Logistik & Supply Chain

Blockchain meets Gefahrgut

Wesen und Vorteile eines blockchainbasierten Gefahrgutmanagementsystems

13.04.2021 - Mit der wachsenden Globalisierung, komplexer werdenden Lieferketten und den zunehmenden rechtlichen sowie regulatorischen Anforderungen, steigen auch die Herausforderungen an Unternehmen, auf allen Ebenen der Logistik Regelkonformität zu gewährleisten.

Dabei besteht nicht nur die Schwierigkeit, dass unternehmensinterne und -externe Compliance-Vorschriften effizient und effektiv umgesetzt werden sollten, es gilt auch unternehmensübergreifende Lösungen zu schaffen, die eine transparente, sichere und lückenlose Dokumentation ermöglichen.

Beispiele sind hierfür die Dokumentationspflicht und die Sicherheitsvorgaben im Transportbereich, welche u.a. im Gefahrgutbeförderungsgesetz festgehalten sind. Besonders bei logistischen Compliance-Aspekten, die ein hohes Maß an Vertrauen erfordern, wie etwa dem Austausch von sensiblen Daten entlang der Lieferkette, gilt es, Anforderungen sowohl IT-sicherheitstechnisch als auch vorschriftsmäßig umzusetzen.

Herausforderungen im Bereich Gefahrgut wachsen

Der Transport von Gefahrgütern hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Auch in Zukunft ist mit einer steigenden Tendenz zu rechnen. Diese Entwicklung ist u. a. auf zwei Ursachen zurückzuführen. Laut dem Statistischen Bundesamt (2019) haben in den letzten Jahren der europäische und somit auch deutsche Binnenmarkt einen erheblichen Anstieg an Warenaustausch (im Jahr ca. 3,7 Mrd. t, 2 % mehr als im Vorjahr) und somit auch an Gefahrgutströmen erfahren. Bedingt durch eine sich kontinuierlich verschärfende Gesetzgebung werden immer mehr Stoffe, der Gruppe der Gefahrstoffe zugeordnet.

Beide Aspekte führen zu einem stetigen Anstieg an Gefahrgütern bzw. Gefahrstoffen. Innerhalb der Wertschöpfungsnetzwerke im Bereich Gefahrgut wachsen damit auch die Herausforderungen an die Beteiligten, sämtliche Prozesse effizient, transparent und gesetzeskonform durchzuführen. Wie gelingt es in Zeiten des digitalen Wandels dieser steigenden Komplexität zu begegnen und Prozesse zukunftsfähig zu gestalten? Welche Anforderungen bestehen an ein blockchainbasiertes Gefahrgutmanagementsystem, insbesondere bei der Umsetzung der Dokumentationspflicht (z.B. des elektronischen Beförderungspapiers) und an das fortlaufende Monitoring (Track and Trace)?

 

Antworten auf diese Fragestellungen geben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Projekt „Blockchain Europe“ zum Aufbau des Europäischen Blockchain-Instituts in Nordrhein-Westfalen (NRW).

Gemeinsam mit weltweit agierenden Unternehmen und Forschungseinrichtungen wird die Blockchain-Technologie entscheidend vorangetrieben. Durch das europaweite, einzigartige Institut wird die Möglichkeit geschaffen, die Digitalisierung in Praxis und Wissenschaft zu beschleunigen. Aus diesem Grund fördert das Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen das Projekt mit 7,7 Mio. EUR.

Im Fokus des Projekts stehen die Entwicklungen im Bereich Logistik und Supply Chain Management, wodurch beinahe alle Branchen in Deutschland und Europa betroffen sind. Mit Open Source Software, Hardware und Geschäftsmodellen wird das Institut deshalb zukünftig die Logistik unterstützen und neueste anwendungsorientierte Informationen kostenfrei zur Verfügung stellen. Doch was macht die Blockchain für rechtlich geprägte Logistikprozesse so interessant?

Sichere Transaktionen durch die Blockchain

Die Blockchain ist eine verteilte, kooperativ genutzte Datenbank, in der Transaktionen durch die Teilnehmer eines verteilten Rechnernetzes erfasst und verwaltet werden. Jeder neue Eintrag, auch Block genannt, wird dabei mit dem vorherigen durch eine kryptografische Signatur verknüpft. Dadurch entsteht eine Verkettung der Einträge: die Blockchain. Ein Kernaspekt dabei ist die dezentrale Konsensbildung. Bevor ein Eintrag im Speicher hinterlegt wird, muss er durch alle Teilnehmer im Netzwerk validiert werden. Von den Eigenschaften der Blockchain profitieren die Akteure entlang der Gefahrgutabwicklung:

  • Gewährleistung von Irreversibilität durch lückenlose und transparente Verkettung von Einträgen in die Blockchain
  • Sicherstellung von Datenintegrität durch dezentral und redundant verwaltete Daten
  • Manipulationssicherheit des Netzwerks durch die gezielte Prüfung von neu hinterlegten und geänderten Einträgen
  • Verzicht auf Intermediäre durch die Verwendung sogenannter Smart Contracts, welche die direkte Verhandlung von Netzwerkteilnehmern ermöglichen. Smart Contracts sind in der Blockchain hinterlegte Transaktionsprotokolle, die Wenn-Dann-Bedingungen autonom ausführen
  • Unternehmensübergreifende Kooperationsplattform mit sicherem Informationsaustausch entlang der Gefahrgutabwicklung

Die Eigenschaften und Funktionalitäten der Blockchain bieten ein großes Optimierungspotenzial, um Gefahrgutprozesse zu digitalisieren und mithilfe von Smart Contracts zu automatisieren. Beispiele von Smart Contracts in der Gefahrgutabwicklung sind eine automatische Berechnung der Freistellungsregelung gem. ADR 1.1.3.6 („1.000-Punkte Regel“) oder die automatisierte Zahlungsabwicklung nach Empfang der Gefahrgutsendung.

Des Weiteren eignet sich die Technologie für die Umsetzung eines elektronischen Beförderungspapiers gemäß ADR 5.4. Es wird eine effizientere und papierlose Abwicklung ermöglicht, die einerseits Fehler bei manuellen Arbeitsschritten und andererseits Kosten für administrativen Aufwand reduziert.

Kontrollen lassen sich bei Gefahrguttransporten mit der Blockchain deutlich vereinfacht durchführen, indem die Informationen und Dokumente schnell und sicher über ein großes Netzwerk verteilt werden. Damit greifen die Blockchain-Teilnehmer inklusive der kontrollierenden Behörden jederzeit auf die aktuellste Version der Daten zu.

Durch diese ständige Verfügbarkeit und Transparenz der Informationen werden Unstimmigkeiten in den Prozessen vermieden. Alle angebundenen Stakeholder, vom Beförderer bis zum Empfänger, haben Zugriff auf dieselben Informationen. Jeder autorisierte Teilnehmer kann die verteilt und redundant gespeicherten Daten einsehen und validieren. Es entsteht eine Kooperation, bei der die Datenzugriffe sicher geregelt sind und Kosten sowie Aufwand reduziert werden. Je mehr Akteure in der Gefahrgutabwicklung innerhalb eines diskriminierungsfreien, zugänglichen, jedoch gesicherten Blockchain-Netzwerks zusammenarbeiten, desto stärker wird das Potenzial der Blockchain genutzt.

Was ist Blockchain?

Die Blockchain ist eine der meist genannten Technologien im Zuge der digitalen Transformation. Sie ist vor allem als Technologie hinter der Kryptowährung Bitcoin bekannt, jedoch gehen ihre Anwendungsmöglichkeiten weit darüber hinaus. Grundlage für die Blockchain ist die Distributed Ledger Technologie. Ein Distributed Ledger ist eine Datenbank, die auf verschiedene Standorte oder Teilnehmer verteilt ist. In dieser Datenbank werden Transaktionen verarbeitet und verifiziert. Innerhalb der Blockchain werden mehrere Transaktionen chronologisch zu einem „Block“ zusammengefasst. Zwei Blöcke werden chronologisch mithilfe einer kryptografischen Signatur verkettet („Chain“). Diese sichere Verknüpfung macht die Blockchain für alle Teilnehmenden transparent. Zusätzlich sind durch die redundant gespeicherten Einträge Datenintegrität und Manipulationssicherheit gewährleistet. Sie eignet sich also besonders gut als Grundlage für den digitalen und sicheren Austausch von vertrauensvollen Daten im Rahmen der Geschäftsbeziehungen zwischen zwei oder mehr Unternehmen.

Blockchain gemeinsam gestalten

Das Projekt Blockchain Europe entwickelt Prototypen zur blockchainbasierten Gefahrgutabwicklung. Mit dem kostenfreien Eintritt in die offene Community von Blockchain Europe können Unternehmen als Konzept- und Validierungspartner mitwirken, um die Digitalisierung von rechtlich geprägten Logistikprozessen in der Gefahrgutabwicklung zu initiieren und voranzutreiben.

„Alle angebundenen Stakeholder, vom Beförderer bis zum Empfänger, haben Zugriff auf dieselben Informationen.“

Downloads

Kontakt

Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML

Joseph-von-Fraunhofer-Str. 2-4
44227 Dortmund
Deutschland

+49 0231 9743 0
+49 0231 9743 211

Wasserstoff für die Prozessindustrie

News & Hintergrundberichte

CITplus Insight

Aktuelle Themen aus der Prozess- und Verfahrensindustrie

Registrieren Sie sich hier

CHEMonitor

Meinungsbarometer für die Chemieindustrie

> CHEMonitor - Alle Ausgaben

Social Media

LinkedIn | X (Twitter) | Xing

Wasserstoff für die Prozessindustrie

News & Hintergrundberichte

CITplus Insight

Aktuelle Themen aus der Prozess- und Verfahrensindustrie

Registrieren Sie sich hier

CHEMonitor

Meinungsbarometer für die Chemieindustrie

> CHEMonitor - Alle Ausgaben

Social Media

LinkedIn | X (Twitter) | Xing