Anlagenbau & Prozesstechnik

Erfolg und Nachhaltigkeit

Sensorik, Analytik und Digitalisierung sind Basis der Prozessautomatisierung

18.05.2015 -

Matthias Altendorf, seit Anfang 2014 CEO von Endress+Hauser, hat seinen ersten Geschäftsbericht vorgelegt, der - schon fast traditionsgemäß für das Unternehmen -  die Fortsetzung einer großen Erfolgsstory ist. CHEManager sprach mit Matthias Altendorf über Gründe und Hintergründe. Das Gespräch führte Dr. Volker Oestreich.

CHEManager: Herr Altendorf, seit über einem Jahr leiten Sie jetzt die Geschicke von Endress + Hauser als erster CEO, der nicht aus der Gründerfamilie stammt. Wie haben Sie das Jahr erlebt?

Matthias Altendorf: Es war ein anspruchsvolles Jahr für mich, verbunden mit viel Neuem. Ich habe viele Menschen kennengelernt - Kunden, Mitarbeiter, Partner. Zuhören, verstehen, die richtigen Schlüsse ziehen, lernen - das war wesentlich in diesem ersten Jahr. Und es war, das dürfen Sie mir glauben, kein einfaches Jahr, auch wenn wir uns gut geschlagen haben, allen unberechenbaren äußeren Einflüssen zum Trotz, die wir so nicht in unseren Budgets eingeplant hatten.

Welche dieser Einflüsse haben Ihr Unternehmen besonders getroffen?

M. Altendorf: Als die Pläne gemacht worden sind für 2014, haben wir nichts gewusst von der Krise in der Ukraine, vom Aufflammen des Palästinakonflikts oder vom Vormarsch einer Terrormiliz namens Islamischer Staat. Wir haben nichts gewusst von den Spannungen im Südchinesischen Meer, vom Ausbruch einer Ebola-Epidemie oder vom rapiden Verfall des Ölpreises. Wenn wir das alles in Betracht ziehen, dürfen wir zufrieden sein, selbst wenn wir nicht alle unsere Ziele erreicht haben.

Wie drückt sich Ihre Zufriedenheit in Zahlen aus?

M. Altendorf: Unser Nettoumsatz ist im vergangenen Jahr um 11 Prozent auf 2 Milliarden Euro gestiegen. Für uns war 2014 das fünfte gute Jahr in Folge, in dem wir uns bei Umsatz, Gewinn und Beschäftigung verbessern konnten. Der Umsatz der Firmengruppe hat sich in nur acht Jahren mehr als verdoppelt, und das trotz des Krisenjahrs 2009, in dem unser Geschäft um 10 Prozent eingebrochen war. 2006 hatten wir knapp unter 1 Milliarde Euro umgesetzt. Damals haben wir noch fast zwei Drittel dieses Umsatzes in Europa gemacht. Im vergangenen Jahr ist der Umsatz außerhalb Europas auf über 50 Prozent gestiegen. Dieser Blick zurück macht deutlich, wie stark sich unsere Welt in den vergangenen Jahren verändert hat.

Wie begegnen Sie diesen Herausforderungen und wie wollen Sie weiterhin erfolgreich sein in dieser veränderten Welt?

M. Altendorf: Wir versuchen, die Entwicklung von Endress+Hauser weiterhin langfristig in gute Bahnen zu lenken. Als Familienunternehmen, das nicht in Quartalsberichten sondern in Generationen denkt, bringen wir dafür sicherlich gute Voraussetzungen mit. Die Familie Endress bekennt sich in ihrer Charta zu langfristigem Denken und Handeln. Das geht einher mit wirtschaftlicher Solidität, einem schonenden Umgang mit Ressourcen und ausgeprägtem Verantwortungsbewusstsein. Darin spiegelt sich unsere tiefe Überzeugung, dass nachhaltiger Erfolg viel zu tun hat mit nachhaltigem unternehmerischem Handeln. Viele Prinzipien des nachhaltigen Wirtschaftens sind tief verankert in unserer Firmenkultur. Doch die soziale und ökologische Dimension der Nachhaltigkeit sind ebenso wichtig. Wir müssen Nutzen schaffen für unsere Kunden; nur dann kaufen sie bei uns ein, immer wieder. Aber wir müssen auch Nutzen schaffen für die Gesellschaft; nur dann finden wir als Unternehmen auf Dauer den nötigen Rückhalt.

Mit dem Begriff „Nachhaltigkeit" schmücken sich viele Unternehmen gerne. Können Sie dazu konkreter werden?

M. Altendorf: Wir legen dieses Jahr erstmals mit unserem Geschäftsbericht einen Nachhaltigkeitsbericht vor. Damit wollen wir Entwicklungen sichtbar und vor allem auch messbar machen. Denn aus der Prozessautomatisierung wissen wir: Nur was man misst, kann man auch steuern. Der Bericht soll uns helfen, auch unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit besser zu werden. Wir wollen sozusagen an den richtigen Schrauben drehen können.

Wir verstehen bei Endress+Hauser Nachhaltigkeit als ganzheitliches Konzept mit einer ökonomischen, sozialen und ökologischen Dimension. Wir versuchen, unsere Position durch entsprechende Indikatoren zu bestimmen. Die Zahlen, die wir vorlegen, sind noch nicht in allen Bereichen so vollständig und durchgängig, wie wir uns dies wünschen. Dennoch ist es uns wichtig, diesen ersten Schritt zu tun. Wir sehen darin auch eine Selbstverpflichtung: Wir zeigen nach innen, im Unternehmen, und außen, gegenüber unseren Kunden und der Öffentlichkeit, wie wichtig uns das Thema ist.

Wie passen Nachhaltigkeit und Erfolg in der sich verändernden Welt zusammen?

M. Altendorf: Die Werte und Überzeugungen, für die wir stehen, werden weltweit geschätzt. Und sie zeigen sich im Vertrauen und in der Treue unserer Kunden. Wir wachsen überproportional in Amerika, Asien, Afrika und Nahost. Dies wird auch im Ausbau unseres internationalen Netzwerks für Vertrieb und Produktion sichtbar mit neuen Sales Centern - zum Beispiel in den Vereinigten Arabischen Emiraten und in Algerien. Gerade der Nahe Osten hat sich für uns zu einer wichtigen Wachstumsregion entwickelt.

Sichtbar wird das weltweite Wachstum in unseren Gebäuden, die unsere Philosophie mit transportieren. Wir legen Wert auf Energieeffizienz, egal, wo wir bauen. Viel Geld haben wir in unsere Produktion investiert. Im japanischen Yamanashi haben wir vergangenes Jahr eine unterirdische Messstrecke eingeweiht. Auf der Anlage können mechanische Tankstandmessgeräte kalibriert werden für den Einsatz in den großen Tanks der Prozessindustrie. So genau, dass sie auf 40 Meter erkennen, ob am Boden eine Visitenkarte liegt oder nicht.

Aber auch unsere Wurzeln im Dreiländereck stärken wir: Am deutschen Standort Maulburg haben wir ein neues Gebäude für den Bereich Forschung und Entwicklung bezogen. Das größte Ausbauvorhaben läuft derzeit in Reinach, hier in der Schweiz. Wir bauen für fast 70 Millionen Euro Endress+Hauser Flowtec aus, unser Product Center für Durchflussmesstechnik.

Also alles Innovationen in Ihre klassischen Themenfelder der Messtechnik?

M. Altendorf: Nein, durchaus nicht. Modernisiert und gestärkt haben wir auch den Standort unseres IT-Dienstleisters Endress+Hauser InfoServe im deutschen Freiburg im Breisgau. Die Digitalisierung verändert unsere Welt rasant - auch die Welt der Prozessautomatisierung. Wir halten die eigene Kompetenz in der Informatik für alle Geschäftsprozesse für einen unverzichtbaren Wettbewerbsvorteil. Die reale und die digitale Welt wachsen zusehends zusammen. Deshalb haben wir die Oberfläche zu Markt und Kunden nicht nur physisch vergrößert, sondern auch virtuell. Wir haben unseren Internet-Auftritt völlig neu aufgestellt, so dass auch unsere kleineren Vertriebsgesellschaften eine starke Online-Präsenz zeigen können. Ein neues globales Web-Portal erleichtert zudem die Bestellung einfacher Produkte über das Internet.

Vor einem Jahr haben Sie die Analyse-Strategie von Endress+Hauser vorgestellt. Wie hat sich dieses Themenfeld entwickelt?

M. Altendorf: Richtig, wir haben unsere Kompetenz in der Prozessanalyse gestärkt und auf die Laboranalyse ausgeweitet. Dass sich 2014 die Analyse besser entwickelt hat als alle anderen Arbeitsgebiete, bestätigt unsere Strategie. Diese Entwicklung spiegelt das Bedürfnis unserer Kunden, im laufenden Prozess nicht nur Zustände und Quantitäten zu messen, sondern direkt die Produkteigenschaften und die Qualität zu bestimmen.

Getragen wird diese Strategie von Endress+Hauser Conducta, seit bald 40 Jahren unser Kompetenzzentrum für Flüssigkeitsanalyse, sowie von drei Unternehmen, die wir in den vergangenen Jahren akquiriert haben: Schon 2012 haben wir SpectraSensors gekauft. Das US-Unternehmen ist spezialisiert auf moderne Lasertechnologie zur Gasanalyse. Kaiser Optical Systems ist Ende 2013 dazugekommen, ebenfalls eine Firma in den USA. Sie ist führend auf dem Gebiet der Raman-Spektroskopie. Damit lassen sich Materialeigenschaften von Gasen, Flüssigkeiten und Feststoffen in Prozess und Labor bestimmen. Und Ende 2013 haben wir die Aktienmehrheit an Analytik Jena erworben. Die deutsche Firmengruppe rüstet Labore mit analytischen Instrumenten und bioanalytischen Systemen aus. Inzwischen halten wir mehr als 92 Prozent der Anteile an Analytik Jena.

Wir haben begonnen, die neuen Analyse-Firmen besser untereinander und mit der Endress+Hauser Gruppe zu vernetzen. Das geschieht durch enge Zusammenarbeit in Forschung und Entwicklung sowie im Vertrieb.

Werden Sie weiter in die Analysetechnik investieren?

M. Altendorf: Ja, und dabei denken wir durchaus über die heutigen Grenzen hinaus. Zu Jahresbeginn hat der Schweizer Sensorhersteller Innovative Sensor Technology IST, der seit 2005 zu unserer Firmengruppe gehört, die Firma Jobst Technologies übernommen. Das kleine Unternehmen mit Sitz in Freiburg im Breisgau ist auf Biosensoren spezialisiert, die etwa den Blutzucker messen können. Aber auch in anderen Bereichen setzen wir auf innovative Technologien. In Reinach haben wir zum Jahreswechsel TrueDyne Sensors gegründet. Wir wollen mit diesem Start-up das Geschäft mit Durchfluss-Sensoren in Mikrosystem-Technik vorantreiben. Erstes Produkt ist ein Dichtemessgerät auf Grundlage eines Mikro-Coriolis-Durchflussmessgeräts, mit einem Messrohr, das nur wenig dicker ist als ein menschliches Haar. Sowohl mit Jobst als auch mit TrueDyne erweitern wir unsere Kompetenz im Bereich der Primärsensorik.

Geben Sie uns zum Schluss noch einen Ausblick auf die kommenden Monate und natürlich auch die Achema?

M. Altendorf: Wir wollen noch weit kommen mit Endress+Hauser. Das wird im laufenden Jahr - und vermutlich auch darüber hinaus - nicht einfach werden. Das Jahr hat durch die Aufgabe der Wechselkurs-Untergrenze des Schweizer Franken zum Euro für uns gleich mit einem Paukenschlag begonnen. Der Ölpreis-Verfall sorgt für mindestens ebenso viel Dynamik. Dazu kommen viele Fragezeichen: Wie geht es weiter in der Ukraine und mit Russland? Wie entwickelt sich die Situation in Nordafrika und dem Nahen Osten? Was passiert im Südchinesischen Meer? Bleibt Griechenland in der Währungsunion? Wie wirkt die Flutung der europäischen Finanzmärkte mit Liquidität? Was geschieht nach dem Ende der lockeren Geldpolitik in den USA? Welche Folgen hat die Verlangsamung des Wachstums in China? Das alles sind große Fragen. Und jede einzelne davon hat das Potenzial, alle Wirtschaftsprognosen auf den Kopf zu stellen.

Wir müssen in einem solchen Umfeld zwangsläufig weiterhin mit Unsicherheit leben. Denn wir können als Unternehmen alle diese Fragen nicht beantworten. Aber wir können etwas dafür tun, damit wir aus jeder Situation das Beste machen. Und unseren Kunden in diesen unsicheren Zeiten ein verlässlicher Partner sein. Das wollen wir auch auf der Achema zeigen, die für uns dieses Jahr die wichtigste Messe ist und die die Internationalisierung unserer Branche bestens widerspiegelt.

Wir wollen in Frankfurt zeigen, wie Kunden mit unserer Unterstützung ihre Anlagen wirtschaftlicher und sicherer planen, bauen, betreiben und instandhalten können. Vor-Ort-Kalibrierung, einheitliche Geräte-Konzepte und der standardisierte Datenaustausch über alle Lebenszyklen einer Anlage sind Themen, die wir ansprechen, ebenso unsere neue Heartbeat Technology. Sie ist durch permanente Selbstüberwachung vom Sensor bis zum Ausgangssignal wie geschaffen für den Einsatz in den SIL-Schutzeinrichtungen von Chemie und Life Sciences.