Forschung & Innovation

Grünes Erdgas ersetzt fossile Energieträger

Microbify nutzt Mikroorganismen, um in Erdgasspeichern durch Biomethanisierung regeneratives Gas zu produzieren

09.11.2021 - Das Regenburger Start-up Microbify will künftig Erdgasspeicher recyclen und sie als riesengroße, unterirdische Bioreaktoren nutzen, um darin grünes Erdgas zu erzeugen.

Fossile Energieträger sind endlich und problembehaftet. Daher will das Regensburger Start-up Microbify künftig Erdgasspeicher recyclen und sie als riesengroße, unterirdische Bioreaktoren nutzen, um darin grünes Erdgas zu erzeugen. Die Ausgründung aus der Universität Regensburg arbeitet schwerpunktmäßig am Einsatz von Mikroorganismen zur Produktion regenerativer Energieträger, vor allem im Bereich biologischer Power-to-Gas-Anwendungen. Das Team macht sich methanproduzierende Mikroorganismen zunutze, die natürlicherweise in Erdgasspeichern vorkommen und für die Methanproduktion lediglich Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid benötigen. CO2 wird so aus der Umwelt entnommen, vorübergehend chemisch gespeichert und anschließend klimaneutral wieder in den Kreislauf zurückgeführt. Das Methan kann anschließend direkt in das bestehende Erdgasnetz eingespeist werden. Das Mitbegründungs- und Geschäftsführungsteam von Microbify, Georg Schmid und Linda Dengler, erläutern ihr Konzept.

CHEManager: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Start-up zu gründen, welches mit Mikroben die Gaswirtschaft revolutioniert?

Linda Dengler: Wir wissen seit langem, dass die Expertise, die wir am Lehrstuhl für Mikrobiologie und Archaeenzentrum der Universität Regensburg haben, eine große wissenschaftliche Schatzkammer ist und dass unsere Mikroorganismen eine Schlüsselrolle bei der Energiewende spielen können. Unsere Kapazitäten an der Universität waren jedoch begrenzt und so mussten wir wiederholt Anfragen aus der Energiebranche zu spannenden Projekten schweren Herzens ablehnen. Die Firmengründung war für uns der ideale Weg, um unsere Schatzkammer zu öffnen und einen sinnvollen Beitrag zur Energiewende zu leisten. Da wir zwar mit kleinen Organismen arbeiten, ansonsten aber eher groß denken, wollen wir unsere Expertise so einsetzen, dass wir den größtmöglichen Impact erzielen.

Ist den Betreibern von Erdgasspeichern bewusst, dass ihren Speichern eine nachhaltige Zukunft bevorsteht?

Georg Schmid: Nein, vielen Speicherbetreibern ist gar nicht bewusst, dass in ihren Erdgasspeichern Mikroorganismen leben, geschweige denn, dass sie mit diesen Mikroben zukünftig Geld verdienen können. Wir leisten hier in gewisser Weise also auch Aufklärungsarbeit und haben diesbezüglich bereits sehr viel positives Feedback erhalten. Die Branche ist eng vernetzt, so dass wir hoffentlich bald viele deutsche Speicherbetreiber mit unserer Message erreichen werden. Anschließend werden wir uns dem europäischen Markt zuwenden.

 

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Muss ein Erdgasspeicher bereits leer oder stillgelegt sein, damit eine Biomethanisierung stattfinden kann?

L. Dengler: Nein. Methanogene Archaeen können über viele Jahre ohne Futter überleben und erwachen aus ihrem Schlaf, sobald ihnen wieder Nährstoffe zugeführt werden. Dem Speicher können im laufenden Betrieb Wasserstoff und CO2 zugeführt und nach einer kurzen Umwandlungsperiode das wertvolle Methan­gas wieder entnommen werden.

Was passiert, wenn keine Methanproduzierer im Speicher vorkommen?

L. Dengler: Aufbauend auf den Arbeiten unseres Mentors Professor Karl Stetter wurde am Lehrstuhl für Mikrobiologie eine Bakterienbank angelegt, die über 260 Methanproduzenten enthält. Ist ein Speicher also nicht besiedelt, können wir diese Organismen gezielt auf ihre Eignung prüfen und sie gegebenenfalls einsetzen.

Wie sehen Sie das Thema Wasserstoff in diesem Kontext? Könnte man die Erdgasspeicher nicht besser als Wasserstoffspeicher nutzen?

G. Schmid: Wasserstoff als Energieträger wird zukünftig eine sehr wichtige Rolle spielen. Durch die Umwandlung von grünem Wasserstoff in Methan erzeugen wir regeneratives Gas, für das wir bereits eine voll ausgebaute Infrastruktur haben. Die Speicherung von Wasserstoff in Erdgasspeichern sehe ich jedoch kritisch. Denn Wasserstoff ist nicht nur für uns ein guter Energieträger, sondern auch für viele Mikroorganismen. Diese können im schlimmsten Fall korrosive Gase, wie etwa Schwefelwasserstoff, bilden. Daher würde ich jedem empfehlen, seinen Speicher genauestens mikrobiologisch untersuchen zu lassen, bevor er Wasserstoff einleitet. Auch solche Speicheranalysen bieten wir an.

ZUR PERSON

Georg Schmid hat an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg promoviert, dabei Archaeen im Großmaßstab kultiviert und sie molekularbiologisch und biochemisch untersucht. Er hat an der TU München bereits eine EXIST-geförderte Ausgründung begleitet und verfügt zusätzlich über eine betriebswirtschaftliche Ausbildung. Bei Microbify ist er als Geschäftsführer für den wirtschaftlichen und administrativen Bereich sowie die Kundenakquise zuständig.

Linda Dengler hat an der Universität Regensburg Biologie studiert und dort neue Methanogene aus Costa Rica isoliert und untersucht. Neben ihrer internationalen Erfahrung durch mehrere Forschungsaufenthalte in Costa Rica bringt sie bereits Erfahrungen als Freelancerin und im Projektmanagement mit. Sie hat die Gründung mitinitiiert und ist als Geschäftsführerin für biologisch-technische Fragestellung, Projektmanagement und Kundenbetreuung verantwortlich.

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Analytik von anaeroben Mikroben

Mikroorganismen sind überall zu finden – auch an den ungewöhnlichsten Orten und unter extremsten Bedingungen, wie z.B. in sauerstofffreien Umgebungen. Solche sauerstofffreien Umgebungen, die für uns Menschen einen extremen Lebensraum darstellen, werden von besonderen Mikroorganismen bevölkert, den anaeroben Mikroben. Die Expertise von Microbify liegt in mikrobiologischen Analysen, mit einem besonderen Schwerpunkt auf solchen anaeroben Mikroben, wie sie häufig in Erdgasspeichern und der angeschlossenen Infrastruktur auftreten.

Einige dieser Mikroorganismen können die Gasqualität positiv wie negativ beeinflussen. Die methanogenen Archaeen (kleine einzellige Mikroorganismen, Mi­kroben) wandeln Restgase im Erdgas in Methan um und wirken sich damit günstig auf die Gasqualität aus. Andere Mikroben bilden aggressive Stoffe, die zu Schäden an der Speicherinfrastruktur führen können – u. a. durch Korrosion. Es ist zu erwarten, dass diese Probleme in den nächsten Jahren deutlich zunehmen, wenn im Zuge der „Nationalen Wasserstoffstrategie“ verstärkt Wasserstoff in die bestehende Infrastruktur eingeleitet wird. Da es in Deutschland derzeit kein Unternehmen gibt, das die entsprechenden Mikroorganismen zuverlässig isolieren, charakterisieren und züchten kann, besetzt Microbify hier eine immer größer werdende Marktnische.

Das Leistungsportfolio des jungen Start-ups umfasst u.a. folgende Punkte:

  • Anaerobe, sterile Probenahme
  • Entwicklung von Spezialbehältern zur sterilen und anaeroben Probenahme
  • Probenahme auch bei Drücken über 150 bar

Analytik

  • Mikrobielle Analyse anaerober Systeme
  • Physiologisch relevante physikalisch-chemische Analysen
  • Nachweis und Behebung von biologischer Korrosion

Kultivierung und Methanogenese

  • Kultivierung und Zucht anaerober Mikroben
  • Labor- und Fermentationsmaßstab (bis 300 Liter)
  • Stabilisierung und Optimierung der Wachstumsbedingungen für Mikroorganismen in Biomethanisierungsanlagen
  • Beratung und Begleitung bei der Implementierung von Methanogeneseprozessen

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Grünes Erdgas aus der Tiefe

Microbify ist eine seit April 2021 bestehende Ausgründung des Lehrstuhls für Mikrobiologie und Archaeenzentrum der Universität Regensburg.

Das interdisziplinäre Team entwickelt biologisch-technische Lösungen für mikrobiologische Untersuchungen an Erdgasspeichern und anderen anaeroben Systemen. Mit Hilfe methanbildender Mikro­organismen plant Microbify, Erdgasspeicher als Bioreaktoren zu nutzen, um darin grünes Erdgas zu produzieren.

Hierfür entwickelt das Start-up individuelle Probenahmestrategien und Analysemethoden für komplexe Fragestellungen in anaeroben Systemen.

Das Unternehmen finanziert sich bereits im Gründungsjahr durch die erzielten Umsätze und hat keine Gründungsförderung in Anspruch genommen.

Meilensteine 2021

  • April: Gründung Microbify GmbH
  • Mai: Start des ersten großen Kundenauftrags
  • Juni: 3. Platz im PlanB-Gründerwettbewerb, Straubing
  • Juni: „Bioökonomie findet Stadt“  – Bauzaunbanner wird in neun deutschen Städten gezeigt
  • Juli: Innovationsgutschein von Bayern. Innovativ zur „Entwicklung eines Probenahmebehälters für mikrobiologische Analy­sen an Erdgasspeichern“
  • August: WIPANO Patentförderung des BMWi
  • Oktober: Top 7 beim Bio-Gründer-­Wettbewerb, Dortmund/Bönen
  • November: Verleihung des Hochschulgründerpreises der Universität Regensburg

Roadmap

2022

  • Erfolgreicher Abschluss des ersten großen Projekts
  • Patentierung der Probenahmeverfahren
  • Zertifizierung DIN ISO 9001
  • F&E im Bereich MIC (micro­bially induced corrosion) und im Bereich Wasserstoff­speicher

2023

  • Personalerweiterung & Umzug in eigene Laborräume
  • Start des ersten kommerziellen Untergrundmethanisierungsprojekts
  • Weiterentwicklung der Probenahmeverfahren
  • Weitere F&E im Bereich MIC (microbially induced corrosion) und im Bereich Wasserstoffspeicher
  • Erstes Wasserstoffprojekt

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Kontakt

Microbify GmbH

Am BioPark 13
93053 Regensburg
Deutschland

+49 941 46 39 46-20