Chemie & Life Sciences

Zukunftsweisende Ausrichtung als Distributor für Kunststoffe

Biesterfeld Plastic expandiert durch die Globalisierung bestehender Partnerschaften

12.05.2021 - Interview mit Carsten Harms, Vorstandsmitglied der Biesterfeld-Gruppe und Sprecher der Geschäftsführung von Biesterfeld Plastic

CHEManager: Herr Harms, Sie sind Sprecher der Geschäftsführung Biesterfeld Plastic und auch Vorstandsmitglied von der Biesterfeld Gruppe. Welche Rolle spielt der mit mehr als der Hälfte des Umsatzes größte Geschäftsbereich für die Biesterfeld Gruppe?

Carsten Harms: Biesterfeld Plastic wurde 1988 als erster Geschäftsbereich der Biesterfeld Gruppe ausgegründet, hat sich seitdem dynamisch entwickelt und damit natürlich mittlerweile eine gewisse Schwungmasse im Konzern. Dank der über 30 Jahre Erfahrung am Markt decken wir Europa bereits vollständig ab und agieren inzwischen auf globaler Ebene. Durch das, was wir in Europa sowohl in der Tiefe als auch der Breite erreicht haben, messen wir dem Thema Expansion in die Wachstumsmärkte der Zukunft eine große Bedeutung bei.

Was haben Sie sich bei den Themen Wachstum und Expansion für Biesterfeld Plastic vorgenommen?

C. Harms: In den nächsten Jahren streben wir eine gezielte strategische Weiterentwicklung an, die etwa zweieinhalbmal über dem Marktwachstum liegt. Dazu wollen wir in neue Regionen expandieren, die zu der Strategie der Biesterfeld Plastic passen und in denen unser Geschäftsmodell erfolgsversprechend ist. Dies ist die Fortsetzung des in den letzten Jahren gemeinsam mit unseren langjährigen Partnern erfolgreich unternommenen internationalen Ausbaus.

Unser Ziel ist es, zukünftiges Wachstum in den Regionen, die interessante Wachstumsmärkte sind und wo wir über unser Business-­Konzept für unsere Lieferanten und Kunden Mehrwert schaffen können, mit unseren bestehenden Partnern zu sichern und anzugehen.

Welche Rolle spielt die Anfang des Jahres realisierte Organisationsänderung für Ihre Wachstumsstrategie?

C. Harms: Zum 1. Januar 2021 haben wir unseren Geschäftsbereich mit einer modernen, am Markt und den Bedürfnissen unserer Kunden und Lieferanten ausgerichteten Abteilungsstruktur neu aufgestellt. Um unsere strategische Transformation mit Fokus auf beratungsintensive Spezialitäten weiter voranzutreiben, haben wir eine Zellteilung durchgeführt und die Abteilung Engineering Polymers in die drei neuen Business Units Engineering Polymers, High Performance Polymers und Performance Elastomers aufgeteilt. Sie bilden fortan zusammen mit den beiden Business Units Advanced Polymers und Sustainable Polymer Solutions fünf eigenständig operierende und zugleich eng miteinander verzahnte Abteilungen.

Dank dieser Zellteilung können wir die Synergien innerhalb der Business Units noch besser nutzen und unsere Segmenttiefe weiter schärfen. Gleichzeitig agieren wir noch agiler im Markt der hochanspruchsvollen Kunststoffe und können die zunehmenden Bedürfnisse unserer Partner und Kunden auf globaler Ebene noch besser bedienen.

Wir eröffnen unserer gesamten Organisation mit dieser antizyklischen Investition in das Business- und Produktmanagement und unseren technisch spezialisierten Vertrieb auf nationaler sowie internationaler Ebene zusätzliche Wachstumspotenziale. Zugleich bereiten wir weitere Geo-Expansionen in strategisch wichtige Wachstumsmärkte vor.

Mit antizyklisch meinen Sie vermutlich die Coronakrisensituation. Hat die seit einem Jahr andauernde Pandemie Ihre Strategie beeinflusst?

C. Harms: Nein, im Gegenteil, sie hat uns in der Fortführung unseres strategischen Ansatzes bestätigt. Für uns steckt in der Krise zugleich eine große Chance. Die stetige Optimierung unseres Geschäfts ist für uns ein ganz natürlicher Prozess. Das Konzept zu unserer strategischen Evolution entstand bereits vor dem Beginn der Pandemie. Trotz Krisenmodus, in dem wir – wie alle anderen Marktteilnehmer – ab Jahresanfang 2020 waren, nutzten wir die Chance zur Umsetzung unserer Strategie und zur antizyklischen Investition in unsere Organisation. Dabei haben wir die wirtschaftliche Erholung der globalen Nachfrage antizipiert und uns auf den Ausbau unserer Marktanteile in enger Zusammenarbeit mit unseren Lieferanten vorbereitet.

„In den nächsten Jahren streben wir eine gezielte strategische Weiterentwicklung an.“

 

Ihre geografische Expansion haben Sie in den letzten Jahren bereits vorangetrieben. Wie sind Sie da vorgegangen?

C. Harms: In der vergangenen Dekade sind wir in nahezu allen Regionen gewachsen. Insbesondere in Märkten wie Polen, Russland, Skandinavien, Türkei, UK oder Zentraleuropa haben wir unsere Marktposition sichtbar ausgebaut. Dabei haben wir unser Ziel einer vollständigen europäischen Marktabdeckung erreicht. Auf diesem Fundament haben wir in den letzten Jahren, unterstützt durch unsere Schlüssellieferanten, unseren internationalen Ausbau aus Europa heraus auf andere Kontinente wie zum Beispiel Nordafrika und Südamerika vorangetrieben.

Um unsere Expansionsstrategie nachvollziehen zu können, ist es wichtig zu wissen, dass wir heute in ganz Europa zu 95 % mit dem identischen Lieferprogramm unterwegs sind. Das ist meines Erachtens einer unserer wesentlichen USPs, den Sie bei anderen Distributeuren so ausgeprägt nicht finden. Auch in die Regionen, die wir in den letzten Jahren erst ausgegründet haben, sind uns unsere Top-Lieferanten gefolgt und haben uns als präferierten Partner eingesetzt.

Die Erschließung dieser Regionen ist demnach überwiegend organisch erfolgt, also bewusst weniger durch Akquisitionen, sondern durch unser nachhaltiges und organisches Wachstum mit unseren bestehenden Lieferanten. Und das gilt auch für die Reise in der Zukunft: Wir wollen ein stärker global ausgerichteter Entwicklungs- und somit Wachstums­partner für unsere Lieferanten sein und gemeinsam mit ihnen Schritt für Schritt wachsen.

Im Übrigen geht Biesterfeld Plas­tic diesen Weg nicht allein, sondern wir nutzen im Sinne der Gruppe all unsere administrativen und operativen Synergien, um Biesterfeld Plastic, Biesterfeld Spezialchemie, Biesterfeld Performance Rubber und Biesterfeld International Schritt für Schritt in neuen Märkten zu etablieren.

Können Sie uns das an einem Beispiel veranschaulichen?

C. Harms: Gerne. Ich erläutere das einmal am Beispiel von Brasilien. Die Expansion in diese für uns neue Region, wo nicht nur eine andere Wettbewerbs- beziehungsweise Marktsituation, sondern auch ganz andere Größenverhältnisse herrschen, war selbst aus der soliden Führungsposition in Europa heraus ein großer Schritt für uns.

Ein wichtiger Impuls für unsere Expansion ging von einem unserer Lieferanten aus, der sein bisheriges Distributionsmodell in Brasilien strategisch neu aufstellen wollte und unser Business-Modell, das wir in Europa unterhalten, bevorzugte. Unser Partner DuPont, mit dem wir seit über 30 Jahren erfolgreich zusammenarbeiten, hatte dort, bevor es Biesterfeld Plastic in Brasilien gab, einen lokalen Distributeur und sechs regionale Händler, die jedoch auch die direkten Wettbewerber vertrieben. Wir haben mit den meisten unserer Lieferanten exklusive Verträge auf beiderseitiger Basis, und wir haben dieses Modell mit genau den gleichen Vorteilen für beide Parteien in Brasilien etabliert. Dazu haben wir vor Markteintritt einen Auswahlprozess begonnen, an dessen Ende mit einem starken regionalen Tochterunternehmen des Familienunternehmens Simko, Argentinien, im April 2015 ein 50/50-Joint Venture gegründet wurde.

Auch dabei haben wir die Synergien innerhalb der Biesterfeld Gruppe genutzt und beispielsweise auf das bestehende Büro und das Know-how der Mitarbeiter der Biesterfeld International in São Paulo zurückgegriffen. Mittlerweile sind auch unsere Schwesterfirmen Biesterfeld Performance Rubber und Biesterfeld Spezialchemie in Südamerika aktiv.

„Wir wollen insbesondere mit Spezialitäten, beratungsintensiven Polymeren und verbundenen Services zu den globalen Marktführern zählen.“

 

 

Das war der technische Teil der Expansion, welche Rolle spielten denn die unterschiedlichen Kulturen und Marktsituationen?

C. Harms: Natürlich sind unsere Werte und die Unternehmenskulturen unserer Joint-Venture-Partner wichtig. Von der DNA bis hin zur gemeinsamen Auffassung des künftigen Geschäftsmodells, zum Beispiel unserem Fokus auf Exklusivität und einer konfliktfreien Zusammenarbeit mit unseren Prinzipalen, passten wir sehr gut zusammen.

Es war im Grunde eine Grassroots-Strategie, auf der grünen Wiese, wie man so schön sagt, die zur Neugründung der Biesterfeld Simko Distribuição führte. Bereits vor der Gründung haben wir die Etablierung von Lieferanten und Marktbeziehungen vorbereitet und uns bei unserem ersten gemeinsamen Messeauftritt DuPont und Chimei vorgestellt. Innerhalb eines Jahres haben wir es geschafft, mit Unterstützung unseres Lieferanten   das gesamte DuPont-Distributionsgeschäft auf uns zu konsolidieren.

Wir haben dann jeweils mit erfolgter Mandatserweiterung durch unsere vormals paneuropäischen Partner ExxonMobil, BASF, Solvay, LG Chem oder SK Chemicals hochqualifizierte, lokale Talente eingestellt. 27 Mitarbeiter sind heute alle auf unserer Payroll, was nicht üblich ist in Brasilien, wo im Distributionsgeschäft noch sehr viel mit selbstständigen Agenten gearbeitet wird. Ein wesentlicher Bestandteil unserer Strategie besteht jedoch gerade darin, das Entwicklungs-Know-how in unserer Organisation global zu bündeln und unseren Partnern und Kunden im offenen Austausch zu beidseitigem Nutzen zur Verfügung zu stellen. Wir sind schon ein bisschen stolz, dass wir alle unsere Partner in Europa heute mehr oder minder exklusiv auch in Brasilien vertreten und sich unser Joint-Venture insgesamt sehr positiv entwickelt.

Wo sehen Sie Biesterfeld Plastic in zehn Jahren?

C. Harms: Mit der neuen Abteilungsstruktur werden wir, wie eingangs gesagt, unser globales Wachstum agil vorantreiben und dabei unter anderem die voranschreitende Marktkonsolidierung strategisch nutzen. Dazu gehört die Absicherung und der Ausbau unserer Position in Europa, Lateinamerika sowie die weitere Expansion in die Wachstumsmärkte unserer Schlüsselindustrien. Im Fokus steht hier beispielsweise der Handelsraum ASEAN.

Unsere Vision ist es, der Top-of-the-mind-Distributeur hinsichtlich Kompetenz, Service und Innovation zu sein. Wir wollen insbesondere mit Spezialitäten, beratungsintensiven Polymeren und verbundenen Services zu den globalen Marktführern zählen. Der zielgerichtete Ausbau unserer Segmenttiefe sowie unseres diversifizierten Portfolios mit einem zunehmenden Fokus auf nachhaltige Lösungen sind ebenfalls wesentliche Bestandteile unserer strategischen Evolution. Um dies realisieren zu können, bauen wir jetzt und zukünftig auf unsere kompetenten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit Ihrem Know-how und ihrer Erfahrung das Kapital der Biesterfeld Plastic sind. Unser übergeordnetes Ziel ist es, dass unsere Kunden und Partner als erstes an uns denken, wenn sie eine Frage haben, gleich, wo auf der Welt sie sich befinden.

Zur Person

Carsten Harms startete seine Laufbahn 1986 mit der Ausbildung zum Außenhandelskaufmann bei der Biesterfeld Gruppe. Erste Berufserfahrungen sammelte er ab 1988 außerhalb des Unternehmens. 1993 kehrte er zu Biesterfeld zurück und gestaltete als Key Account Manager und später auch als Produkt- und Business Manager die europaweite Expansion des Geschäftsbereichs Biesterfeld Plastic zu einem der führenden internationalen Kunststoffdistributionsunternehmen maßgeblich mit. Seit Januar 2007 ist Harms Sprecher der Geschäftsführung Biesterfeld Plastic, seit Juli 2014 Vorstandsmitglied der Biesterfeld Gruppe und verantwortet in dieser Rolle u.a. den strategischen Ausbau der Biesterfeld Performance Rubber.

 

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