Forschung & Innovation

Predictive Maintenance für Rohrnetze

PipePredict verhindert Rohrbrüche durch Analyse von Sensordaten mit digitalem Zwilling und Machine-Learning-Algorithmen

06.12.2022 - Das Darmstädter Start-up PipePredict hat ein Predictive Maintenance Tool zur Reduktion von Energie- und Medienverlusten in Rohrnetzen (Wasser, Fernwärme, Chemie) entwickelt.

Der Zustand unterirdischer oder schlecht zugänglicher Rohre ist schwer einzuschätzen. Leckagen bleiben lange unbemerkt und Rohrbrüche entstehen ohne Vorwarnungen. Das Darmstädter Start-up PipePredict hat ein Predictive Maintenance Tool zur Reduktion von Energie- und Medienverlusten in Rohrnetzen (Wasser, Fernwärme, Chemie) entwickelt. Dazu werden bestehende Sensordaten mit einem digitalen Zwilling und Machine-Learning-Algorithmen ausgewertet und dadurch Rohrbrüche verhindert. Das Start-up wurde 2020 gegründet und in diesem Jahr u.a. zu einem der drei Sieger des Achema-Gründerpreises gekürt. CHEManager befragte einen der Gründer, Christopher Dörner, zu ihrer Motivation und ihren Plänen.

CHEManager: PipePredict hat in relativ kurzer Zeit schon einige Preise für seine Lösung eingeheimst. Welche Erfahrungen haben Sie als Gründer bislang gemacht, wo fanden Sie Unterstützung?

Christopher Dörner: Die Gründungserfahrung ist bisher eine sehr intensive Zeit gewesen. Eine Unternehmensgründung ist ein sehr abwechslungsreicher Prozess, in dem man in einer kurzen Zeit ein weites Spektrum von Themen abdecken muss. Neben der Technologieentwicklung müssen die Kundenbedürfnisse präzise herausgearbeitet werden, der Vertrieb einer Lösung muss gelernt werden, und gleichzeitig müssen noch organisatorische Prozesse wie die Gründung einer Gesellschaft, juristische Aufgaben und Buchhaltungs- und Organisationsprozesse eingerichtet werden. Dass ein Gründerteam nicht von Anfang an alles in Perfektion beherrscht, ist völlig normal und daher sind die Unterstützung durch Mentoren und der Aufbau eines Netzwerks sehr hilfreich. Wir sind sehr dankbar für den gesamten Support den wir bisher unter anderem aus der Universität, von Förderprogrammen und Akzeleratoren sowie der Landes- und Bundesregierung und sogar aus Europa erhalten haben.

Welche Hürden und Herausforderungen haben Sie bislang gemeistert, welche liegen noch vor Ihnen?

C. Dörner: Die ersten Hürden in unserem Unternehmensaufbau waren natürlich die Entwicklung der Technologie und die Gewinnung von Partnern und Kunden, um den Nachweis der Lösung in der üblichen Umgebung der Kunden zu erbringen. Gleichzeitig sind Themen wie das Suchen nach geeigneten Mitarbeitern und die Sicherstellung der Finanzierung immer Themen, die einen begleiten. Wir sind jedoch auch sehr stolz darauf unser System für die Leckortung nicht nur in Wasser und Fernwärmenetzen sondern auch in Industrieparks im Einsatz zu haben. Als nächste Schritte stehen die Internationalisierung und die kontinuierliche Weiterentwicklung unserer Technologie und der Benutzerfreundlichkeit an.

Welche Vorteile bietet denn der Einsatz von digitalen Tools wie dem von PipePredict im Vergleich zu rein Hardware-basierten Verfahren?

C. Dörner: Eine digitale Lösung ermöglicht im Vergleich zu rein Hardware-basierten Verfahren eine dauerhafte Überwachung, ohne dabei Personal zu binden. Mithilfe einer digitalen Echtzeitüberwachung können Schäden im Rohrnetz direkt nach deren Entstehung erkannt und präzise lokalisiert werden. Hardwarebasierte Lösungen, die zusätzliches Personal für den Einsatz benötigen, ermitteln nur den Zustand der Rohrnetze zu einem einmaligen Zeitpunkt. Wenn sich danach etwas im Versorgungsnetz verändert, wird das erst bei dem nächsten Überprüfungsrhythmus erkannt. Verluste können sich somit über mehrere Wochen bis Monate akkumulieren, bis die Leckage erkannt wird. Darüber hinaus wird der Personalaufwand für das präzise Lokalisieren der bemerkten Leckage minimiert, da das digitale System diese unschöne und meist aufwändige Arbeit übernimmt.

Welches sind die nächsten Schritte zur Weiterentwicklung von PipePredict?

C. Dörner: Durch die Erhebung von Daten aus Rohrnetzen werden unsere Algorithmen kontinuierlich besser und erhöhen damit die Geschwindigkeit und Präzision der Leckortung. Neben der kontinuierlichen Verbesserung unserer bestehenden Lösung planen wir die Anwendung auf weitere Bereiche wie z.B. Wasserstoff-, Gas- und Ölpipelines. Außerdem ist unsere Vision, Versorgungsnetze weltweit zuverlässiger und nachhaltiger zu gestalten, da es in anderen Ländern Europas und auch weltweit zu großen Verlusten von 25 bis 50 % des transportierten Wassers kommt. Wir möchten dabei helfen, dieses globale Problem zu lösen und damit zukünftige Probleme wie Dürren und Wassermangel zu bekämpfen.

Erwarten Sie aufgrund der derzeitigen Energiekrise auch ein gesteigertes Interesse seitens Energieversorgern oder -dienstleistern?

C. Dörner: Die zuverlässige Versorgung von Energie ist in diesem Winter wichtiger denn je. Ein optimaler Betrieb in der Wärmeerzeugung und ein effizienter Vertrieb dieser Wärme durch Rohrnetze werden daher ein zentrales Thema sein. Auch die Bundesregierung hat den Mehrwert der nachhaltigen Methode für die Wärmeversorgung erkannt und stellt in den nächsten fünf Jahren 3 Mrd. EUR für die Transformation von Versorgungsnetzen zu „grünen Fernwärmenetzen“ zur Verfügung. Gefördert wird dabei eine nachhaltigere Erzeugung der Wärmeenergie beispielsweise durch Verbrennen von Biomasse und eben auch die Minimierung von Verlusten im Versorgungsnetz. Mit unserer nachrüstbaren Lösung für Haubenkanäle bieten wir eine einfache Plug-and-Play-Lösung an, um gealterte Rohrnetze einfach nachträglich zu digitalisieren und Verluste durch Leckagen minimieren zu können.

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Intakte Rohre, stabile Prozesse

Durch Leckagen und Brüche im Rohrnetz der Wasserversorger geht weltweit jährlich Trinkwasser im Wert von 173 Mrd. EUR verloren. Da die Rohre unter der Erde verlaufen, kann niemand den aktuellen Leckagestatus sehen, und Versorger wissen nicht, wann und wo es zu einem Rohrbruch kommen wird. Momentan sind viele Rohre daher eine Art „tickende Zeitbombe“ unter der Erde. Keiner weiß, wann und wo das nächste Rohr platzen wird.

PipePredict bietet ein Predictive-Maintenance-Tool für Rohrnetze an (Fernwärme, Wasserversorgung, Industrieparks für Chemie und Pharma), welches Leckagen präzise lokalisiert und Vorhersagen trifft, wann und wo es zu einem Rohrbruch kommen wird. Kunden profitieren von reduzierten Wasserverlusten und damit geringeren Kosten, einer verbesserten Planbarkeit von Reparaturen und Personal sowie einer erhöhten Ressourcen- und Energieeffizienz und damit Nachhaltigkeit.

Indem bestehende Sensordaten mit einem digitalen Zwilling und selbst entwickelten Machine-Learn­ing-Algorithmen analysiert werden, können Leckagen in einem sehr frühen Stadium erkannt und präzise lokalisiert werden. Das Predictive-Maintenance-Tool berechnet Kosten für die Reparatur einer Leckage und vergleicht diese mit den steigenden Kosten für den Wasserverlust. Damit ermittelt das Tool den exakten Zeitpunkt, ab wann eine Reparatur auch wirtschaftlich sinnvoll wird, und sorgt damit dafür, dass nur wirtschaftlich sinnvolle Reparaturen durchgeführt werden. Mithilfe der spezifischen Algorithmen kann PipePredict präzise Vorhersagen treffen, wann und wo ein Rohr platzen wird.
Zur Datenauswertung kombiniert PipePredict verschiedene Sensortypen von unterschiedlichen Herstellern. Damit wird eine Inte­gration bestehender Hardware (z.B. Sensorik) ermöglicht, wodurch die Investitionskosten sinken und Pilotprojekte schneller durchgeführt werden können.

Für die Auswertung der Sensor­daten und die Transformation in Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen zur optimierten Planung von Reparaturen erhebt Pipe­Predict eine monatliche Lizenzgebühr, welche nur einen Anteil des Gegenwerts der eingesparten Verluste ausmacht. Dadurch profitieren die Rohrnetzbetreiber nicht nur von einer zuverlässigen Versorgung, sondern auch von eingesparten Kosten.

 

 

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Meilensteine und Roadmap

Durch Leckagen und Rohrbrüche gehen in Deutschland jährlich mehr als 450 Mio. m3 frisches, aufbereitetes Trinkwasser verloren. Doch auch andere Rohrnetzbetreiber wie z. B. Fernwärmeversorger und die produzierende Industrie leiden unter schlechten Kenntnissen über Rohrzustände. PipePredict wurde 2020 von Valerie Fehst, Tri-Duc Nghiem und Christopher Dörner in Darmstadt mit der Vision einer zuverlässigen und nachhaltigen Versorgung von Flüssigkeiten, Gasen und Wärme­energie durch Rohrnetze gegründet.

Ausgehend von einem Projekt von Valerie Fehst mit einem Wasserversorger entstand eine Idee wie Leckagen frühzeitig und präzise gefunden werden können. Gemeinsam machte sich das Gründungsteam an die Arbeit, um eine Lösung zu entwickeln, die herkömmlichen Verfahren zur Rohrnetzüberwachung und Leckage­ortung überlegen ist.

Meilensteine:

2020

  • Gründung der PipePredict GmbH
  • Technologieentwicklung
  • Start erster Pilotprojekte in der Wasser- und Fernwärmeversorgung zum Nachweis der Technologie
  • Gewinn des 5-ht X-linker-Programms
  • Teamstärke: 4

2021

  • Auffinden von kleinen Leckagen im Kundennetz, bevor das bestehende Monitoringsystem diese detektieren konnte
  • Abschluss einer ersten Finanzierungsrunde mit Venture Capitals
  • Gewinn des Hessischen Gründerpreises 2021
  • Teamstärke: 6

2022

  • Installation der Lösung bei insgesamt 9 Kunden
  • Überwachung von mehr als 300 km Rohrnetz
  • Start erster Pilotprojekte in Chemieparks
  • Gewinn des Achema Gründerpreises 2022 und der Smart Country Convention
  • Finalist des Deutschen Nachhaltigkeitspreises 2022
  • Teamstärke: 9

Roadmap

  • Weiterentwicklung der Technologie zur Überwachung weiterer Rohrnetze wie z.B. Wasserstoff, Öl und Gas
  • Weitere Expansion in europäische (2022) und weltweite (2023) Wasser- und Fernwärmenetze

© PipePredict

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