Anlagenbau & Prozesstechnik

Remote Production in der Life-Sciences-Industrie

Digitale Fernüberwachung - Instrument für zukünftige Wettbewerbsvorteile

13.09.2022 - Fernüberwachungslösungen, mit denen Bediener die Anlagen- und Geräteleistung engmaschig von einem beliebigen Standort aus überwachen, sind auch in den Life Sciences von Nutzen.

Die Covid-19-Pandemie hat den Betrieb von Life-Sciences-­­Anlagen durch Abstandsgebote (Social Distancing) und damit verbundene zeitlich versetzte Schichten sowie die Abwesenheit des eigentlich in der Anlage benötigten Schlüsselpersonals stark verändert. Aber auch vor der Pandemie hatten viele Unternehmen bereits Personalprobleme, weil erfahrene Arbeitskräfte in den Ruhestand gehen und sich die Einstellung von neuem Personal schwierig gestaltet.

Die beste Möglichkeit, um sich der Herausforderung lichter werdender Schichtpläne zu stellen, sind Fernüberwachungslösungen, mit denen Bediener, Ingenieure und Techniker die Anlagen- und Geräteleistung engmaschig von einem beliebigen Standort aus überwachen können. Der Trend zur Fernüberwachung wird bleiben und ein wichtiges In­strument für zukünftige Produktionsstrategien im Life-Sciences-Bereich sein. Beispielsweise können Unternehmen ihre Produktionszeiten mit digitalen Technologien erheblich verkürzen, da es durch die digitale Zusammenarbeit aus der Ferne möglich ist, Produktionsschritte parallel vorzunehmen.

Vorteile digitaler Anlagendaten

Die digitale Produktion hat eine wichtige Rolle dabei gespielt, dass Life-Sciences-Unternehmen die Herausforderungen der Pandemie stemmen konnten und das heutige mobile Arbeiten aus der Ferne mehr Unterstützung findet. Am schwierigsten war der Übergang zur Fern­überwachung für die Unternehmen, die immer noch auf papierbasierte Prozesse vertrauten.

Diese Unternehmen waren der Ansicht, dass das Personal immer noch vor Ort sein müsse, um Aufgaben in geeigneter Weise für die Remote-Arbeiten zu erledigen – wie z.B. Freigaben zur Qualitätssicherung und Handhabung von Ausnahmen – und sie fanden zudem die Überwachung der Produktion und den Erhalt der Spitzenleistung schwierig.

Liegen entscheidende Daten in digitaler Form vor, können Unternehmen digitale Automatisierungs-Tools nutzen, die speziell für die Fernverbindung zu Echtzeit-Prozessdaten von Prozessleitsystemen, Historians, Manufacturing-Execution-Systemen (MES) etc. ausgelegt sind. Das zuständige Personal kann sichere Tools für intuitive Echtzeit-Alarmmeldungen auf ihren mobilen Geräten einsetzen. Durch die effektive Nutzung von Daten aus der Steuerung und der Asset-Monitoring-Software liefern personenbezogene Alarme Kontext und Trends, mit denen das Personal die Anlagen und Produktionsprozesse überwachen kann, egal ob es sich in der Anlage oder außerhalb des Standortes befindet. Dank der in digitalen Systemen verfügbaren Informationen ist das Personal einfacher in der Lage zu entscheiden, ob es für eine Problemlösung vor Ort sein muss oder dem Personal am Standort aus der Ferne assistieren kann.

Mit der Erweiterung der digitalen Grundlage, die die grundlegende Fernüberwachung unterstützt, können Unternehmen ihr Personal in die Lage versetzen, Abweichungen zu überwachen und zu bestimmen, ob sie Auswirkungen auf das Endprodukt haben. Dasselbe Personal kann dann digitale Tools wie elektronische Batch-Protokollsysteme zur Überprüfung und Freigabe von überall nutzen, wodurch das Risiko einer verspäteten Produktfreigabe durch Qualitätssicherungsschritte reduziert wird.

Manche Life-Sciences-Unternehmen entscheiden sich auch für den Einsatz anspruchsvollerer Anwendungen – wie vorausschauende Wartung, Analytik sowie Planungs-Software – in einer privaten Cloud für eine bessere Sichtbarkeit durch den Remote-Zugriff zu jeder Zeit und von jedem Ort.

 

„In der Life-Science-Produktion muss heute eine schwindende Anzahl von Experten eine zunehmende Anzahl von Standorten und Prozessen betreuen.“

 

 

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Durch die digitale Zusammenarbeit aus der Ferne können Produktionszeiten erheblich verkürzt verkürzt werden, da Produktionsschritte parallel vorgenommen werden. © Emerson

 

Simulation und digitale Zwillinge

Als die Pandemie um sich griff, hatten viele Life-Sciences-Unternehmen Projekte, die abgeschlossen werden mussten, erst zur Hälfte erledigt. Da viel weniger Personal zur Verfügung stand, war das eine Herausforderung. Aber der Bedarf für die Herstellung neuer Behandlungsmittel und Impfstoffe und die Verbesserung der Anlagenproduktion und -leistung blieb. Für diese Unternehmen bedeutete die Nutzung von Remote-Lösungen eine Möglichkeit, weiterhin innovativ zu sein.

Simulationstechnologien und die Technologie des digitalen Zwillings bieten Unternehmen bessere Möglichkeiten zur Entwicklung, zum Testen und zur Einführung neuer Regelstrategien selbst bei einer geringeren Anzahl von Mitarbeitern vor Ort. Simulationen mit digitalen Zwillingen schaffen Nachbildungen der Produktionsumgebung, mit denen neue Geräte und Strategien getestet werden können, ohne auf die Live-Anlage zugreifen zu müssen. Das Hosting dieser Simulationen in der Cloud fördert weiterhin die Zusammenarbeit und ermöglicht das Testen neuer Regelstrategien in der Anlage, vom Hauptsitz des Unternehmens, von Zuhause oder von einer anderen Anlage weltweit. Der globale Zugriff auf Engineering- und Test-Tools bedeutet, dass Großprojekte sich nicht mehr verzögern, weil man auf Personal warten muss, das zwischen den Standorten hin- und herreist. Jetzt können Systeme für umfangreiche virtuelle Tests außerhalb der Anlage simuliert werden. Projektarbeiten können größtenteils aus der Ferne erledigt werden, bevor die Anlage eintrifft, wodurch der Zeit- und Personalaufwand reduziert werden, der vor Ort für die Installation und Funktionsqualifizierung erforderlich ist.

Dank des Remote-Zugriffs auf hochgenaue Simulationen können Life-Sciences-Unternehmen schnell neue Produktionslinien hinzufügen. Alle vorbereitenden Arbeiten können parallel über Cloud-Simulationen erfolgen und entsprechende Teams können die Qualifizierung aus der Ferne unterstützen. Wenn die Teams dann vor Ort sind, können sie mit der Übertragung der Konfiguration von der Cloud auf das lokale Automatisierungssystem schnell zur Produktion übergehen, was die schnelle Herstellung von Impfstoffen ohne einen Mehrbedarf von Personen in der Anlage unterstützt. Simulationen sind auch nach dem Projektabschluss für Personalschulungen hilfreich.

Die Simulationstechnologie kann auch zur Unterstützung von Abnahmeprüfungen (FAT) bei OEMs und Anlagenbetreibern eingesetzt werden. Projektteams können Remote- und virtuelle Tools nutzen, um Anlagen in Simulationen zu konfigurieren und zu testen, wodurch Projektbeteiligte von überall teilnehmen können. Wenn diese mit der Konfiguration zufrieden sind, kann das Projektteam sie auf die echte Anlage für abschließende Tests am Standort des Anlagenbetreibers übertragen.

© Emerson

Remote-Lösungen ermöglichen eine einfachere Zusammenarbeit und unterstützen das Personal bei der Durchführung kritischer Aufgaben von einem beliebigen Ort. © Emerson

 

Edge, Cloud und Augmented Reality

Edge-Computing und -Steuerung sind wichtige Instrumente zur Erschließung der Cloud-Konnektivität. Dabei können neue Edge-Geräte Daten einfach und sicher in die Cloud übertragen, auf die autorisiertes Personal aus der Ferne zugreifen kann. Dadurch können Unternehmen die Anzahl erfahrener Mitarbeiter an ihren Standorten reduzieren und stattdessen auf mobile Experten setzen, die mehrere Standorte unterstützen, ohne zwischen diesen hin- und herreisen zu müssen. Der einfache Transfer der Daten ermöglicht zudem standortübergreifende Vergleiche.

Die schnelle Bereitstellung kontextbezogener Daten ermöglicht Life-Sciences-Unternehmen auch die Erschließung neuer Wartungs- und Betriebsmöglichkeiten aus der Ferne. Beispielsweise können Experten aus der Ferne fortschrittliche AR-Technologien zusammen mit kontextbezogenen Daten aus dem Leitsystem nutzen, um das zu sehen, was weniger erfahrene Mitarbeiter in der Anlage sehen, und diese dann mit Bildschirm-Tools zu leiten und zu unterstützen.

 

„Die beste Möglichkeit, um sich der Herausforderung lichter werdender Schichtpläne zu stellen, sind Fernüberwachungslösungen.“

 

Erschließung der Lights-Out-Produktion

Remote-Produktionslösungen richten sich heute auf den Erhalt und die Steigerung der Produktion, auch wenn das Schlüsselpersonal sich nicht in der Anlage befindet. Bei vielen Life-Sciences-Unternehmen ist das langfristige Ziel jedoch der Schritt in Richtung Lights-Out-Produktion – d.h. Produktions- und Verpackungslinien, die vollständig ohne Eingriff des Menschen arbeiten.

Zu diesem Zweck werden reine Produktionsumgebungen mit Robotern geschaffen. Jede in diesen Umgebungen anwesende Person – z.B. für Inspektionen, Einstellungs- oder Wartungsarbeiten – könnte eine Verunreinigung mit längeren Ausfallzeiten verursachen, die die Produktionsziele beeinträchtigen.

Um Produktionsunterbrechungen zu vermeiden, erlauben es Remote-­Technologien wie die Simulation mit einem digitalen Zwilling dem Personal, abnormale Situationen besser zu verstehen und zu diagnostizieren, sogar bevor sie im Prozess auftreten, und zwar durch den Echtzeitzugriff auf Alarme im Zusammenhang mit relevanten Daten. Dadurch können Änderungen vorgenommen werden, so dass Probleme verhindert werden, ohne dass Personen die reine Umgebung betreten müssen.

Ein weiterer Vorteil der fortschrittlichen digitalen Zwillinge besteht darin, dass sie Echtzeit-Prozessdaten zur kontinuierlichen Aktualisierung verwenden können. Ergebnisse von Machine-Learning-Tools in diesen Simulationen können hinzugezogen werden, um die zukünftige Produktionsentwicklung vorherzusagen und Engpässe sowie Abweichungen bereits vor ihrem Auftreten festzustellen, so dass die notwendigen Anpassungen vorgenommen werden können, bevor sich Probleme auf die Produktion auswirken.

Fazit

In der Life-Sciences-Produktion muss heute eine schwindende Anzahl von Experten eine zunehmende Anzahl von Standorten und Prozessen abdecken, was zu Produktionsverzögerungen führen kann. Unternehmen entdecken jedoch, dass sie mit dem Wechsel zu einer digitalen Produktionsumgebung eine solide Grundlage für Remote-Produktions­lösungen schaffen können, die in den kommenden Jahren erhebliche Vorteile bringen werden.

Autorin:
Christiane Bangert, Emerson Automation Solutions

„Die schnelle Bereitstellung kontextbezogener Daten ermöglicht neue Wartungs- und Betriebsmöglichkeiten aus der Ferne.”

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