Märkte & Unternehmen

Gemeinsam zu mehr Nachhaltigkeit in der Chemieindustrie

Kuraray Europe treibt geschlossene Rohstoffkreisläufe für Kunststoffe voran

12.07.2023 - Immer mehr Unternehmen fragen sich, wie umweltverträglich ihre Lieferkette ist und welche Verbesserungspotenziale sich noch ausschöpfen lassen. So auch Kuraray Europe.

Die Tochtergesellschaft des japanischen Spezialchemieunternehmens mit Sitz in Hattersheim bei Frankfurt ist Anfang 2023 der vom Nova-Institut initiierten Renewable Carbon Initiative (RCI) beigetreten. Zudem hat der Hersteller bekannter Polymerfilm- und -fasermarken ein Lifecycle Assessment (LCA) durchführen lassen, anhand dessen nachvollziehbar werden soll, wie groß der CO2-Fußabdruck der Produkte ist. Jörg Schappel, Director Safety, Health & Sustainability bei Kuraray Europe, erläutert die Ergebnisse der LCA-Studie und die Nachhaltigkeitsstrategie seines Unternehmens und teilt seine Auffassung von der Zukunft der umweltfreundlichen Chemieindustrie.

CHEManager: Herr Schappel, Kuraray ist seit Jahresanfang Mitglied in der Renewable Carbon Initiative. Welches Ziel verfolgen Sie damit?

Jörg Schappel: Die Produkte der organischen Chemie bestehen zwingend aus Kohlenstoff, also muss es darum gehen, für diese Materialien keinen Kohlenstoff aus fossilen Quellen mehr zu verwenden. Die ­Renew­able Carbon Initiative ist bestrebt, alternative Rohstoffwege aufzubauen und Alternativen zum Erdöl zu finden. Davon gibt es prinzipiell drei verschiedene: Zum einen biobasierende Alternativen, zum anderen Ströme direkt aus CO2- und Wasserstoff und drittens – und das dürfte künftig die größte Quelle sein – Recyclingströme. In der Nachhaltigkeitsinitiative sind viele Chemie­unternehmen vertreten, aber zum Beispiel auch solche aus der Textilindustrie. Lego ist ebenfalls beigetreten. Dadurch, dass diese Initiative so breit aufgestellt ist und nicht nur ein Industriezweig involviert ist, findet sie auch Gehör in Brüssel.

Neue Rohstoffe aus Recyclingströmen werden künftig den größten Anteil haben, können Sie das näher erläutern?

J. Schappel: Es gibt mehrere Studien, wie Rohstoffquellen für die chemische Industrie künftig aussehen könnten. So etwa werden biobasierte Materialien etwa 20 % Anteil vom Ganzen haben. Ungefähr genauso viel werden CO2 und Wasserstoff einnehmen. Der größte Teil aber – also 60 % – wird aus mechanischen oder chemischen Recyclingströmen kommen.

Geschlossene Rohstoffkreisläufe auch für Kunststoffe zu schaffen, ist eines der zentralen Ziele der Unternehmen, die sich in der RCI miteinander vernetzt haben, denn diese Recyclingströme kann kein Unternehmen allein aufbauen.

Die Machbarkeit solcher alternativen Rohstoffquellen ist eine ­Sache, ihre Wettbewerbsfähigkeit eine andere.

J. Schappel: Nachhaltig hergestellte Materialien sind natürlich teurer als erdölbasierte – hier muss man genau nachsehen, inwieweit sich die Preise rechtfertigen. Denn die höheren Kosten müssen wir ja an die Kunden weiterberechnen.

 

 

„Es besteht ein großes Interesse an nachhaltigen Alternativen.“

 

 

Es besteht ein großes Interesse an nachhaltigen Alternativen, doch sind unsere Auftraggeber in der gegenwärtigen Marktsituation mit gestiegenen Kosten für nachhaltige Materialien konfrontiert. Deshalb kommt es vorerst seltener zu einer Umstellung auf solche Materialien. Da die Kunden aber auch nachhaltiger werden müssen, wird sich das künftig sicher ändern.

Was machen andere große Chemie­unternehmen in dieser Hinsicht?

J. Schappel: Alle – ob nun eine Covestro oder eine BASF – sehen sich nach alternativen Rohstoffströmen um. Viele Kunden der Chemieunternehmen haben bereits Scope-3-Ziele bis 2030 definiert, sodass auch wir bis 2030 etwas tun müssen. Daher müssen alle ihre Rohstoffe und ihre Energieerzeugung auf eine nachhaltige Basis stellen. Biobasierte oder anteilig biobasierte Materialien sind das, was derzeit hauptsächlich genutzt wird.

Prinzipiell sind die Themen in der Branche aber vielfältig. Vieles ist auch noch in der Entwicklung und die Prozesse dauern lang. Für junge Kollegen ist dies häufig schwierig zu verstehen, und auch ich würde mir wünschen, dass manches schneller vorangeht. Aber vieles ist momentan noch im Forschungsstadium oder gerade mal in der Pilotphase, und wir sind von Technologien abhängig, die ebenfalls erst noch erarbeitet werden müssen. Und das dauert eben. Ab 2030 wird das Ganze aber sicherlich Fahrt aufnehmen und in den großindustriellen Maßstab übertragen werden.

Sie haben kürzlich eine Studie zum Lifecycle Assessment einiger ­Kuraray-Produkte in Auftrag gegeben. Was war der Auslöser dafür?

J. Schappel: Wir wissen, dass wir als Chemieunternehmen einen relevanten Carbon Footprint haben. Ziel dieses unabhängigen Assessments war es daher, die Nachhaltigkeit unserer Produkte einzuschätzen und Verbesserungspotenziale zu identifizieren. Insbesondere wollten wir für uns herausfinden, was unsere eigenen produktbezogenen CO2-Emissionen – also die Scope-3-Emissionen – sind. Auch unsere Kunden fragen übrigens explizit nach unserem ökologischen Fußabdruck. Denn sie möchten ja auch die eigenen CO2-Fußabdrücke berechnen, was mit solchen Informationen exakter möglich ist. Da wir selbst keine Expertise in diesem Bereich hatten, haben wir Sphera Solutions als Dienstleister mit ins Boot geholt.

Weshalb ging es nur um die produktbezogenen Emissionen?

J. Schappel: Es gibt ja drei verschiedene Scopes, die bei einer solchen Untersuchung betrachtet werden: Bei Scope 1 geht es um den CO2-Fußabdruck, der im Unternehmen selbst durch das Verbrennen fossiler Brennstoffe entsteht. Das spielt bei uns weniger eine Rolle, weil wir die Energien alle einkaufen. Das führt uns schon zu Scope 2: Dieses betrifft klimaschädliche Gase, die bei den eingekauften Energien angefallen sind. Da wir von unseren Energielieferanten bereits entsprechende Informationen bekommen, können wir diese Emissionen aber schon seit längerem selbst berechnen. Daher war dies auch nicht Teil der Studie.

Bei Scope 3 steht die Frage im Vordergrund, welche Faktoren den CO2-Fußabdruck des Produkts hauptsächlich ausmachen und wie es mit der Umweltbelastung bei der Herstellung des Produkts aussieht. Genau das wollten wir herausfinden.

Um welche Produkte ging es dabei?

J. Schappel: Wir haben erst einmal mit den Produktionen in Frankfurt und Troisdorf gestartet, weil wir eine Idee davon bekommen wollten, woran wir in Deutschland besonders arbeiten müssen, um unseren CO2-Fußabdruck zu reduzieren. Das heißt, es ging um unseren Polyvinylalkohol der Marke Poval und die Polyvinylbutyralharze und -filme der Marken Mowital und Trosifol. Im Nachgang haben wir dann noch unsere Produktion im tschechischen Holešov dazu genommen, wo wir ebenfalls PVB-Film herstellen. Somit ist unsere gesamte Produktion in Europa abgedeckt.

Welche Faktoren wurden in der Studie untersucht?

J. Schappel: Die Studie umfasste alles, was für die Herstellung des Produkts benötigt wird. Dazu gehören die Rohstoffe, die Kuraray bezieht, inklusive deren Transport. Auch die erforderlichen Energien und die sonstigen Hilfsmedien, die wir brauchen, flossen in die Berechnung mit ein – sei es das Wasser, das wir im Prozess verbrauchen oder der Stickstoff, der für die Förderung nötig ist. Ebenfalls wurde betrachtet, wieviel Abfall bei der Produktion entsteht. Hierbei wird unterschieden zwischen gefährlichem und nicht gefährlichem Abfall sowie den verschiedenen Abfallentsorgungswegen – sprich, ob der Abfall verbrannt oder anderweitig entsorgt wird. Und natürlich war auch die Abwasseraufbereitung Teil der Berechnung. Hier galt es zu ermitteln, wieviel Abwasser anfällt und was in dem Abwasser, das wir abgeben, an Substanzen enthalten ist.

Welche Erkenntnisse konnten Sie aus der Untersuchung gewinnen?

J. Schappel: Mit Poval liegen wir bei 2,47 kg CO2 pro Kilogramm PVOH – und damit sogar 30 % unter dem durchschnittlichen Datenbankwert von Sphera. Da Poval der Rohstoff für PVB ist und dieses wiederum der Rohstoff für die PVB-Filmproduk­tion, ziehen sich die sehr guten Werte durch alle in der Studie geprüften Produkte und sind besser als diejenigen vieler unserer Wettbewerber.

Beim PVB-Harz hat die Abwasseraufbereitung durchaus Einfluss auf den CO2-Fußabdruck, weil hier die Abwasserfracht sehr hoch ist und das Abwasser noch viele Inhaltsstoffe enthält. Wasser ist das Lösungsmittel, daher ergeben sich in Konsequenz höhere Abwasserströme pro Tag. Umgekehrt haben wir gelernt, dass der Transport in Sachen CO2-Emissionen eine sehr untergeordnete Rolle spielt. Das war für uns überraschend, denn für unsere PVB-Filmherstellung in Troisdorf zum Beispiel wird in Frankfurt produziertes PVB nach Troisdorf transportiert. Dennoch ist der Einfluss der Fahrten auf unseren CO2-Fußabdruck kleiner als 1 %. Dass der Transport nur einen geringen Teil der CO2-Emissionen ausmacht, scheint in der chemischen Industrie aber normal zu sein.

Inwiefern zahlt diese Studie auf das Gesamtziel von Kuraray ein, nachhaltiger zu werden und CO2 zu reduzieren?

J. Schappel: Momentan handelt es sich erst einmal um eine Bestandsaufnahme. Bisher sind nur die Ziele für Scope 1 und 2 bis 2030 definiert – und natürlich unsere Netto-Klimaneutralität bis zum Jahr 2050. Bei Scope 3 sind wir gerade noch dabei, unseren Fußabdruck zu berechnen und zu analysieren, was wir tun können, um diesen zu reduzieren. Was aber schon klar ist, ist, dass die Haupteinflussfaktoren die Rohstoffe und die Energien sind – egal, welches Produkt man sich ansieht. Gerade bei PVOH etwa macht der Dampf schon knapp ein Drittel der Emissionen aus.

 

„Nachhaltigkeit geht nur gemeinsam,
keiner wird allein die Welt retten.“


 

 


Bis Ende 2023/Anfang 2024 soll alles berechnet sein. Diese Werte wollen wir dann entsprechend zertifizieren lassen, und dann können wir konkrete Ziele für die Emissionsreduktion für Scope 3 festlegen. Natürlich schaffen wir es nicht allein, unseren Fußabdruck zu verkleinern. Da brauchen wir auch unsere Lieferanten und Dienstleister. Nachhaltigkeit geht nur gemeinsam, keiner wird allein die Welt retten.
Das ist auch einer der Gründe, weshalb wir den Process4Sustainability Cluster des Industrieparks Höchst mitgegründet haben. Das gemeinsame Ziel ist es, innovative Lösungen zu erarbeiten, die Energie sparen und Ressourcen schonen, um bis 2045 die für Deutschland angestrebte CO2-Neutralität zu erreichen.

Was ist bei Kuraray denn künftig in Sachen Nachhaltigkeit geplant?

J. Schappel: Jetzt geht die Arbeit eigentlich erst richtig los. Die Studie war ja erst einmal eine Bestandsaufnahme. Beispielsweise gibt es auf dem Energiesektor Aktivitäten in der Kuraray-Gruppe: Hier nehmen wir gerade den Einkauf von grünem Strom unter die Lupe. Ziel ist es, die Emissionen nicht über ein Zertifikat zu kompensieren, sondern von vorneherein grünen Strom zu nutzen, etwa indem man sich in einen Windpark einkauft.

Auch der für die Herstellung der Produkte benötigte Dampf wird genauer untersucht. Momentan wird er aus Erdgas hergestellt – dafür Alternativen zu finden, ist anspruchsvoll. Möglich wäre aber etwa die elektrische Dampferzeugung – oder eben die Nutzung grüner Rohstoffe wie Biogas, die das Erdgas ersetzen. Ebenfalls möglich: synthetisches Methan aus CO2 und Wasserstoff. Das muss man sich auch als Alternative ansehen, auch wenn es erst noch in der Entwicklung ist.

ZUR PERSON
Jörg Schappel studierte Chemie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und trat nach der Promotion in Makromolekularer Chemie im Jahr 2006 als stellv. Betriebsleiter bei Kuraray ein. In den folgenden Jahren bekleidete er mehrere Positionen mit steigender Verantwortung, u.a. im Projekt- und Qualitätsmanagement und übernahm 2020 die Leitung für QHSE & Product Steward­ship, bevor er im Februar 2023 Director Safety, Health & Sustainability von Kuraray Europe wurde.

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