Miebach Chemielogistik-Studie: Chemie-Supply-Chain aktiver gestalten
Chemielogistik-Studie identifiziert Verbesserungspotential in den Supply Chains
Genauso unterschiedlich sind die Supply Chains, die produzierende Unternehmen der chemischen Industrie anwenden. Dennoch gibt es Gemeinsamkeiten, die die Unternehmen antreiben. Lange Zeit fristete die Logistik ein „Schattendasein“ in der Unternehmensstrategie. In Zeiten von Globalisierung und zunehmendem Kostendruck rückt sie aber zunehmend in den Fokus. Dies sind gleichzeitig die wichtigsten Gründe für Unternehmen, sich mit Logistik und Supply Chain auseinanderzusetzen: Kostenoptimierung und Serviceverbesserung.
Im Rahmen der Miebach Chemielogistik-Studie 2016 wurden mehr als 450 Entscheider aus den Bereichen Logistik und Supply Chain kontaktiert. Mehr als 50 Teilnehmer bewerteten ihre aktuelle Situation und gaben einen Ausblick in ihre Zukunft. Zum ersten Mal gibt es auf dieser Grundlage eine Experteneinschätzung zu der Logistik der chemischen Industrie.
Beeinflusst die Logistikperformance die Unternehmensperformance?
Was für ein Versandhandelsunternehmen auf der Hand liegt, muss in der chemischen Industrie nicht zwangsläufig zutreffen. Dennoch legen die Antworten der Studienteilnehmer nahe, dass vermehrt ein Zusammenhang zwischen Logistik- und Unternehmensperformance erkannt wird. Zumindest die Selbsteinschätzung der befragten Unternehmen ergibt das Bild, dass Unternehmen mit einer guten Unternehmensperformance auch eine gute Logistikperformance aufweisen. Ein Grund mehr also, Logistik und Supply Chain stärker in den Fokus zu rücken und aktiver zu gestalten.
Dabei ist zu beachten, dass verschiedene Produkte verschiedene Supply Chains erfordern. Nirgends sonst gibt es so spezifische Herausforderungen wie in der Chemieindustrie: Bulk und Liquids sind neben Gefahrstoffen – oder im Transport Gefahrgütern – die kennzeichnenden Charakteristika für die Besonderheiten einer Wertschöpfungskette in der Chemie. Und diese erfordern individuelle Antworten. Bei spezialisierten produzierenden Unternehmen reicht das an Herausforderung bereits aus – gerade große Chemiekonzerne jedoch erreichen mit ihren unterschiedlichen Produkten schnell große Komplexität und müssen unterschiedliche Supply Chains unterhalten und spezifisch optimieren.
Von der Strategie zur Operational Excellence
Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen beschäftigen sich zurzeit stark mit Strategieprojekten, geben aber gleichzeitig an, dass diese zukünftig an Bedeutung verlieren und stattdessen Infrastruktur- und Operational-Excellence-Projekte wichtiger werden. Das deutet darauf hin, dass die Chemielogistik im Umbruch ist, man sortiert sich neu. Die Ergebnisse der neuen Strategieüberlegungen werden laut Einschätzung der Teilnehmer in naher Zukunft umgesetzt. Investitionen in die Infrastruktur scheinen unvermeidbar. Sowohl in der Produktion als auch in der Logistik gibt es viele gewachsene Strukturen, die nicht mehr dem Stand der Technik entsprechen und enormes Optimierungspotenzial bieten. In Verbindung mit Maßnahmen zur Operational Excellence offenbart sich eine Vielfalt an Möglichkeiten, die die Supply-Chain-Verantwortlichen in den nächsten Jahren beschäftigen werden.
Was für den Privatkunden heute schon selbstverständlich ist – Verfügbarkeit, next day delivery, Sendungsverfolgung u.a. – ist in der chemischen Industrie oftmals noch die Ausnahme –zugegebenermaßen aber auch nicht überall realistisch umsetzbar. Dennoch scheint die Erwartungshaltung der Kunden auch hier zu steigen: In aktuellen Strategieprojekten geht es um die Verbesserung des Services (s. Grafik 1). Dies steht allerdings konträr zur Zielsetzung der Kosteneinsparung. Durch Maßnahmen wie Distributionsnetzwerkoptimierung oder Supplier-Collaboration-Projekte könnte jedoch eine deutliche Verbesserung erreicht werden.
Der Trend deckt sich mit den Angaben zur Strategie - denn hier geben die Befragten an, dass sie sich aktuell mit dem Thema beschäftigen, aber zukünftig davon ausgehen, es gäbe weniger Handlungsbedarf. Demgegenüber bleibt die Kostensenkung fast unverändert wichtig. Ob jedoch die Maßnahmen, die nun getroffen werden sollen um die Serviceperformance zu verbessern, zum Ziel führen und der gebotene Service folglich ausreichend ist, bleibt abzuwarten.
Gerade bei der Operational Excellence zeigen sich die beiden großen Treiber Kostensenkung und Serviceverbesserung als ausschlaggebende Faktoren für notwendige Maßnahmen. Prozessreorganisation und -reengineering sind dabei die Antworten auf die Herausforderung. Ein Bereich zeigt eine signifikante Bedeutungssteigerung: der demographische Wandel. Heute noch wenig beachtet, scheint aber die Beschäftigung mit dieser Thematik in den nächsten Jahren wichtiger zu werden (s. Grafik 2). Gerade im Volumengeschäft der chemischen Industrie gibt es körperlich anstrengende Aufgaben. Bleibt zu hoffen, dass dies bereits heute im Zuge der Prozessoptimierung berücksichtigt wird, auch wenn die Befragten angeben, dass das Thema erst in den nächsten Jahren relevanter wird.
Erfolg erfordert Kapazitätserhöhung
Die chemische Industrie wächst: Neue Werke werden gebaut – egal ob in Asien oder USA. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass auch die Supply Chain von Kapazitätserhöhung getrieben wird. Noch vor der Motivation der Kostensenkung führt die Notwendigkeit der Kapazitätserhöhung zu Investitionen in der Logistikinfrastruktur. Aktuell und in den nächsten Jahren wird in verschiedenste Projekte investiert – von Hafenanlagen bis zum Tanklager. Doch auch mit der Neuorganisation vorhandener Infrastruktur, meist durch gewachsene Werksstrukturen, muss sich die Chemieindustrie befassen.
Ein großer Bedarf an Logistikoutsourcing zeichnet sich ab: Insbesondere Tätigkeiten, die stark personallastig sind, sollen zukünftig durch Dienstleister wahrgenommen werden. Im Transportbereich ist der Anteil naturgemäß schon sehr hoch, nun wird geprüft, ob auch andere Aufgaben fremdvergeben werden können. Interessant ist, dass die Quote der möglichen Aufgaben, die auch von Dritten wahrgenommen werden könnten, mit durchschnittlich knapp einem Drittel im Verhältnis zu anderen Industrien relativ niedrig ist. Allerdings dürften die Gründe hierfür die Sensibilität der Stoffe sowie die baulichen Gegebenheiten sein. Insbesondere vor dem Hintergrund des Handlings von Gefahrstoffen, den hohen (Sicherheits-) Anforderungen an Personal auf dem eigenen Werksgelände und den relativ komplexen Standards dürfte die Hemmschwelle zur Fremdvergabe entsprechender Aufgaben sehr hoch sein. Dennoch wird durchgängig davon ausgegangen, dass mehr logistikverbundene Aufgaben zukünftig (mehr) von Dienstleistern übernommen werden – von der Abfüllung bis zur Lagerbewirtschaftung.
Zusammengefasst: Die Chemielogistik gewinnt an Bedeutung. Viele, insbesondere strategische Projekte sind angestoßen und jetzt im Entstehen. Es zeichnen sich deutliche Veränderungen ab. Die Komplexität der Supply Chains erfordert individuelle Lösungen. Strategische Überlegungen werden aktuell angestellt, in den nächsten Jahren ist mit der Umsetzung der Ergebnisse zu rechnen. Kostenoptimierung und Serviceverbesserung sind die angestrebten Ziele.
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