Strategie & Management

Dynamic Value Pricing eröffnet Chancen für Spezialchemieunternehmen

21.02.2024 - Kostensteigerungen, Unsicherheit auf den Absatzmärkten und steigende Anforderungen an Nachhaltigkeit prägen derzeit die chemische Indus­trie. In diesem Umfeld ist markt- und wertorientiertes Pricing ein großer Wettbewerbsvorteil.

Kostensteigerungen, Unsicherheit auf den Absatzmärkten und steigende Anforderungen an Nachhaltigkeit prägen derzeit die chemische Indus­trie. In diesem Umfeld ist markt- und wertorientiertes Pricing ein großer Wettbewerbsvorteil. Über Dynamic Value Pricing können Preise dynamisch, effizient und wertorientiert bestimmt und erfolgreich im Markt durchgesetzt werden.

Für Unternehmen in der Spezialchemie schafft es die Möglichkeit, schwankende Nachfrage und Rohstoffkosten, makroökonomische Faktoren, aber auch segment- und kundenspezifische Zahlungsbereitschaften dynamisch abzubilden.
Nicht nur geopolitische Herausforderungen, sondern auch der zunehmende Fokus auf Nachhaltigkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette setzen die Chemieunternehmen unter Druck. Dies führt zu schwankenden bzw. steigenden Produktionskosten und erhöht den Innovationsdruck auf die Unternehmen. Insbesondere die Forderung nach nachhaltigeren Produkten sollte jedoch auch als Chance begriffen werden: Eine wachsende Zahl von (End-)Kunden ist laut der Global Sustain­ability Study 2021 von Simon-Kucher & Partners bereit, für nachhaltige Produkte einen Aufpreis zu bezahlen.

In diesem Zusammenhang ist es von entscheidender Bedeutung, dass es Unternehmen gelingt, die geschaffenen Mehrwerte und die resultierenden höheren Kosten systematisch in markt- und wertorientierte Preise zu übersetzen. Im Vergleich zu anderen Branchen kommt in der Chemieindustrie die hohe Volatilität auf den Rohstoffmärkten erschwerend hinzu. Um den Anforderungen auch im Pricing erfolgreich zu begegnen und die Profitabilität zu verbessern, hat sich Dynamic Value Pricing bewährt.

Unternehmen in der Spezialchemie stehen aus vielfältigen Gründen unter hohem Margendruck.“


Vom Cost Plus Pricing zum Dynamic Value Pricing

Die derzeit in der Spezialchemie verbreiteten Preismodelle basieren meist auf Cost-Plus-Ansätzen und verwenden in der Regel undifferenzierte Auf- und Abschläge. Zahlungsbereitschaften am Markt können so nicht differenziert abgeschöpft werden. Auch Veränderungen auf Zuliefer- und Absatzmärkten, Kostenschwankungen oder unvorhersehbare Ereignisse (z.B. Force Majeure, Kapazitätsengpässe beim Wettbewerb etc.) können in den meisten Systemen nicht effizient für Preisentscheidungen berücksichtigt werden. 

Dynamic Value Pricing hingegen passt sich dynamisch an die jeweilige Marktsituation an und stellt eine wertorientierte Preisfindung sicher. Die Vorteile sind insbesondere:

  • eine direkte Übersetzung der Unternehmens- und Vertriebsstrategie in konkrete Preise
  • eine dynamische Steuerung der Preise in unsicheren Zeiten
  • eine effiziente Weitergabe von Rohstoffpreissteigerungen zur Margensicherung
  • eine optimale Ausschöpfung der Zahlungsbereitschaften in unterschiedlichen Markt- und Kundensegmenten sowie angemessene Bepreisung von Mehrwerten und Value Added Services 
  • schnelles und einfaches Con­trolling der Preisdurchsetzung

Die Umsetzung des Dynamic Value Pricing erfolgt in der Praxis meist über die Entwicklung eines Zielpreisrechners. Auf dem Weg vom Cost Plus Pricing zum Dynamic Value Pricing kann als Zwischenschritt ein Peer Pricing implementiert werden. Die größte Verbesserung ergibt sich, wenn beide Logiken zu einem integrierten Ansatz zusammengeführt werden.

Peer Pricing – von innen heraus besser werden

Beim Peer Pricing werden Aufträge der Vergangenheit genutzt, um einen Referenzpreis für aktuelle Anfragen zu bestimmen. Die Identifikation vergleichbarer Aufträge (Peer Pricing Cluster) erfolgt anhand relevanter Kriterien wie z. B. Produkt, Land und Absatzmenge. Zusätzlich erfolgt eine mathematische Korrektur der historischen Preise auf Grundlage der veränderten Kostenbasis. Die Preispunkte innerhalb eines Clusters dienen dann als Referenz für die Festlegung des Angebotspreises und können je nach Strategie und aktueller Marktlage nach oben oder unten justiert werden.

Vorteil des Peer Pricing ist die hohe Akzeptanz und Motivationswirkung innerhalb des Vertriebsteams, da bereits erfolgreich durchgesetzte Preise der Vergangenheit als Referenz dienen. Die Grenzen der Logik liegen darin, dass historische Fehlstellungen nicht korrigiert werden und für neue, innovative Produkte keine Referenzpreise vorliegen.

„Dynamic Value Pricing stellt eine wertorientierte Preisfindung sicher.“


Zielpreisrechner – aktiv und strategisch steuern

Hier kommt der Zielpreisrechner ins Spiel. Dieser bietet die größten Gestaltungsmöglichkeiten im Pricing. Es können individuelle Logiken mit allen relevanten Preistreibern dargestellt und die Vertriebsstrategie direkt in produkt- und kundenindividuelle Verkaufspreise übersetzt werden. Auch lassen sich Mehrwerte wie höhere Effizienz, verminderte CO2-Emmission oder Value Added Services in den Preisen abbilden. Zusätzlich können dynamische Faktoren wie die allgemeine Nachfragesituation, Inflation, spezifische Kostenindizes oder Kapazitäten der Wettbewerber in der Preisgestaltung berücksichtigt werden. 

Vorteile des Zielpreisrechners sind die große Flexibilität, die Möglichkeit zur strategischen Steuerung des Pricings und der wertorientierten Bepreisung innovativer Produkte. Allerdings sind die Konzeption und die Kalibrierung des Preissystems komplexer als beim Peer Pricing.

Dynamic Value Pricing in der Praxis

Die Erfahrung zeigt, dass die größten Verbesserungen im Pricing in der Spezialchemie erzielt werden, wenn Peer Pricing und Zielpreisrechner kombiniert werden. Das Peer Pricing sichert Akzeptanz und Preisdurchsetzbarkeit, und über den Zielpreisrechner werden Marktdynamik, Strategie, Mehrwerte und auftragsspezifische Faktoren abgebildet.

Auch bei der Preisfindung für innovative und nachhaltige Produkte entfaltet die Kombination der beiden Ansätze ihr volles Potenzial. Aktuell zeigt sich, dass einige Kunden eine signifikant höhere Zahlungsbereitschaft für nachhaltige Produkte haben, während andere nicht bereit sind, ein Preis-Premium zu zahlen. Um dies zu berücksichtigen und dennoch Preiskonsistenz sicherzustellen, sollten nachhaltige von konventionellen Produkten abgegrenzt und entsprechend bepreist werden. Der Mehrwert des nachhaltigen Produkts muss hier präzise quantifiziert werden (z. B. über CO2-Einsparung, Rezyklatanteil, Entsorgungskosten etc.). Der auf Basis von Prozessanalysen und Economic-Value-Added-Methoden ermittelte Mehrwert wird im Zielpreisrechner für die Preisdifferenzierung zwischen „grauen“ und „grünen“ Produkten genutzt.

Technische Implementierung

Der erste Schritt zur erfolgreichen Implementierung ist die Umsetzung der Pricing-Logik in einem Excel-Prototypen. So können Umsetzbarkeit und Preisqualität überprüft und flexibel nachgesteuert werden. Darüber hinaus ist ein gut aufgesetztes Pricing Tool in Excel für die IT-Implementierung erfahrungsgemäß hilfreicher als jedes Lastenheft. Mittelfristig sollte für die Sicherstellung von Prozesssicherheit und Preis-Controlling das Dynamic Value Pricing in einer Pricing-Software oder im CPQ-Modul des CRM-Systems implementiert werden.

Erfolgreiche Preisdurchsetzung mit Value Selling

Neben der markt- und wertorientierten Preissetzung ist die Preisdurchsetzung am Markt von hoher Bedeutung. Durch die systematische Identifikation und Quantifizierung von Mehrwerten legt das Dynamic Value Pricing hierfür eine wichtige Basis. Dieser positive Effekt kann noch verstärkt werden, wenn dem Vertrieb individuell auf das Unternehmen, die Mehrwerte der Produkte und die aktuelle Marktlage zugeschnittene Value-Selling-Materialien zur Verfügung gestellt werden. So helfen bspw. Nutzenkalkulatoren dem Vertrieb, die monetären Vorteile für den Kunden zu quantifizieren und die höheren Preise durchzusetzen.

Handlungsempfehlung

Unternehmen in der Spezialchemie stehen aus vielfältigen Gründen unter hohem Margendruck und müssen sich mit einer Vielzahl neuer Herausforderungen auseinandersetzen. Für die Sicherung der Profitabilität ist es unerlässlich, die bestehenden Cost-Plus-Logiken weiterzuentwickeln, um der zunehmenden Dynamik und Heterogenität der Märkte effizient zu begegnen. Hier hat sich Dynamic Value Pricing bewährt, das modular über Peer Pricing und Zielpreisrechner mit unterschiedlichen Aufwänden und Profitabilitätspotenzialen implementiert werden kann und entscheidend für die erfolgreiche Preisdurchsetzung von nachhaltigen, aber auch konventionellen Produkten ist.

Steffen Kampmann, Partner, und Tim Güth, Senior Consultant, Prof. Roll & Pastuch – Management Consultants, Osnabrück

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