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Ehrungen für Chemiker & Nachwuchswissenschaftler

Im Rahmen der 127. Versammlung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte wurden zahlreiche Preise vergeben

29.08.2012 -

Im Rahmen einer Festsitzung anlässlich der 127. Versammlung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte verleiht die Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) am 17. September 2012 in Göttingen vier Preise und Auszeichnungen. Es handelt sich um die GDCh-Ehrenmitgliedschaft, die Liebig-Denkmünze, der Klaus-Grohe-Preis für Medizinische Chemie und der Georg-Manecke-Preis. Die Ehrungen nimmt der stellvertretende GDCh-Präsident, Professor Dr. Michael Dröscher, vor.

Auf Beschluss der GDCh-Mitgliederversammlung werden Professor Dr. Gunter S. Fischer, Halle/Saale, und Professor Dr. Dr. h.c. Ekkehard Winterfeldt, Hannover, mit der Ehrenmitgliedschaft ausgezeichnet. Beide haben sich große Verdienste um die GDCh erworben. So waren sie beide von 1996 bis 1999 Mitglied des GDCh-Vorstands und wurden direkt für die Jahre 1996 und 1997 zum Präsidenten (Winterfeldt) und stellvertretenden Präsidenten (Fischer) gewählt. Winterfeldt folgte Fischer als stellvertretender Präsident für weitere zwei Jahre.

Fischer war einer der ersten Chemiestudenten, die sich in Halle dem neu eingerichteten Biochemie-Studiengang anschlossen. Als einer der Ersten konnte er später präzise Kristallstrukturanalysen an niedermolekularen Proteinen durchführen und erstmalig einen enzymkatalysierten Faltungsprozess bei der Strukturbildung von Proteinen nachweisen. Fischer war es wegen seiner regimekritischen Haltung nicht erlaubt, aus der DDR auszureisen, so dass er seine Arbeiten auf internationalen Kongressen nicht vorstellen und diskutieren konnte. Nach dem Fall der Mauer wurde Fischer zum C4-Professor am Fachbereich Biochemie der Hallenser Universität berufen. 1996 wurde die Max-Planck-Forschungsstelle für Enzymologie der Proteinfaltung unter Fischers Leitung gegründet. Bis heute ist Fischer dort Leitender Direktor. Während seiner zehnjährigen Tätigkeit als Vizepräsident der Leopoldina half er, den Übergang der ehrwürdigen deutschen Akademie zu einer erneut gesamtdeutschen Einrichtung mitzugestalten.

Winterfeldt studierte in Hamburg und Braunschweig Chemie und machte bereits während seiner Diplom- und Doktorarbeiten die Naturstoffchemie zu seinem Hauptarbeitsgebiet. Nach der Habilitation in Berlin befasste er sich vor allem mit neuen Methoden und Strategien zur Synthese von Alkaloiden. 1969 nahm er einen Ruf an die Universität Hannover an, wo er nicht nur seine Syntheseziele umsetzte und sich als Wissenschaftler international einen Namen machte, sondern auch als Lehrer begeisterte.1990 zeichnete ihn die GDCh aufgrund seiner hervorragenden wissenschaftlichen Arbeiten mit der Emil-Fischer-Medaille aus, 1995 mit der Richard-Kuhn-Medaille. Die Ehrendoktorwürde wurde ihm 1991 von der Universität Lüttich verliehen. Während seiner GDCh-Präsidentschaft gehörte die Gründung des GDCh-Jungchemikerforums, das sich zu einem sehr lebendigen und kreativen Netzwerk entwickelte, zu seinen besonderen Verdiensten.

In Anerkennung seiner herausragenden Beiträge zur Theoretischen Chemie wird Professor Dr. Walter Thiel mit der Liebig-Denkmünze ausgezeichnet. Bereits während seiner Dissertation befasste er sich mit semiempirischen Rechenmethoden, die mit Hilfe eines neuen Verfahrens zu sehr genauen und zuverlässigen Ergebnissen führten. Zunächst beschränkt auf die Atome Wasserstoff, Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff, konnte die Rechenmethode bald auf einen Großteil der Elemente im Periodensystem ausgedehnt werden. Mit ab initio Verfahren gelang Thiel ferner die Berechnung genauer Kraftfelder kleiner Moleküle. In Kombination mit hochaufgelösten Spektren konnten diese Moleküle, beispielsweise fluorierte Phosphane, identifiziert und deren Strukturen aufgeklärt werden. Besonders spektakulär sind Thiels Arbeiten aus den letzten beiden Jahrzehnten, bei denen quantenmechanische und molekülmechanische Rechenverfahren kombiniert wurden. Die QM/MM-Methode entwickelte Thiel zu einem zuverlässigen Werkzeug, das auf die Berechnung großer Moleküle abzielte und auch auf Biomolekülen anwendbar war. Besondere Erwähnung verdienen seine beeindruckenden Arbeiten zum Cytochrom P 450, ein enzymatisch aktives Molekül, das in fast allen Lebewesen vorkommt. Thiel ist Direktor am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim/Ruhr und Honorarprofessor an der Universität Düsseldorf. In Marburg studierte er Chemie. Dort promovierte und habilitierte er sich auch. Seine wissenschaftliche Laufbahn begann an der Universität Wuppertal und führte ihn über die Universität Zürich 1999 an das Max-Planck-Institut nach Mülheim.

Der Klaus-Grohe-Preis für Medizinische Chemie wird in diesem Jahr zweimal vergeben. Preisträger sind Dr. Anke Roth, die derzeit als Postdoc an der Yale University, New Haven, Connecticut, tätig ist, und Dr. Marco Schmidt, derzeit Postdoc an der University of Cambridge, Großbritannien.

Nach dem Studium der Chemie an der Freien Universität Berlin wechselte Roth an die Humboldt-Universität zu Berlin, um dort ihre Doktorarbeit anzufertigen und 2010 abzuschließen. Ihr Thema: Synthese von potenten und selektiven Inhibitoren der sauren Sphingomyelinase. Die saure Sphingomyelinase ist ein Enzym, das in verschiedenen entzündlichen Erkrankungen eine erhöhte Aktivität aufweist. Die daraufhin gebildeten Lipide können zum Absterben von Zellen bis hin zum Organversagen führen. Die neuartigen Inhibitoren konnten bereits in isolierten Rattenlungen die induzierte Ausbildung von Lungenödemen verhindern. Roths sehr erfolgreiche Forschungsarbeit wird in Göttingen ausgezeichnet.

Schmidt studierte an der Universität Tübingen und der Freien Universität Berlin Chemie, wo er auch promoviert wurde. Während seiner Promotion war er Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie in Berlin. 2010 ging Schmidt als Postdoc nach Cambridge. Seine Forschungsinteressen gelten der Suche nach kleinen bioaktiven Molekülen, die zur Therapie von Krankheiten eingesetzt werden oder biologische Fragestellungen beantworten können. In Cambridge ging es zunächst vorrangig um die Suche nach einem wirksamen Tuberkulose-Medikament. Zurzeit untersucht er dort, ob Mikro-RNA sich als Zielsubstanz für Wirkstoffe eignet. Insbesondere wegen der Fülle an neuen Ideen, die er aus seinen Arbeiten für die Wirkstoffforschung ableitet, wird Schmidt in Göttingen ausgezeichnet.

Mit dem Georg-Manecke-Preis wird in diesem Jahr Dr. Leonid Ionov, ein herausragender Nachwuchswissenschaftler am Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden e.V. (IPF), ausgezeichnet. Der aus Russland stammende Wissenschaftler begann seine Doktorarbeit im Jahr 2002 an der TU Dresden und dem IPF auf dem Gebiet der Polymerchemie. Er synthetisierte und charakterisierte so genannte Polymerbürsten an Festkörperoberflächen. Die Ergebnisse seiner Doktorarbeit, die er 2005 abschloss, präsentierte er auf wissenschaftlichen Konferenzen und in angesehenen wissenschaftlichen Zeitschriften, wodurch seine wissenschaftliche Kreativität und seine interessanten neuen Konzepte der Fachwelt schnell zugänglich wurden. So generierte er beispielsweise schaltbare Polymerbürsten, die er für die Mikrofluidik in strukturierten Filmen und zur Trennung von Flüssigkeitsgemischen erfolgreich einsetzte. Danach wandte sich Ionov verstärkt bio-medizinischen Aspekten in der Anwendung von Polymeren zu - zunächst als Postdoktorand am Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden, seit 2009 als Gruppenleiter am Institut für Physikalische Chemie und Physik der Polymere des IPF. Hier kann er seine herausragenden Kompetenzen auf verschiedenen Arbeitsgebieten - von der Polymerchemie über die Nanophysik bis zur Entwicklung von biokompatiblen Materialien - unter Beweis stellen. Ein Thema, das er mit sechs Doktoranden und einem Postdoc zurzeit bearbeitet, stellt er nach der Preisverleihung in Göttingen in einem Vortrag vor: Weiche Microorigami; Selbst-faltende Polymerfolien für die Zell-Verkapselung.