Standorte & Services

Industrie mit Zukunft?

Verband für Anlagentechnik und Industrie­service kämpft für verlässliche Rahmenbedingungen in der Wirtschaftspolitik

16.09.2020 - VAIS-Kolumne: Wirtschaftspolitik hat die Aufgabe, verlässliche Rahmenbedingungen für Investitionen sicherzustellen.

"Bananenrepublik, wir nähern uns mehr und mehr Zuständen einer Bananenrepublik!", so schleuderte mir jüngst ein Kollege seinen Unmut entgegen. Naja, entgegnete ich, das ist ja wohl doch etwas danebengegriffen. Denn selbst wenn natürlich immer wieder mal Anlass zur Kritik besteht (aber eben auch geäußert werden kann!), bei uns herrschen Recht und Gesetz, der Staat und seine Institutionen regieren und reagieren nach den Regeln einer demokratischen Gesetzgebung, auf die man sich auch in schwierigen Zeiten wie aktuell der Corona Pandemie immer verlassen kann. Das schafft Vertrauen und Investitionssicherheit, sichert Arbeitsplätze und wahrt den sozialen Frieden. Das sind schließlich wichtige Standortvorteile in und für Deutschland.

Damit hatte ich aber Öl ins Feuer gegossen. „Ach ja ?“ kam es postwendend zurück. „Schon mal über die Zuverlässigkeit der Gesetzgebung bei der Anwendung des KWK-Gesetzes in Verbindung mit dem Kohleausstiegsgesetz nachgedacht? Da werden im Rahmen der Energiewende gesetzlich verankerte Förderregelungen für die Modernisierung und den Neubau effizienter Energieanlagen mit Kraft-Wärme­kopplung geschaffen, die kurze Zeit später auf dem Altar des Koalitionsfriedens der GroKo so sehr beschnitten werden, dass sich die Investitionen nicht mehr rechnen.  Da möchte man doch in Anlehnung an den Satz eines berühmten italienischen Fußballlehrers ausrufen:  Was erlauben Altmaier?“

Da hatte er allerdings einen Punkt gemacht! Da wird vom Wirtschaftminister seit Monaten die Bedeutung der Investitionen in eine „Industrie mit Zukunft“ beschworen, die Standortbedingungen als eines von drei Handlungsfeldern zur Stärkung und Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands beschrieben und dann das. Nahezu durch die Hintertür werden Kürzungen der Förderlaufzeiten (3.500 Stunden) beschlossen. Damit wird die für alle Industrie­unternehmen wichtige kalkulatorische Basis der Wirtschaftlichkeit der bereits eingeleiteten, massiven Investitionen der Boden entzogen. Wie Hohn muss es einem vorkommen, dass seitens des Ministeriums dann noch argumentiert wird, die Fördersumme bleibe doch, nur die Rücklaufzeit verändere sich. Da möchte man doch einen Schnellkurs in BWL verordnen!

Mit dem Ausstieg aus Kohle und Kernkraft sind KWK-Anlagen aber zumindest für die Übergangszeit in eine gesicherte alternative Energieversorgung für den Indus­triestandort Deutschland essentiell. Was aber noch schwerer wiegt:  Das Vertrauen in die Nachhaltigkeit der Gesetzgebung ist erschüttert und so das Vertrauen in sichere Rahmenbedingungen für Investitionen am Industriestandort Deutschland beschädigt.  Soviel zu „wir haben den internationalen Standortwettbewerb fest im Blick“!

Leider gibt es weitere bedenkliche Entwicklungen zu beobachten. Da ist z. B. auch der Wirecard-Skandal, der das Vertrauen in die Kontroll- und Aufsichtsinstanzen erschüttert hat und die Reputation des Standorts Deutschland lädiert hat. Und das trotz erster Hinweise schon vor Jahren. Das kollektive Versagen von Wirtschaftsprüfung, BaFin und BMF erinnert an den Immobilienjongleur Schneider: just think big!

Auch die unsäglichen Ereignisse u. a. beim Fleischproduzenten Tönnies werden von Teilen der Politik missbraucht, um ein wichtiges Instrument des deutschen Arbeitsmarktes zu desavourieren: den Werkvertrag. Dieser ist aber ein zentraler Baustein in der Industrielandschaft, insbesondere auch im Industrieservice. Unternehmen erbringen hier vielfältigste, komplexe Leistungen, wie in der Instandhaltung. Die inakzeptablen Zustände der Arbeits- und Lebensbedingungen von Beschäftigten in der Fleischindustrie haben ursächlich absolut nichts mit dem Kon­strukt und Sinn eines Werkvertrags zu tun. Die Ursache dieses Missbrauchs sind im Dumping und kriminellen Geschäftsgebaren zu suchen. Das muss gestoppt werden, das systemrelevante Geschäftsmodell aber gestärkt werden. Ein sektoriales Werksvertragsverbot, wie es durch das „Gesetz zur Verbesserung des Vollzugs des Arbeitsschutz“ verankert wird, darf nicht zu einem generellen Verbot von Werkverträgen oder Leiharbeit führen. Hierfür werden wir uns als VAIS verstärkt einsetzen.

Während die Politik in Strategien Ziele für mehr Zukunft der deutschen Industrie und ihrer Wettbewerbsfähigkeit formuliert, scheinen ihr indes die wechselseitigen Abhängigkeiten in der deutschen Industriestruktur nicht mehr klar zu sein. Es geht hier nicht nur um die Investoren von KWK-Anlagen oder die Missstände in der Fleischindus­trie. Vielmehr ist immer unmittelbar die gesamte Wertschöpfungskette betroffen und damit auch die Anlagentechnik und der Industrieservice.

Investitionen in Deutschland setzen verlässliche Rahmenbedingungen voraus. Diese sicher zu stellen, ist oberste Aufgabe einer erfolgreichen Wirtschaftspolitik. Ohne diese gibt es weniger Investitionen in die Primärindustrie. Die Folgen sind zwangsläufig weniger Arbeit für die technischen Dienstleister und weniger Innovationen. Zusammengefasst: Industrie mit weniger Zukunft.

Dieser Entwicklung werden wir als Verband nicht zusehen, sondern uns zur deutschen und europäischen Industriepolitik zu Wort melden. Als Anlagentechnik und Industrieservice, als personalintensiver Teil unserer industriellen Wertschöpfungskette. Für eine Industrie mit Zukunft!

Lothar Meier
stellv. Vorsitzender des Vorstands, Verband für Anlagentechnik und Industrie­service e.V. (VAIS), Düsseldorf

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