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Markenpositionierung: Marken sind wie gute Freunde

Der Markengedanke erobert die B2B-Welt, starke Marken haben Wettbewerbsvorteile

17.11.2010 -

Bayer will die Traditionsmarke Schering einstellen, um sein Markenprofil zu schärfen. Die Reduzierung der Markenvielfalt soll die Dachmarke stärken. Die Pharmabranche lebt schon lange mit Marken für Arzneimittel, insbesondere bei OTC-Medikamenten. In der Chemieindustrie kommen Marken (Brands) zusehends in Mode. Immer mehr Industrieprodukte werden zu Markenprodukten aufgebaut, um über die Marken- auch die Kundenbindung zu erhöhen. Auch beim Ranking der 100 wertvollsten Marken der Welt, welches das Markenberatungsunternehmen Interbrand im September 2010 zum zehnten Mal veröffentlicht hat, fiel das gute Abschneiden der Technologiemarken auf. Dr. Sonja Andres befragte den Branding-Experten Dr. Jürgen Häusler, Chairman Central and Eastern Europe bei Interbrand, welche Markenaspekte und Marketingtrends künftig für Unternehmen der Chemie-, Pharma- und anderer Prozessindustrien wichtig sein werden.

CHEManager: Herr Dr. Häusler, was macht eine gute Marke aus?

Dr. J. Häusler: Eine klare Positionierung im Markt, die für Konsumenten attraktiv ist und sich deutlich unterscheidet von Wettbewerbern. Zudem muss die Marke ihre in der Positionierung enthaltenen Versprechen an allen Kontaktstellen des Kunden mit der Marke auch einhalten. Und das über einen sehr langen Zeitraum.

Was bedeuten Marken für die Positionierung eines Produkts im Markt?

Dr. J. Häusler: Marken positionieren Produkte erst. Sie sorgen dafür, dass man die Produkte überhaupt kennt. Sie erhöhen die Bereitschaft, „mehr" vom Produkt zu kaufen. Und sie verankern das Produkt so im Kopf des Konsumenten, dass er sich immer wieder dieses Produkt wünscht. Ein Produkt, das nicht zur Marke wird, hat in heutigen komplexen und meist internationalen Märkten keine Überlebenschance.

Im Pharmasektor und hier speziell bei OTC-Produkten haben sich „Produktmarken" längst etabliert. Nun erhalten auch Chemikalien oder Technologien immer öfter einen Markennamen. Kann jedes Produkt zu einer Marke werden?

Dr. J. Häusler: Natürlich kann jedes Produkt zu einer Marke werden. Beispielsweise auch Wasser. Oder eine Kunstfaser. Oder ein Computerchip. Ein Produkt sollte sogar immer dann zur Marke werden, wenn es sich gegen viele und starke Wettbewerber durchsetzen muss. Dann kann und muss die Marke den Käufer bei seiner „Qual der Wahl" unterstützen. Allerdings gibt es eine weitreichende Einschränkung: Der Aufbau einer Marke setzt Investitionen in die Markenentwicklung voraus. Nicht jedes Produkt rechtfertigt angesichts seiner potentiellen Verkaufszahlen diesen Aufwand. Daher ist es sinnvoll, den Hersteller „hinter" den Produkten zur Marke zu machen. Diese Marke kann dann zahlreiche attraktive Produkte anbieten. So macht ein einfaches vorangestelltes „i" inzwischen fast jedes technische Produkt zum Wunschtraum von Millionen Menschen.

Welche generellen Unterschiede in Bezug auf die Markenbildung bestehen zwischen verschreibungspflichtigen Medikamenten und OTC-Produkten?

Dr. J. Häusler: Der zentrale Unterschied besteht in den verschiedenen Käufergruppen und ihren unterschiedlichen Kriterien und Verhaltensmustern beim Entscheidungsprozess. Zugespitzt sind dies verschreibende nicht zahlende - Ärzte mit ausgebildetem Fachwissen im Unterschied zu zahlenden Patienten, die doch sehr den Herstellern vertrauen müssen, wenn es um die versprochenen Produktleistungen geht. Die Markenbildung muss und kann diese Unterschiede berücksichtigen.

Wie lässt sich der Wert einer Produktmarke ermitteln und welchen Wertzuwachs verleiht eine gut eingeführte Marke beispielsweise einem Industrieprodukt?

Dr. J. Häusler: Der generelle Prozess der Wertermittlung muss für uns folgende Fragen beantworten: Erstens, welche Umsatzerwartung wird mit dieser Marke verknüpft? Zweitens, wie hoch ist der Anteil dieses erwarteten Umsatzes, der sich auf die Marke zurückführen lässt, sich also beispielsweise nicht mit Produkteigenschaften oder Vertriebsaktivitäten allein erklären lässt. Drittens, wie stark ist die Marke oder wie hoch ist das Risiko, dass die Marke zukünftig ihre Wirkung nicht dauerhaft entfalten kann? Diese Fragen können und müssen jeweils empirisch ermittelt werden. Es gibt also keine generelle Zahl für den Wert einer Marke. Es ist aber klar, dass die Marke je nach Produkt und Branche zwischen 10 % und 90 % der Umsätze eines Unternehmens verantwortet, der Wert von Marken als Anteil am Wert des gesamten Unternehmens also mehrere Milliarden Euro erreichen kann.

Beim Kauf bzw. der Übernahme von Wettbewerbsunternehmen sind häufig eingeführte Marken Teil des Deals. In vielen Fällen kommt es einige Zeit später zu einer Markenkonsolidierung, die oftmals mit der Aufgabe traditionsreicher Marken verbunden ist. Unter welchen Voraussetzungen überwiegen hier die Vorteile der Dachmarkenstärkung eventuelle Nachteile wie z. B. ein Vertrauensverlust seitens der Patienten durch die Änderung des Medikamentennamens?

Dr. J. Häusler: Dies ist eine der spannenden und schwierigen markenstrategischen Fragen. Eine einfache Antwort verbietet sich angesichts der Komplexität der denkbaren Alternativen und der möglichen weitreichenden Konsequenzen einer solchen Entscheidung.

Wie aktiv ist die Chemie- bzw. Pharmabranche in puncto Markenfokussierung und Markenoptimierung?

Dr. J. Häusler: Wir beobachten eine größere Anzahl von Unternehmen in diesen Branchen, die den Weg gehen, ihr Markenportfolio strategisch neu so auszurichten, dass sie Effizienz- und Effektivitätsgewinne realisieren können.

Werden Technologie- und Industriemarken künftig einen ähnlichen Stellenwert erlangen wie Consumer Brands?

Dr. J. Häusler: Sicher kann gesagt werden, dass die Bedeutung von Marken als Erfolgsfaktor auch in diesen Wirtschaftssektoren wachsen wird.

Worauf führen Sie dies zurück?

Dr. J. Häusler: Technologieangebote werden für uns Konsumenten ständig unverständlicher und Produkt-unterschiede werden immer weniger klar. Worauf werden wir uns also beim Kauf mehr und mehr verlassen? Auf das jeweilige Markenversprechen!

Weshalb macht Branding auch im B2B-Sektor Sinn? Was suggeriert die Marke dem Kunden?

Dr. J. Häusler: Im B2B-Sektor sind die Konsumenten in erster Linie die Einkäufer. Auch sie können nicht alle Leistungsaspekte genau quantifizieren, z. B. wie sicher ist die versprochene Liefertreue? Und sie tragen dabei ein noch größeres Risiko, dass ihre Kaufentscheidungen kostspielige Konsequenzen haben werden. Auf wen oder was verlassen sie sich dann? Auf die Marke. Sprichwörtlich ist dieses Phänomen für den Einkauf von IT-Technologien beschrieben: „You can't go wrong if you have chosen IBM".

Welche Bedeutung hat eine gute Marke für ein Unternehmen in Krisenzeiten?

Dr. J. Häusler: Marken zeichnen sich wesentlich durch ihren langfristigen Charakter aus: Zeit ist nötig, um sie aufzubauen. Sie „funktionieren" dafür aber auch länger. Und bei starken Marken hält das aufgebaute Vertrauen auch einmaligen Herausforderungen stand. Es ist wie bei guten Freunden. Diese besondere Stärke verleiht Marken gerade in Krisenzeiten eine besondere Bedeutung.

 

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