Logistik & Supply Chain

Kapazitätsengpässe in der Chemielogistik

Camelot Chemielogistik-Studie zeigt, wie sich Kapazitätsengpässe erfolgreich managen lassen

14.04.2021 - Die vergangenen Jahre waren von einer zunehmenden Verknappung der Transportkapazitäten im Straßenverkehr und bei anderen Transportmodi geprägt. 2018 und 2019 führten hitzebedingte Niedrigwasserstände zu einer Verlagerung vom Binnenschiff (Massengüter) auf die Straße bzw. Schiene.

Die Herausforderung „Fahrermangel“ ist, trotz eingeleiteter Ausbildungsinitiativen, nach wie vor ein maßgebender Engpassfaktor im europäischen Straßentransport. Covid-19 sorgte dafür, dass plötzlich ganze Zulieferregionen ausfielen. Der Seeverkehr brach zusammen und erfreut sich heute eines selten dagewesenen Ratenzuwachses – was zu höheren Transportkosten für die Verlader führt.

Kapazitätsengpässe wirken sich auf die Transport- und Betriebskosten ebenso negativ aus wie auf den Servicegrad gegenüber den Kunden. In ungünstiger Konstellation kann es gar zu einer Unterbrechung der Markt- oder Produktionsversorgung bis hin zum Bandstillstand kommen, wie das Beispiel der Automobilindus­trie jüngst zeigte. Die Lieferprobleme und die zusätzlichen Transportkosten innerhalb der Supply Chain sind der wesentliche Grund, warum sich Chemieunternehmen verstärkt mit dem Thema Kapazitätsengpässe beschäftigen sollten.

 

Aktuelle Studienergebnisse

Um den Unternehmen hierbei Hilfe­stellung zu bieten, haben die Chemie­logistik-Experten von Camelot Man­agement Consultants das Thema Kapazitätsengpässe in der Chemielogistik in einer aktuellen Studie genauer beleuchtet. Spannend ist in diesem Kontext die konkurrierende Zielsetzung der Beteiligten: Der Verlader möchte die Lieferfähigkeit zu angemessenen Kosten sicherstellen, während der Spediteur daran interessiert ist, seine Marge zu erhöhen und sein Kundenportfolio mit einem höheren Fokus auf Profitabilität zu bereinigen. Da aber beide Akteure letztendlich an einer stabilen Versorgung bzw. Umsätzen interessiert sind, ist es sinnvoll, bei zukünftigen Engpässen an einem Strang zu ziehen. Die Frage ist, inwieweit beide Seiten zueinander finden, um sich trotz gegensätzlicher Zielsysteme in der Zukunft besser zu stellen.

Für die Studie haben die Camelot-Experten Logistikspezialisten bei Verladern und Spediteuren primär mit Sitz in Europa befragt. Beide Seiten sind sich grundsätzlich einig, dass die Kapazitätsknappheit ein relevantes Thema ist, mit einer Tendenz zur Zunahme im Straßen- und Überseetransport. Die Studienteilnehmer – ein Drittel Verlader und zwei Drittel Spediteure – bestätigten, dass ihr Unternehmen in den Jahren 2018/2019 mit Transportkapazitätsengpässen zu kämpfen hatte. Interessant ist, dass die Spediteure mehr Kapazitätsprobleme auf der Straße verzeichneten, während Verlader von mehr Engpässen in der Luft- und Seefracht berichteten. Wie haben die Umfrageteilnehmer auf die Situation reagiert und sie bewältigt?

Die Verladerseite verfolgte den klassischen Sourcing-Ansatz, das Volumen auf mehrere Lieferanten aufzuteilen. Höhere Preise von den bestehenden Dienstleistern wurden akzeptiert, wodurch die vertraglich vereinbarte Preisgestaltung in diesem Zeitraum nach oben „gebogen“ wurde. Pennalen bei Nichtgestellung und fest vorgebuchte Volumina schienen damals wie heute in der Beschaffungsstrategie keine Rolle zu spielen. Dies könnte die Nicht-Akzeptanz solcher Regelungen in einem verkäufergesteuerten Markt widerspiegeln oder aber auch den volatilen Charakter des Geschäftes in dem ein oder anderen Industriezweig.

 

„Die Anpassung der Infra-, Prozess- und EDV-Struktur bedarf gegebenenfalls umfangreicher Investitionen.“

 

Als Reaktion darauf hat der Einkauf hier seine Flexibilität erhöht. Die jüngsten Strategien im Transporteinkauf treiben die Automatisierung in Bezug auf eingebundene Spotmarkttools in Transportmanage­mentsystemen (TMS) voran. Sobald ein Bestandsdienstleister einen Auftrag ablehnt, geht dieser automatisch an einen anderen vertraglich und konzeptionell vorgesehenen Lieferanten.
Die direkte Interaktion auf dem Spotmarkt war eine eher unübliche Option. Es stellt sich die Frage, ob das verwendete TMS keine Spotmarkt-Sourcing-Option vorsah oder die Verlader schlicht den Blick auf den Frachtmarkt verloren hatten. Meist wurde die Kapazitätsfrage mit den Spediteuren im Austausch für einen höheren Preis gelöst.

Die Spediteurseite hat während und als Folge der Engpasssituation die Zusammenarbeit mit Verladern und Subunternehmern bei der Transportplanung ausgeweitet bzw. vertieft. Zukünftige Transportbedarfe sollen auf diese Weise genauer prognostiziert werden, um Engpässe zu antizipieren und besser zu managen. Darüber hinaus bauen Speditionen die Nutzung von Echtzeitdaten und -positionen ihrer Infrastrukturpunkte aus, um die Kapazitäten im Lager und bei den Cross-Dock-Aktivitäten zu optimieren und zu erhöhen.

Bei der Transportplanung besteht allerdings noch Potenzial im Hinblick auf den Einsatz modernster Planungsmethoden wie etwa die Musteranalyse. Dabei werden Daten aus der Vergangenheit genutzt, um den am besten geeigneten Algorithmus für die Bedarfsprognose auszuwählen. Der Einsatz von Machine Learning zur Unterstützung der Planer ist eine ebenso wichtige zukünftige Optimierungsmöglichkeit.

Kapazitätsengpässe smarter managen

Basierend auf den Studienergebnissen haben die Camelot-Experten einen Lösungskatalog auf taktischer und operativer Ebene entwickelt, der sowohl Prozess- als auch IT-Aspekte berücksichtigt. Eine wesentliche Rolle spielt dabei die Überprüfung und Weiterentwicklung der Logistikstrategie, da eine Anpassung der Infra-, Prozess- und EDV-Struktur gegebenenfalls umfangreicher Investitionen bedarf.

Viele Verlader und Speditionen verwenden veraltete Software, mit der sich neue, intelligente Technologien nicht nutzen lassen. Als wichtige Maßnahme empfiehlt der Lösungskatalog daher, die Funktionalität des Transportmanagementsystems auszubauen oder es komplett neu aufzusetzen und zu vernetzen. Hierbei liegt ein Fokus auf dem verstärkten Einsatz von Data Analytics für eine verbesserte und KI-gestützte Transportplanung.

Um die horizontale und vertikale Integration sowie den kontinuierlichen Datenaustausch zwischen Verladern, Spediteuren und Frachtführern zu verbessern, sollte die Nutzung von Logistikplattformen priorisiert werden. Das erhöht die Transparenz und die Reaktionsgeschwindigkeit auf (unerwünschte) Ereignisse, um die Transporte flexibel und nachhaltig managen zu können. Auch bietet sich eine Flexibilisierung von Festverträgen versus Spotmarktanteilen (adaptives Sourc­ing-Modell) an. Das strategische Dienstleistermanagement muss an Statik verlieren und die Neugier des Einkäufers für neue Lösungen geweckt werden. Dazu sind insbesondere auch neu zu entwickelnde, bereichsübergreifende Zielsysteme in den Unternehmen nötig.

 

Um die Nachfrage mit dem Angebot an Transportkapazitäten abzustimmen, ist ein verbesserter und inhaltlich erweiterter Informationsaustausch zwischen allen Parteien in der Kette wichtig. Die Grundlage dieses neuen Transportplanungskonzepts sind zwei Prognosemodule: historische Sendungsdaten sowie eine Produktionsprognose basierend auf DDMRP (Demand Driven Material Requirements Planning/ Bedarfsgesteuerte Materialbedarfsplanung). Der Abgleich der Daten aus beiden Modulen ermöglicht einen realistischen Ausblick auf kommende Transportvolumina (Nachfrage) und potenzielle Engpässe bei der Transportkapazität (Angebot). Eine dynamische Vier-Wochen-Prognose mit einem „Cut-off-Korridor“ von zwei bis drei Tagen vor der Beladung ermöglicht ein angemessenes Man­agement von identifizierten Engpässen bei der Nachfrage und dem Angebot von Transportkapazität.

Verbesserungspotenziale und intelligente Optimierungskonzepte gibt es also genügend. Die Grundvoraussetzung ist jedoch, dass Verlader ebenso wie Spediteure ihr Transportmanagement auf den Prüfstand stellen, und das kontinuierlich.

Autor

„Der Einsatz von Machine Learning zur Planungsunterstützung ist eine wichtige Optimierungsmöglichkeit.“

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