Forschung & Innovation

Gaslecks automatisiert sichtbar machen

Remote Monitoring von Grandperspective als intelligenter Ansatz, Risiken aus Leckagen zu minimieren

23.02.2022 - Die von Grandperspective entwickelte Scanfeld-Lösung ist das erste Frühwarnsystem für das flächendeckende Emission Monitoring von einzelnen Prozessanlagen bis hin zu ganzen Chemieparks.

Vor allem Unternehmen der Chemieindustrie produzieren, lagern und verarbeiten große Mengen gefährlicher Gase. Sie benötigen ein verlässliches System für die Erkennung von Gasleckagen, um fatale Folgen zu vermeiden. An diesem Punkt kommt Grandperspective ins Spiel. Mit der Scanfeld-Lösung ermöglicht das Berliner Start-up Unternehmen, ganze Chemieparks zu überwachen, um frühzeitig Gasaustritte jeder Art zu erkennen und zu lokalisieren. René Braun, CEO und einer der drei Gründer von Grandperspective, erläutert die Idee und die Technologie hinter der Lösung.

CHEManager: Herr Braun, wie entstand die Idee zur Firmengründung, was war der Gründungsgedanke von Grandperspective?

René Braun: Remote Monitoring für die Chemieindustrie praxistauglich zu machen ist ein Traum seit meinen Tagen als Forscher. Und es macht einfach so viel Sinn. Denn die Chemieindustrie benötigt ein Werkzeug, das automatisiert, eigenständig und sehr spezifisch die Überwachung von Anlagen bis hin zur Alarmierung bei Gasaustritten leisten kann. Diese Dinge zusammenzubringen – die technischen Grundlagen, unsere Erfahrungen in der Messtechnik und der Bedarf an einer automatisierten Lösung – war 2018 der Gründungsgedanke von Grandperspective. Uns ging es vor allem darum, eine leistungsfähige, aber komplexe Messtechnik für die Anwender in einfacher Art und Weise nutzbar zu machen.

Wie kann man Ihr Produkt Scanfeld in wenigen Sätzen erklären?

R. Braun: Scanfeld ist ein automatisches Frühwarnsystem für kritische Gasaustritte. Es dient der Überwachung von umfangreichen Anlagen mit vielen potenziellen Freisetzungspunkten wie Flanschen, Kompressoren, Reaktoren, Ventilen et cetera. Dabei werden alle Emissionen einer Anlage automatisch erfasst und kartiert. Ähnlich einem Posten auf einem Wachturm identifizieren die Sensoren durch den Einsatz optischer Messtechnik Gasmoleküle in der Luft, analysieren die chemische Zusammensetzung und bestimmen so Ort und Konzentration der Gaswolke.

Was ist der konkrete Nutzen für die Anwender?

R. Braun: Als Echtzeit-Frühwarnsystem verkürzt es die Reaktionszeiten bei Gasaustritten und stellt ein vollständiges Lagebild zur Verfügung. Damit wird die Sicherheit der Standorte und deren Umgebung signifikant erhöht. Weiterhin ermöglicht die Langzeitanalyse der Messdaten auch kleinste Undichtigkeiten aufzuspüren und Wartungsabläufe zu optimieren. Damit können Kunden ihre Anlagensicherheit fortlaufend und nachweisbar verbessern. Die permanente Überwachung durch viele einzelne stationäre Sensoren oder regelmäßige Prüfung durch portable Sensorik ist häufig kostenintensiver und weniger präzise.

Da Scanfeld große Areale mit Produktions- und Lagerstätten rund um die Uhr auf Gasemissionen überwacht, erreichen wir eine hohe Effizienz bei der Überwachung, was für die Anwender deutliche Kosteneinsparungen generiert. Darüber hinaus wird Scanfeld in naher Zukunft für jeden Kunden spezielle On-demand-Emissionsberichte generieren, die auch gegenüber Behörden verwendet werden können und in das Reporting der Erreichung der UN-Nachhaltigkeitsziele einfließen können.

Wie differenzieren Sie sich von Wettbewerbern?

R. Braun: Einen direkten Wettbewerber mit vergleichbarer Technologie gibt es noch nicht. Es gibt allerdings herkömmliche Methoden wie stationäre Sensoren oder Kameras, deren Nachteile wir mit Scanfeld überwinden. Unsere Systeme sind schneller als andere Lösungen und decken große Areale ab. Aufgrund der chemischen Analyse mit FTIR-Spektroskopie ist unsere Lösung sehr empfindlich, wenig störanfällig und hochpräzise. Herkömmliche Sensoren hingegen können nur alarmieren, wenn sie in die Gaswolke eintauchen. Bei ungünstigem Wind werden Probleme daher zu spät erkannt. Scanfeld bietet hier den besseren Überblick.

 

„Unsere Systeme sind schneller als
andere Lösungen und decken große Areale ab.“

Zudem sind Kamerasysteme generell weniger empfindlich als FTIR-Sensoren und auch wenig spezifisch. Wir können dagegen die Frage, welches Gas präsent ist, leicht beantworten. Die dauerhafte Anlagenüberwachung erleichtert auch das Auffinden technischer Leckagen, die sonst erst bei Routineüberprüfungen auffallen.

Wer sind Ihre aktuellen Kunden und wo liegen zukünftige Anwendungsfelder?

R. Braun: Prinzipiell sind an unseren Lösungen die Betreiber von Anlagen interessiert, die prozessbedingt größere Mengen gefährlicher Gase oder Dämpfe freisetzen könnten. Einen Schwerpunkt bilden zurzeit Chemieanlagen im Bereich der Ammoniakproduktion und -verarbeitung und dort auch zunehmend neue Anwendungen zur Energiespeicherung oder als Treibstoff – Stichwort „Green Ammonia“.
Aber auch viele andere Bereiche der Chemieindustrie und Petrochemie können von unseren Lösungen profitieren. Das Anwendungsspektrum ist sehr breit gefächert und reicht von Methan zu komplexen und zyklischen sowie halogenierten Kohlenwasserstoffen, Säuren, Lösungsmitteln, Butadien, Schwefeldioxid oder Ethanol.

Gibt es noch andere Märkte für die Technologie?

R. Braun: Ja, wir werden das System auch an Pipeline-Betreiber z.B. zur Überwachung von Kompressorstationen anbieten. Die Verringerung von Methan-Emissionen ist ein strategisches Ziel der Europäischen Union welches unter anderem strengere Anforderungen an den Transport und die Lagerung von Erdgas stellt. Andere Einsatzgebiete sind Häfen, Tanklager oder auch Kraftwerke. Überall wo Gasaustritte eine potenzielle Gefahr darstellen, kann Scanfeld zum Einsatz kommen. Zudem sehen wir ein erhöhtes Interesse im Bereich der Versicherer, die die Risiken durch Gasaustritte besser verstehen und bewerten wollen.

Das Interview mit René Braun führte Michael Reubold.

Zur Person

René Braun ist einer der drei Gründer von Grandperspective und CEO des Start-ups. Der Ingenieur und Experte für Fernerkundung und FTIR-Spektroskopie hat an der Technischen Universität Hamburg studiert und über sechs Jahre als Entwickler und Wissenschaftler für Bruker Optik u. a. an der Entwicklung der Ferndetektionssysteme für die Analytischen Taskforces des Bundes, ATF, mitgearbeitet. Aus der Erfahrung im Einsatz und in der engen Zusammenarbeit mit Anwendern ist das Design für die Scanfeld-Frühwarnlösung entstanden.

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Lampe   Business Idea

Früherkennung von Leckagen

Leckagen von giftigen oder brennbaren Gasen stellen Gefahren für Menschen, Infrastruktur und Umwelt dar. Informationen über die Art und Menge des freigesetzten Gases, den Ort und die Ausbreitungsrichtung der Gaswolke sind für das Management der Gefahrenabwehr unerlässlich und müssen sicher und spezifisch sein. Emissionsdaten sind aber auch für die Wartung von Prozessanlagen elementar und werden aus regulatorischer Sicht immer bedeutsamer, wie die jüngsten Diskussionen der EU zu künftigen Emissionsrichtlinien zeigen. 69 % aller signifikanten Gasleckagen werden von herkömmlichen Sensoren aber nicht erkannt.

Abbildende Infrarotspektroskopie macht es möglich, Gaswolken aus Entfernungen von bis zu 4 km chemisch zu identifizieren und die Gasansammlung abzubilden. Ganze Anlagen können mit wenigen Messeinheiten vollständig überwacht werden. Als Labortechnik zur chemischen Analyse ist die FTIR-Spektroskopie etabliert. Grandperspective hat eine Lösung entwickelt, die diese Technologie zur Fernüberwachung in der Industrie einsetzt.

Scanfeld ist das erste Frühwarnsystem für das flächendeckende Emission Monitoring von einzelnen Prozessanlagen bis hin zu ganzen Chemieparks. Die Sensoren identifizieren, lokalisieren und quantifizieren auf Basis der FTIR-Spektroskopie mehr als 400 verschiedene Chemikalien in bis zu 1 km Entfernung. Die intelligente Scanfeld-Software ist in der Lage, diese Daten auszuwerten und für die verschiedensten Fragestellungen nutzbar zu machen.

Typische Anwendungsszenarien

  • Frühwarnung vor gefährlichen Gasaustritten
  • 3D-Lokalisierung und Verfolgung von Gaswolken
  • Langzeitstudien zur Erkennung technischer Leckagen
  • Optimierung von Wartungsabläufen zur Dichtheitsprüfung
  • Emission Reporting

Vorteile und Nutzen für die Anwender

  • Wetter- und tageslichtunabhängige Funktion
  • Hohe Sensitivität
  • Spektroskopische, sichere Identifikation von Gasen
  • Geringe Anfälligkeit für Fehlalarmierung
  • Anbindung an Prozessleitsysteme, automatisiertes Reporting
  • Monitoring-as-a-Service-Konzept

 

Grandperspective GmbH, Kleinmachnow

Grandperspective_Logo

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FahrstuhlElevator Pitch

Meilensteine und Ziele

Grandperspective wurde 2018 von René Braun, Peter Maas und ­Alexander Herrmann gegründet. Das Gründerteam verfügt über mehr als 25 Jahre Erfahrung in Aufbau und Anwendung von Remote-­Sensing-Systemen sowie umfangreiche Gründungs- und Managementerfahrung. Heute zählt das Team ca. 20 Beschäftigte. Die Gründer wurden in der Frühphase durch verschiedene Business Angels unterstützt. Darüber hinaus wurde das Team in den ersten drei Jahren von der Investitionsbank Berlin gefördert. Seit 2020 sind verschiedene Venture-Capital-Investoren (High-Tech Gründerfonds, Brandenburg Kapital, Kineo Finance) mit an Bord, um das Unternehmenswachstum zu beschleunigen.

Meilensteine

2019

  • Proof of Concept
  • Kunden: 0
  • Teamstärke: 3
  • Technology Demonstrator

2020

  • Finanzierungsrunde: 9 Mio. EUR
  • Kunden: 1
  • Teamstärke: 12
  • Product Release: Scanfeld CHEM Profiler (Identifikation und Alarmierung)
  • Erste Erfahrungen im Einsatz des Scanfeld-Systems im industriellen Umfeld
  • Ein Beispiel ist unsere Installation bei OCI Nitrogen in den Niederlanden zur Überwachung eines Melamin-Harnstoff-Komplexes.

2021

  • Kunden: 7 (auch internatinal)
  • Teamstärke: 20
  • Product Release: Scanfeld CHEM Tracker (3D-Rekonstruktion und Verfolgung)
  • Anwendungserfahrungen in verschiedenen Bereichen der Chemieindustrie sowie Öl und Gas
  • Einsatz bei den Aufräumarbeiten nach der Explosion bei Currenta in Leverkusen

Roadmap

Mission: weltweiter Sicherheitsstandard. Das Ziel von Grandperspective ist es, das System mittelfristig als weltweiten Sicherheitsstandard für die Chemieindustrie zu etablieren – als sog. Best Available Technology (BAT). Internationale Expansion: In 2022 werden die ersten Systeme außerhalb von Europa installiert. Ein großes Projekt für die Zukunft wird die Erschließung des chinesischen Markts, welcher ein enormes Potenzial, aber auch viele Herausforderungen bietet.

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Kontakt

Grandperspective GmbH

Albert-Einstein-Ring 7
14532 Kleinmachnow
Deutschland