Neue Herausforderungen rund um die harmonisierte Produktmeldung
Die Schonfrist ist vorbei
Für viele Unternehmen der chemischen Industrie stand das Jahr 2023 auch im Fokus der harmonisierten Produktmeldung (Poison Centre Notification, PCN). Schließlich ist am 1. Januar 2024 die Übergangsfrist für die Produktmeldung für industriell verwendete Produkte abgelaufen. Wer nun glaubt, dass das Thema hiermit an Relevanz verloren hat, der liegt falsch. Denn jetzt fangen andere Herausforderungen bei den Aktualisierungsmeldungen, der Kommunikation innerhalb der Lieferkette und bei Importen aus nicht-EU-Ländern erst an.
Seit dem 1. Januar 2024 müssen alle Unternehmen, die in der EU gefährliche Gemische wie z. B. Farben, chemische Lösungsmittel oder Reinigungsmittel auf den Markt bringen, eine harmonisierte Produktmeldung gemäß Artikel 45 und Anhang VIII der CLP-Verordnung vornehmen. Darüber hinaus sind bei Änderungen der Rezepturen und der Produktdaten dieser Gemische Aktualisierungsmeldungen vorzunehmen. Im Anhang VIII der CLP-Verordnung sind u. a. folgende Aktualisierungsgründe bezüglich der Produktdaten aufgelistet: Veränderungen im Handelsnamen, Neubewertungen hinsichtlich gesundheitlicher oder physikalischer Gefahren, Hinzufügung neuer toxikologischer Informationen, Anpassungen der Farbe, pH-Wert, Verpackungsart, -größe oder Fehler im Produktidentifikator.
„Besondere Aufmerksamkeit ist geboten, wenn es um Änderungen in der Konzentration der Inhaltstoffe geht.“
UFI im Blick
Insbesondere bei Rezepturänderungen sollte man auch den Unique Formular Identifier (UFI) im Blick haben. Wenn sich die in der harmonisierten Produktmeldung genannten Inhaltsstoffe durch Streichen, Ersetzen oder Ergänzen ändern, verändert sich auch der UFI. Bei einem veränderten UFI ist immer auch zwingend die Produktmeldung zu aktualisieren. Allerdings bleibt der UFI unverändert, wenn sich die Änderungen ausschließlich auf den Handelsnamen, eine neue Verpackung, neue toxikologische Daten, Einstufung von Bestandteilen oder Kontaktinformationen der Rechtsperson beziehen.
Konzentrationsbreiten beachten
Besondere Aufmerksamkeit ist geboten, wenn es um Änderungen in der Konzentration der Inhaltstoffe geht. Hierbei sind die im Anhang VIII der CLP-Verordnung festgelegten Konzentrationsbandbreiten maßgeblich für die Bewertung heranzuziehen. Nur falls die Veränderungen die vorgegebenen Bandbreiten überschreiten, ist eine Aktualisierungsmeldung erforderlich. Konzentrationsveränderungen von Bestandteilen, die nicht explizit in der Meldung aufgeführt werden müssen (bspw. ungefährliche Bestandteile mit einer Konzentration von unter 1 %), erfordern keine Aktualisierungsmeldung.
Folgen für Kunden und Anwender
Gemäß der CLP-Verordnung sind Hersteller oder Importeure als sog. Inverkehrbringer verpflichtet, eine harmonisierte Produktmeldung in jedem Land vorzunehmen, in dem sie die Gemische vertreiben. Diese Anforderungen sind in der Praxis jedoch nicht immer erfüllt. Zum Teil gibt es UFI für Produkte, aber keine Meldungen in dem entsprechenden Land, in welchem das Produkt vertrieben wird. Es kommt zudem vor, dass die falsche Verwendungsart gemeldet ist (z.B. nur industriell, obwohl auch für Gewerbe und/oder Endverbraucher genutzt). Die falsche oder unvollständige Angabe der Verwendungsart kann bei nachgeschalteten Anwendern, welche diese Produkte als Mixture-in-Mixture (MiM) verwenden, zur Ablehnung der eigenen Meldung durch die ECHA führen.
Dies sind nur einige Beispiele, die die nachgeschalteten Anwender und Kunden vor große Probleme stellen können. Ohne gemeldeten UFI und aktuelle, vollständige Meldedaten, ist eine zutreffende rezepturbasierte Beratung durch die Notfallberatungsstellen nicht möglich.
„Wenn Unternehmen gefährliche Gemische in den EU-Rechtsraum importieren, stehen diese vor komplexen regulatorischen Herausforderungen.“
Einflüsse von Rohstofflieferanten
Wenn Gemische eines Vorlieferanten in gemeldeten Gemischen enthalten sind (MiM), können Änderungen des Vorlieferanten Auswirkungen auf die Meldung des eigenen Gemisches haben. Rohstoffgemische können mit einem UFI des Lieferanten oder aber noch in der Übergangszeit mit Informationen des Sicherheitsdatenblatts (SDB) des Rohstofflieferanten gemeldet sein, sollte dieser noch keinen UFI erstellt haben. Bei Rezepturänderungen des MiM hängt die Aktualisierungspflicht der eigenen Produktmeldung oftmals an den Konzentrationen der Inhaltstoffe in den Rohstoffgemischen. Da diese Informationen dem Meldepflichtigen jedoch häufig nicht vorliegen, kommt es bei der Änderung von MiM-Rezepturen meist auch pro forma zu einer Aktualisierung der eigenen Meldung.
Bei dem Wechsel eines Rohstofflieferanten können für Unternehmen je nach Sachlage Pflichten zur Aktualisierung entstehen. Es ist zudem möglich, sich bei mehreren oder wechselnden Rohstofflieferanten auf einen Rohstoff-UFI zu beschränken. Dies setzt jedoch voraus, dass die Rohstoffe identische Zusammensetzungen und Gefahrenprofile aufweisen. Bei abweichender Rezeptur der Rohstoffe im Verlauf eines Rohstofflieferantenwechsels ist analog zur geänderten Rezeptur zu verfahren und eine Aktualisierung mit neuem UFI durchzuführen.
Import aus Nicht-EU-Ländern
Wenn Unternehmen gefährliche Gemische in den EU-Rechtsraum importieren, stehen diese vor komplexen regulatorischen Herausforderungen. Gemäß der CLP-Verordnung sind sie als Importeur und damit Inverkehrbringer verpflichtet, eine harmonisierte Produktmeldung in jedem Land der EU vorzunehmen, in dem sie die Gemische vertreiben. Die Herausforderung dabei: Oftmals wird die vollständige Rezeptur aus Vertraulichkeitsgründen vom Nicht-EU-Lieferanten nicht an den Importeur weitergegeben. Hier können in der EU-ansässige Beratungsfirmen helfen, welche als Treuhänder fungieren. Sie erfüllen für den Importeur alle regulatorischen Anforderungen und schützen gleichzeitig die Rezeptinformationen des Nicht-EU-Lieferanten.
Folgen für die Notfallberatung
Die Verpflichtung zur Aktualisierung von Produktmeldungen bringt zwar zusätzliche Herausforderungen für betroffene Unternehmen mit sich, ist jedoch entscheidend für die Verbesserung der Notfallberatung. Wenn es aus den genannten Gründen in manchen Ländern keine oder nur unzureichende UFI bzw. harmonisierte Produktmeldungen gibt oder diese nicht entsprechend den rechtlichen Anforderungen aktualisiert werden, ist eine zutreffende rezeptbasierte Beratung durch die Notfallberatungsstellen nicht möglich. Genau dies war und ist aber das Ziel für die harmonisierte Produktmeldung – eine Verbesserung der Notfallberatung.
Anna-Lena Quitzau, Expertin Gefahrstoffmanagement, und Iris Töben, Expertin Gefahrstoffmanagement, UMCO GmbH, Hamburg
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Zur Person
Iris Töben ist Projektmanagerin im Gefahrstoffmanagement von UMCO. Die promovierte Chemikerin taucht tief ein in Einstufung und Kennzeichnung von Gefahrstoffen, Erstellung von Sicherheitsdatenblättern wie auch in die komplexen Differenzierungen der harmonisierten Produktmeldung. Sie ist Autorin für Fachzeitschriften und referiert rund um die Themen des Gefahrstoffmanagements.
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Zur Person
Anna-Lena Quitzau ist Projektmanagerin im Key Account Team des Gefahrstoffmanagements von UMCO. Die Umweltwissenschaftlerin ist fachlich in den komplexen Themen rund um CLP-Verordnung und die harmonisierte Produktmeldung zu Hause. Ihr Augenmerk liegt darauf, dass ihre Kunden die regulatorischen Anforderungen für ihren Betrieb interpretieren und umsetzen können. Hierzu schreibt sie Fachartikel und verschult die Inhalte in Seminaren.
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