Anlagenbau & Prozesstechnik

Transportinfrastruktur für Gas sicherstellen

Rösberg automatisiert eine Gasdruckregel- und Messanlage von Terranets BW mit moderner Prozessleittechnik

25.01.2023 - Der steigende Bedarf an Gastransportkapazität verpflichtet die deutschen Fernleitungsnetzbetreiber, ihr Netz bedarfsgerecht um- und auszubauen.

Die Aufgabe einer Gasdruckregel- und Messanlage (GDRMA) besteht darin, zwei Leitungsnetze unterschiedlicher oder gleicher Druckstufen miteinander zu verbinden. Zwischen beiden Leitungen sitzt ein Ventil, das je nach Bedarf geöffnet oder geschlossen wird, um Durchfluss und/oder Druck zu regeln.

Die Praxis stellt sich natürlich weitaus komplexer dar. Angefangen bei den Genehmigungsverfahren bis hin zur Koordination der verschiedenen Gewerke auf der Baustelle kann die Planungs- und Bauphase eines solchen Projekts mehrere Jahre umfassen. Dass sie Teil einer kritischen Infrastruktur ist und für den explosionsgefährdeten Bereich umfangreiche Sicherheitsvorgaben zu beachten sind, macht die Sache nicht leichter. Kommt zu all dem noch eine Pandemie hinzu, fordert das Projektbeteiligte weiter heraus. Mit der nötigen Flexibilität und hohem Engagement lässt sich ein solches Projekt dennoch nicht nur erfolgreich abschließen, sondern auch über das geforderte Maß hinaus innovativ gestalten. Die GDRMA der Terranets BW in Wiernsheim liefert dafür den Beweis.

Der unabhängige Transportnetzbetreiber für Gas stellt mit einem rund 2.700 km langen Leitungsnetz den diskriminierungsfreien Transport von Gas von Niedersachsen bis an den Bodensee sicher. Viele Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg und Hessen sowie Teile Bayerns und der Schweiz, Vorarlberg und das Fürstentum Liechtenstein sind heute an das Leitungsnetz des Netzbetreibers angebunden.

Versorgungssicherheit steigern

Dort, wo der Bedarf an Gastransportkapazität steigt, sind die deutschen Fernleitungsnetzbetreiber verpflichtet, ihr Netz bedarfsgerecht um- und auszubauen und so die notwendige Transportinfrastruktur zur Verfügung zu stellen. Die deutschlandweite Koordination des Ausbaubedarfs erfolgt im Netzentwicklungsplan Gas (NEP Gas). Dieser enthält alle Maßnahmen zur Optimierung, Verstärkung und zum bedarfsgerechten Ausbau des Netzes sowie zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit, die in den nächsten zehn Jahren für einen sicheren und zuverlässigen Netzbetrieb erforderlich sind. Die im NEP Gas aufgeführten Maßnahmen sind durch die Bundesnetzagentur geprüft und bestätigt. Sie sind nach § 15a EnWG verbindlich umzusetzen. Da der Bedarf an Gastransportkapazität in Baden-Württemberg stetig steigt, realisiert Terranets BW den bedarfsgerechten Ausbau seines Gastransportnetzes und wird in den nächsten zehn Jahren die Transport­infrastruktur um mehr als 275 km erweitern.

Der NEP Gas sieht für Baden-­Württemberg die Anbindung der Region Ludwigsburg/Enzkreis an die Ferngasleitung „Schwabenleitung“ vor. Durch die 28 km lange Neckar-Enztal-Leitung (NET) kann das Unternehmen die Versorgungssicherheit in Baden-Württemberg und insbesondere im Raum Ludwigsburg/Enzkreis im Gas- und Strombereich nachhaltig steigern und zwar auch zu Spitzenlastzeiten. Zudem wird die Verbindung an das westeuropäische Transportnetz über die Trans-Europa-Naturgas-Pipeline (TENP) durch die Anbindung an die Nordschwarzwaldleitung zusätzlich abgesichert und verbessert.

Zum Anschluss der neuen Leitung entstand in Wiernsheim eine GDRMA. Umgesetzt wurden die einzelnen Gewerke wie Hoch- und Tiefbau, Rohrleitungsbau, Anlagenbau sowie Elektro-Mess-Steuer-Regeltechnik (EMSR) von verschiedenen externen Dienstleistern. Rösberg erhielt für dieses Projekt den Zuschlag, die EMSR-Technik umzusetzen.

© Rösberg  Evelyn Landgraf, Rösberg Engineering

„Die Steuerungs- Software wurde an unserem Standort in Ludwigshafen entwickelt und dort per Simulation getestet.“

 

Zukunftsweisende Steuerungstechnik

Markus Schmidt, Projektleiter bei Rösberg Engineering, gibt einen Einblick in die Arbeit seines Teams: „Über mehrere parallele Schienen mit mehreren Ventilen lässt sich einerseits die geforderte Regelgüte und andererseits die notwendige Redundanz erreichen, um auch bei Pro­blemen mit einzelnen Ventilen sicher regeln zu können. Eines der Ventile wird im Wechsel immer auf Standby gehalten, als Back-up-Ventil. Gefordert war, dass an zentraler Stelle – im sogenannten Dispatching – alle Ventile aber wie ein einziges dargestellt werden, an dem die Vorwahl für Durchflüsse vorgenommen wird.“ Das entstandene System, das Gas aus zwei Fernleitungen an die Leitung für das Heilbronner Gaswerk weitergibt, arbeitet vollautomatisch. Es erlaubt aber auch manuelles Eingreifen durch das Dispatching sowie die manuelle Steuerung vor Ort. Außerdem muss die Anlage im Störungsfall unabhängig vom Prozessleitsystem (PLS) vor Ort von Hand bedient werden können. Dazu galt es, parallel eine komplette Handbedienebene mit entsprechenden Tastern, Schaltern, Signalleuchten usw. anzulegen.

In der Vergangenheit wurden solche Anlagen mit einer SPS und zugehörigem SCADA-System automatisiert. Im konkreten Fall war die Automatisierung ebenfalls so ausgeschrieben. Schmidt erklärt, warum Rösberg dem Auftraggeber zu einem anderen Weg geraten hat: „Das Gastransportunternehmen betreibt neben GDRM-Anlagen z.B. auch zwei Gasverdichterstationen in Baden-Württemberg. Letztere sind in der Regel bereits mit moderner Prozessleittechnik ausgestattet. Für kleinere Anlagen reicht zwar eine SPS als Steuerung mit SCADA zur Visualisierung aus. Allerdings sind die Anforderungen an die Anlagen in Bezug auf ihren Automatisierungsgrad und die Anzahl der Messstellen über die Jahre gewachsen. Daher waren wir bei diesem Projekt bei einer Größenordnung angekommen, die den Einsatz moderner Prozessleittechnik rechtfertig. Zudem profitiert Terranets BW langfristig von der Einheitlichkeit der Systeme.“

Standardisierung spart langfristig Kosten ...

Während bei der SPS mit SCADA-­System Steuerung und Visualisierung jeweils einzeln programmiert werden müssen, sind diese Funktionen in einem modernen PLS miteinander verzahnt. Im PLS werden einzelne Softwarebausteine hinsichtlich Steuerung und Anzeige konfiguriert und können dann immer wieder verwendet werden. Das bringt mehr Flexibilität, weil sich Funktionalitäten gerade auch für die Visualisierung nachträglich sehr einfach ergänzen lassen. Bernd Rastatter, Head of LCP E&I Engineering bei Rösberg: „Wir haben in dem Projekt sehr viel Zeit in die Entwicklung von Funktionsplänen und die funktionale Beschreibung von Standard-Softwarebausteinen investiert. Eine Bibliothek enthält nun eine Auswahl der wichtigsten Funktionsbausteine, die in künftigen Projekten wieder verwendet und für die jeweilige Anwendung konfiguriert werden können. Die Bausteine sind so angelegt, dass sie sich auch mit dem vollständig webbasierten Prozessleitsystem Simatic PCS neo von Siemens nutzen lassen, also zukunftssicher sind.“
Durch das Arbeiten mit Standard-Softwarebausteinen wird nicht nur die Entwicklung selbst erleichtert, weil man unabhängiger wird von der Programmierung, sondern auch die Optimierung und die Instandhaltung profitieren von vorgegebenen Softwarestrukturen. Das spart über verschiedene Projekte hinweg bei Planung, Bau und Inbetriebnahme sowie im laufenden Betrieb auf Dauer jede Menge Kosten. In Gasverdichterstationen und GDRMA mit derselben Steuerungstechnik zu arbeiten, bringt z.B. für die Instandhaltung Vorteile. Beim Umstieg auf ein neues System müssen aber auch immer die Endnutzer im Blick sein und die Frage, wie der neue Ansatz angenommen wird. Daher lag in der Entwicklung auch ein Schwerpunkt darauf, alle Benutzerschnittstellen möglichst intuitiv zu gestalten, damit sich auch Neulinge gerne darauf einlassen.

© Terranets BW  Fabian Marr, Terranets BW

„Der Umstieg auf ein Prozessleitsystem ist für uns ein wertvoller Schritt in Richtung Zukunftssicherheit.“

 

 

… auch bei der Simulation

Die Software für die Steuerungstechnik wurde am Rösberg-Standort in Ludwigshafen entwickelt und dort auch per Simulation getestet. Das hatte den Vorteil, dass die Zeiten für Funktionstests und Inbetriebnahme auf der Baustelle kurzgehalten werden konnten.

Generell sieht Rastatter hier weiteres Einsparpotenzial: „Mit Standardmodellen der Anlage, die man bei weiteren Projekten für die Simulation wieder verwendet, können langfristig Kosten eingespart werden. Auch Anlagenänderungen lassen sich so im Vorfeld testen. Natürlich ist das im ersten Schritt auch eine Investition, die sich aber bei wiederkehrenden Projekten schnell durch Zeit- und Kosteneinsparungen bei Funktionstests und der Inbetriebnahme auszahlt.“ Ein gut durchdachtes Modell lässt sich dann einfach an verschiedene Anwendungsfälle anpassen.

© Rösberg Bernd Rastatter, Head of LCP E&I Engineering, Rösberg Engineering

„Es ist sinnvoll, eine Standardisierung insbesondere im Bereich der funktionalen Planung und der Leitsystemsoftware durchzuführen.“

 

Projekt- und Gerätemanagement

Neben dem Know-how um das Prozessleitsystem war auch professionelles Projekt- und Gerätemanagement gefordert. Die Feld­instrumentierung musste geplant, dokumentiert, gebaut und in Betrieb genommen werden. Dazu gehörten alle benötigten Geräte und deren automatisierungstechnischer und elektrischer Anschluss inklusive Schaltschrankbau sowie die Einspeisung vom Energieversorgungsunternehmen, Erdung und Blitzschutz. Subsysteme wie eine Fernwirkanlage, unterbrechungsfreie Stromversorgung oder Batterieanlage waren ebenfalls Teil des Projekts.

Zur Strukturierung der Arbeiten und zur Verwaltung anfallender Dokumentation wurde das PLT-CAE-System ProDok eingesetzt, was sich positiv in der Qualität der erzeugten Dokumente niederschlug. Die Elektrodokumentation wurde mit Eplan P8 erstellt. Die komplette EMSR Anlagendokumentation ist in LiveDok, dem Rösberg-Tool für die digitale Anlagendokumentation, verfügbar.

Fabian Marr, bei Terranets BW verantwortlich für Planung und Bau von GDRMA, äußert sich zum Projekt: „Uns freut besonders, dass Rösberg uns über das Geforderte hinaus beraten hat und wir in diesem Projekt den Umstieg auf PCS7 wagen konnten. Das ist ein wertvoller Schritt in Richtung Zukunftssicherheit.“ Der Bau dieser GDRMA macht deutlich, wie Rösberg solche Projekte als Generalunternehmer zuverlässig umsetzt, vom EMSR-Engineering über die Konfiguration und Lieferung des Prozessleitsystems bis hin zur Ausführung sämtlicher Montagearbeiten vor Ort.

Autorin: Evelyn Landgraf, Marketing Manager, Rösberg Engineering, Karlsruhe

 

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