Anlagenbau & Prozesstechnik

Modularisierung für mehr Flexibilität und Effizienz

Anforderungen an die Prozessorchestrierung modularer Produktionsanlagen

19.04.2023 - Die MTP-Technologie besitzt das Potenzial, das Paradoxon zwischen Flexibilität und Effizienz zu brechen - wenn das Zusammenspiel der Module funktioniert!

Seit 2010 werden Konzepte für die modulare Anlage entwickelt, die auf einer einheitlichen Beschreibung von Modulen, sog. PEA (Process Equipment Assembly) basieren. Während die einzelnen PEA autonom automatisiert sind, muss ihr Zusammenspiel in der Produktion „orchestriert“ werden.

Der NAMUR-Arbeitskreis „Prozess Orchestrierung“ hat in Zusammenarbeit mit dem ZVEI die Anforderungen an die Orchestrierung von PEA zusammengetragen und die Empfehlung NE 187 „Anforderungen an Prozessorchestrierung modularer Produktionsanlagen“ erarbeitet. Das Ziel der Richtlinie ist es, die Anforderungen an Systeme der Prozessführungsebene (POL, Process Orchestration Layer) zu beschreiben. Sie stellt den Anbietern von Automatisierungskomponenten die Betreiberanforderungen zusammen und erleichtert so deren Produktentwicklung. Den Anlagenbetreibern gibt sie einen Überblick über Funktionen der POL und zeigt Kriterien für die Produktbewertung auf.

Den ganzen Lebenszyklus im Blick

Bisher wurden Anlagen der Prozessindustrie individuell geplant und optimiert. Wenn dabei automatisierte Apparate, z.B. Package Units, zu integrieren waren, erfolgte das individuell durch Systemintegratoren. Seit 2010 wurden Konzepte erarbeitet, die eine einheitliche Beschreibung von Modulen ermöglichen. Wenn die einzelnen Module eigenständig automatisiert sind, muss ihr Zusammenspiel in der Produktion „orches­triert“ werden. Die Automatisierung modularer prozesstechnischer Anlagen erfolgt dementsprechend auf zwei Ebenen, nämlich auf der Ebene der modularen Prozesseinheit (Process Equipment Assembly, PEA), sowie auf der Ebene der Prozessorchestrierung (Process Orchestration Layer, POL).

Besondere Berücksichtigung in der NE 187 finden die Themen Prozessorchestrierung im Lebenszyklus einer modularen Anlage, Funktionale Anforderungen an die POL, Lebenszyklus und Verwaltung von PEA in der POL und Statusmodelle der POL. Michael Henter von SpiraTec, Leiter des NAMUR-Arbeitskreises, betont: „Die bisherigen Entwicklungen im Bereich der modularen Produktion konzentrieren sich auf die Realisierung und Implementierung von modularen Prozesseinheiten, den PEA. Die Orchestrierung von PEAs ist entscheidend für Funktion und Effizienz der modularen Produktion. Eine erste vertiefende Arbeit bezüglich der Anforderungen an Orchestrierung und die Ausführung des damit verbundenen Process Orchestration Layer – POL – ist nun mit der Richtline NE187 verfügbar. Zukünftige Orchestrierung Layer neuester Technologie finden sich in verteilten Systemen und neuen IT-Architekturen wieder. Sie leisten dann einen wesentlichen Beitrag zur Weiterentwicklung von heutigen Automatisierungssystemen hin zu IT / OT / Digital Manufacturing. Hier deutet sich ein Paradigmenwechsel an: Heutige Leitsysteme weisen in die Jahre gekommene monolithische Architekturen auf und stoßen dabei an ihre Grenzen.“

„Die Orchestrierung von PEAs ist entscheidend für Funktion und Effizienz der modularen Produktion.“

 

Herstellerunabhängige Standardisierung

Eine zentrale Funktion des POL ist das PEA-Management, wie in der Richtlinie NE187 beschrieben. „Wir erwarten, dass diese Funktion des Verwaltens von PEAs als modulare Funktion einer POL einen hohen Nutzen für zukünftige Umsetzungsprojekte leisten wird,“ betont Henter. Die Standardisierung auf PEA-Ebene ist durch die NAMUR / VDI / VDE 2658 gewährleistet. Eine herstellerunabhängige Standardisierung der POL ist jedoch aus Sicht der Anwender und Systemintegratoren ebenso notwendig wie die der PEA. Gerade wurde eine neue SIG (Special Interest Group) des GAMP DACH Forums gegründet, die sich mit den GxP Anforderungen an PEA und POL und deren praxisgerechte Projektierung, Qualifizierung und Validierung beschäftigt. Aus diesen Arbeiten ist ein wertvoller Beitrag für die zukünftige Umsetzung im Umfeld der regulierten Industrie zu erwarten. Die besonderen Anforderungen für das Pharma-Umfeld an POL und PEA werden auch in der NAMUR-Empfehlung 185 „Anforderungen an die Qualifizierung der PLT modularer Anlagen im GMP-Umfeld“ beschrieben.

Die POL-Funktionalität und dessen Standardisierung wird in der NAMUR durch den Arbeitskreis AK 2.12 ‚Process Orchestration Layer‘ und durch die Profibus Nutzerorganisation (PI, Profibus & Profinet International) vorangetrieben.

 

„Die MTP-Technologie besitzt das Potenzial, das Paradoxon zwischen Flexibilität und Effizienz zu brechen.“

 

Interoperabilität nachgewiesen

Mit Module Type Packages (MTP) können Automatisierungssysteme herstellerübergreifend modularisiert werden. Dadurch ist es möglich, die Flexibilität der Produktionsanlagen zu steigern. Auf der Hannover-Messe 2023 hat PI an einer Demo gezeigt, wie mittels MTP die Process Equipment Assemblies (PEA) innerhalb von Minuten in ein übergeordnetes Leit- oder SCADA-System des Process Orchestration Layers (POL) integriert werden können und so die Effizienz im Engineering deutlich erhöht wird.

Im Rahmen eines Plug-Fests war zuvor die herstellerübergreifende Interoperabilität der an der Demo beteiligten Geräte in verschiedenen Szenarien tiefgehend ausgetestet worden: Die Integration von sieben verschiedenen PEA-Automatisierungslösungen verschiedener Hersteller in vier verschiedene POL-Systeme wurde geprüft. Die Firmen ABB, Beckhoff, CopaData, Emerson, Festo, Phoenix Contact, Siemens, Wago und Yokogawa waren an der Live-Demo beteiligt.
„Die Testergebnisse direkt beim ersten Plug-Fest sind beeindruckend“, fasst Mathias Maurmaier von Siemens und Arbeitskreisleiter bei der Profibus Nutzerorganisation für das Thema MTP zusammen. „Meist war das MTP mit teilweise mehreren hundert Tags, Bedienbildern, Services und Operator Interactions innerhalb von wenigen Minuten importiert und die Kommunikation zwischen POL-System und PEA aufgebaut.“

Die MTP-Technologie besitzt das Potenzial, das Paradoxon zwischen Flexibilität und Effizienz zu brechen: Mit ihr können dedizierte und spezialisierte Module bei Bedarf einfach in das Produktions-Ökosystem eingebunden werden. Und das nicht nur in der Chemie- und Pharmaindustrie, sondern auch in der Fertigungsindustrie, der Lebensmittel- & Getränkeproduktion, im Schiffbau, bei Wasser & Abwasser oder in der prosperierenden Wasserstofftechnologie.

Autor: Volker Oestreich, CHEManager

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