ist es notwendig, die komplexen Produktionslinien zu verstehen, Kosten zu reduzieren und Prozessstabilität zu sichern. Stephan Eirich, Mitglied des Vorstands der VDMA-Fachabteilung Batterieproduktion und Geschäftsführender Gesellschafter Maschinenfabrik Gustav Eirich Hardheim, gibt im Interview einen Einblick in die Prozessschritte, beschreibt die aktuellen Herausforderungen für den deutschen Anlagenbau und für die Entwicklung und gibt einen Ausblick auf die erfolgsversprechenden Batterietechnologien der nächsten Jahre.

Herr Eirich, was sind die wesentlichen Prozessschritte der Batterieproduktion und welche chemie- und verfahrenstechnischen Aufgaben sind zu bearbeiten?

Stephan Eirich: Die Batterieproduktion lässt sich in die drei großen Bereiche Zellfertigung, Modul- und Packfertigung unterteilen. Die Herstellung der Batteriezelle wiederum umfasst die Hauptprozessschritte Elektrodenfertigung, Zell­assemblierung und Zellfinalisierung. Die Weiterverarbeitung der Batteriezelle geht in der Regel über Batteriemodule zu einem Batteriepack. Die einzelnen Batteriezellen werden in einem Modul seriell oder parallel verschaltet. Mehrere Module sowie weitere elektrische, mechanische und thermische Komponenten werden zu einem Pack assembliert.

Verfahrenstechnik findet in den ersten Schritten der Batteriezellproduktion in der Elektrodenfertigung Anwendung. Das Elektrodenmaterial für Kathode und für Anode muss dosiert und in der passenden Rezeptur mit einem Lösemittel gemischt werden. Daran anschließend wird die Elektrodenschicht aufgetragen und das Lösemittel über eine Trocknungsstrecke wieder herausgerbacht. Danach wird die Schicht zwischen zwei Walzen homogen verdichtet, ohne komplett zusammen gepresst zu werden. Diesen Prozessschritt nennt man Kalandrieren. Hierbei werden Materialeigenschaften her- bzw. eingestellt. Die verfahrenstechnischen Prozessschritte haben erheblichen Einfluss auf Qualität und Performance der Zelle.

Das Trockenbeschichten ist eine Zusammenfassung einer Vielzahl einzelner, jeweils trockener Beschichtungsarten. Der Verzicht auf Lösemittel bildet einen signifikanten Unterschied zum herkömmlichen Mischprozess. Direktes Kalandrieren und die freistehende Elektrodenfertigung sind die derzeit vielversprechendsten Technologien und weisen das höchste Potenzial einer zeitnahen Umsetzung in der Industrie auf.

Der Wettlauf um die besten Produktionstechnologien ist in vollem Gange. Wo steht der deutsche Anlagenbau und was ist der Schlüssel zum Erfolg im internationalen Wettbewerb?

S. Eirich: Die europäischen Maschinen- und Anlagenbauer können die relevanten Bedarfe für Anlagen zur Batterieproduktion in Europa auch schon kurz- bis mittelfristig decken und bilden mit ihren Technologien jeden, der für die Batterieproduktion benötigten, Prozessschritte ab. Dabei ist der europäische mittelständisch geprägte Maschinenbau hochspezialisiert auf einzelne Prozessschritte. Gegenüber dem asiatischen Wettbewerb ist der fehlende General­unternehmern derzeit ein Nachteil. Um konkurrenzfähig zu sein, ist der Zusammenschluss oder die Zusammenarbeit von Firmen entlang der Prozesskette essenziell. Hinzu kommt: Eine 20-Gigawatt-Fabrik stellt kein Mittelständler allein hin.

Auch für die jeweiligen Prozessschritte ist es wichtig, dass der europäische Mittelstand Wege findet zusammen zu arbeiten. Mit gutem Beispiel vorangegangen ist die Kooperation von Manz, Dürr und Grob.

Worin liegt derzeit das Nadelöhr für das Hochlaufen des Batterieanlagenbaus in Deutschland und Europa?

S. Eirich: Derzeit fehlt es an einem Generalunternehmer aus Europa, der eine gesamte Fa­­brik ausrüsten kann in der Zellfertigung. Ebenso fehlt es an Referenzen in der Großserie. Unsere Automobilindustrie hat Jahrzehnte von dem guten Verhältnis und der engen Zusammenarbeit zwischen Maschinenbau und Autoindustrie profitiert. In der Batteriefertigung müssen diese Strukturen und das Vertrauen neu wachsen. Der Maschinenbau braucht vor allem Verbindlichkeit und Transparenz. Die Automobilindustrie will einen erfahrenen Generalunternehmer mit Referenzen und setzt daher auf den chinesischen Marktführer. Für technologischer Souveränität und resilienten Wertschöpfungsketten in Europa wird es aber das Bekenntnis und die Einbindungen deutscher und europäischen Unternehmen in die Produktionsausrüstung brauchen. Der Marktführer aus China, Wuxi Lead, rüstet ganze Gigafabriken mit Maschinen aus. Diese werden mit nicht kundenspezifischen Anlagen mit einem eigenen Serienstandard beliefert. Der weltweite Bedarf an Fabriken wird in den kommenden Jahren derart anwachsen, dass unter Umständen nicht alle Vorhaben bedient werden können. Wir brauchen also mehr Lieferanten, die fähig sind, Fabriken zu bestücken.

Es ist in der Verfahrenstechnik essenziell, dass die Kundenindustrie mit dem deutschen und europäischen Maschinenbau eng zusammenarbeitet und das Know-how gemeinsam aufbaut. Zusätzlich braucht es Lösungen für den mittelständischen Maschinenbau, zum Beispiel in Form von Integratoren „Turn Key Solutions“ oder finanzieller Absicherung und Liability-Thematik, um den finanziellen Umfang der Aufträge stemmen zu können.

Wie schätzen Sie die Rohstoffsituation und die Zuverlässigkeit der Lieferketten ein? Welchen Einfluss hat der Energiepreis in Deutschland?

S. Eirich: Bei den Rohstoffen gibt es hohe Unsicherheiten in der Prognose zur Versorgung. Andere Länder haben bereits ihre Rohstoffe gesichert, Lieferketten etabliert. Hier geht es um Nachholbedarf in Deutschland, um der Rohstoffverknappung vorzubeugen. In Europa selbst wird es nicht möglich sein ausreichend Rohstoffe zu erschließen. Die Europäische Kommission hat dies erkannt und das Recycling als ein wichtiges Instrument gewertet. In der Batterieverordnung sind entsprechende Rahmenbedingungen gesetzt, über Recyclingquoten und die Verwendung von recycelten Materialien in den Batterien. In der Forschung und Entwicklung ist das Bestreben nach wie vor hoch, Alternativen zu finden, um auf Cobalt, Mangan und Nickel zu verzichten. Im Gespräch ist dabei in letzter Zeit vor allem die Cobalt-freie Batterie oder die Natriumionenbatterie.

Die Energiepreise sind in Deutschland zusammen mit Italien mit die höchsten in Europa. Die Batterieproduktion, gerade im Bereich der Zelle, ist ein hoher Energieverbraucher. Eine Verlagerung von Produktionsstättenplanungen ins europäische Ausland wird mit der Energiepreisfrage begünstigt. Der Maschinen- und Anlagenbau kann einen Beitrag leisten, indem Prozesse energieeffizient gestaltet werden. Die Trockenbeschichtung ist hier ein Beispiel, wie Energie im Prozess gespart werden kann.

Was sind die größten technischen ­Herausforderungen als Zulieferer im Batterieanlagenbau?

S. Eirich: Technologisch sind die Herausforderungen gar nicht so groß, wenn der Kunde offen für alternative und innovative Technologien ist und nicht nur eine Kopie asiatischer Anlagentechnik bei sich stehen haben will. Mit der wird er selbstredend auch nie besser oder effizienter produzieren können als die asiatischen Wettbewerber. Häufig wird von den Kunden angeführt, dass die asiatische Technik ja deutlich preisgünstiger als europäische ist. Schaut man jedoch genauer auf die Details, und wir bekommen das selbst bei Inbetriebnahmen von Gigafactories in Asien mit, wo der Kunde nur unser Kernpaket gekauft hat und selbst die „günstige“ asiatischen Technik davor und danach einsetzt, so erkennt man bei der Analyse sehr schnell, dass viel simplere Technik verbaut wurde, die weder europäischen ATEX-Richtlinien, CE-Konformitäten oder Arbeitssicherheitsvorgaben entsprechen würde. Auch ist die Technik durch fehlende Sensorik weniger robust im Dauerbetrieb und lässt Störungen oder Abweichungen nicht erkennen, bietet keine übergeordnetes Steuerungskonzept, sondern viele Individualsteuerungen, die von Mitarbeitern abgelaufen werden müssen und die somit viel Personal für den Betrieb benötigen. Oder sie ist einfach technisch weniger effizient, so dass längere Chargenzeiten und damit höhere Betriebskosten die Folge sind. Ertüchtigt man asiatische Anlage auf europäisches Anspruchsniveau sind die Kostenunterschiede in den Investitionskosten häufig gering, im Betrieb aufgrund der unterschiedlichen Konzepte und Lohnkosten in Asien und Europa aber nach wie vor sehr deutlich. Leider wird aber zu selten auch der OPEX mit in die Gesamtbetrachtung einbezogen, sondern erst einmal nur CAPEX. Rechnet man mit TCO ist die europäische Technologie auch heute schon absolut wettbewerbsfähig.

Ein weiterer wesentlicher Einflussfaktor sind die technischen Spezifikationen als auch kommerziellen Bedingungen der europäischen Automobil OEM und anderer großer Batteriehersteller. Mit jeder neuen Anfrage und jedem Projekt erhalten wir Ordner voll von Vorgaben, die sehr zeitintensiv bewertet werden müssen.

Als Konsequenz bedeuten diese Vorgaben sehr hohe Aufwendungen, vom erneuten Engineering der Anlagen, der Qualifizierung und Beschaffung speziell vorgeschriebener Bauteile bis hin zur kompletten Neuprogrammierung der Software und Anpassung der Steuerungstechnik. Selbst wenn die bestehenden Standards der europäischen Maschinen und Anlagenbauer nicht voll ausreichend sind, so ist es sehr ärgerlich, dass jeder Kunde seine eigenen Standards umgesetzt haben möchte und damit wertvolle Kapazitäten der Maschinen und Anlagenbauer bindet. Ein gemeinsam genutzter Standard zwischen OEMs und Lieferanten wäre hier sehr wünschenswert und würde die Kostensituation deutlich verbessern. Die Asiatischen Anlagenbauer liefern bis heute ihren eigenen Standard.

Den Batterieanlagenbau zeichnet eine hohe Komplexität aus. Wie hoch ist der Automatisierungsgrad und kann der Industriezweig hier eine Vorreiterrolle einnehmen?

S. Eirich: Den Automatisierungsgrad würden wir, auch im Vergleich mit anderen Industrien, als Mittel einstufen. Technisch wäre durchaus deutlich mehr möglich. Es scheitert aber aktuell an zwei Aspekten: Erstens den hohen Kosten für In-line-Sensorik sowie deren fehlende Validierung im industriellen Einsatz, um Kosten und Nutzen gegenüber den Kunden klar aufzeigen zu können. Zudem müssen durch die komplexe Anlagentechnik mit parallel arbeitenden Beschichtern, Mischern und Tankanlagen, die Sensoren wiederkehrend jeweils in den unterschiedlichen Teilsträngen der Anlage eingebaut werden. Dadurch vervielfacht sich der schon hohe Einzelpreis des Sensors durch die notwendige Häufigkeit des Einbaus in der Anlage entsprechend, was erfahrungsgemäß das Budget der Kunden sprengt, so dass er am Schluss doch erst einmal darauf verzichtet. Asiatische Anlagentechnik hat hier erfahrungsgemäß nichts verbaut, so dass bei der Budgetplanung diese Kostenblöcke nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Zweitens ist das Materialhandling (Rohstoffe, Slurrytransport) häufig noch extrem manuell ausgelegt, weil die Personalkosten in asiatischen Anlagen geringer sind und somit weniger ins Gewicht fallen. Die üblicherweise zum Einsatz kommenden Gebinde wie Big Bags und Säcke mit manueller Entleerung sind aufgrund der riesigen Durchsatzmengen in Gigafactories absolut nicht mehr zeitgemäß, benötigen enorme Personalressourcen für den Betrieb, erzeugen gigantische Produktverluste und Abfallmengen und sind durch den Faktor Mensch fehleranfällig. Ansätze, wie sie in anderen Industrien mit vergleichbaren Massendurchsätzen absolut üblich sind, wie beispielsweise Aktivmaterialbereitstellung über Silofahrzeuge, sind hier bisher absolute Fehlanzeige. Bedingen aber auch eine technologische Durchgängigkeit vom Rohstoffhersteller bis zum Zellhersteller, die es so nicht zu geben scheint. Rohstofflieferungen aus Asien müssen zudem auf Big Bags und Säcke setzen, um überhaupt wirtschaftlich anbieten zu können.

Werden neben der Lithiumionen-Batterie­ auch andere Batteriesysteme größere ­Marktchancen haben und wenn ja, welche und warum?

S. Eirich: Sodiumionen-Batterien, die auf identischen Fertigungsanlagen wie Lithiumionen-­Batterien hergestellt werden, da in dem Fall nur die Rohstoffe getauscht werden müssen, während die Erfahrung aus der Serienfertigung der Zellen im Wesentlichen 1:1 übertragbar ist. Alternative Zellchemien haben nur dann Chancen, wenn entweder die Rohstoffkosten gegenüber Natriumionen noch viel günstiger oder die Fertigungstechnik noch wesentlich einfacher wäre. Viele innovative Fertigungsansätze sind in der Vergangenheit leider bereits gescheitert, da die Fertigungskosten für Lithiumionen-Zellen aktuell durch Skaleneffekte und fortlaufende Ausschuss­reduzierung schneller fallen, als Alternativtechnologien diese Referenzkosten überhaupt erreichen können. Günstige Rohstoffe allein sind da nicht ausreichend, zumal billigere Rohstoffe auch in der Regel schlechtere Zellleistung bedeuten.

Gibt es wesentliche Unterschiede in der Prozesskette bei der Herstellung der verschiedenen Batteriesysteme? Was bedeutet das für die Flexibilität der Anlagen und wo sehen Sie noch signifikantes Verbesserungspotenzial in den Produktionstechnologien?

S. Eirich: Im Wesentlichen unterscheiden sich die Anlagen in der Elektrodenfertigung, wenn man mal die Zellmontage für Rund, Pouch oder Prismatische Zellen außen vorlässt. Neben den klassischen Beschichtungsverfahren gibt es diverse alternative Technologieansätze auf ganz unterschiedlichen TRL (Technology Readiness Level) Niveaus, wie beispielsweise gepresste Elektroden aus Granulaten, 3D-gedruckte Elektroden, direkt extrudierte Halbnasselektroden bis hin zu Trockenelektroden mittels Pulverauftragsverfahren oder der Herstellung freistehender Filme. Da die Elektroden-Fertigungsverfahren in der Regel zu unterschiedlich sind und ganz andere Maschinentechnik – zum Beispiel Mehrwalzenkalander statt Beschichter und 50 bis 100 m lange Trocknertunnel – von Nöten ist, kann man nicht einfach zwischen unterschiedlichen Produktionstechnologien hin- und her wechseln. Bei der Mischtechnik, die der erste Schritt in der Elektrodenfertigung ist, sieht das etwas anders auf, wenn man auf die richtige Basistechnologie, wie den Eirich Mischer setzt. Während die für die Nasselektrode etablierten Planeten Dissolver Mischer für Trocken­elektrodenfertigung völlig ungeeignet sind, ist der Eirich Mischer der einzige Batch-Mischer, der sowohl Nasselektroden als auch Trocken­elektroden in einem Eintopf-Prozess herstellen kann. Darüber hinaus kann er für Granulierung oder Herstellung extrusionsfähiger Elektrodenmassen genauso verwendet werden und bietet damit dem Anwender maximale Flexibilität und Zukunftssicherheit.

Das größte Verbesserungspotenzial sehen wir im Bereich Trocken­elektroden, wie sie neben Tesla mittlerweile auch von vielen weiteren OEM´s als die mit Abstand wichtigste Technologieweiterentwicklung gesehen und propagiert wird. Erste Labor- und Pilotanlagen für Trockenelektroden oder Multifunktionsanlagen für Nass- und Trocken­elektrodenherstellung hat Eirich mittlerweile geliefert.

 

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