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Zukunft durch Arbeit, Industrie und Innovation

Neue Chemie-Tarifrunde am 20./21. April – Positionspapier der IGBCE

20.04.2010 -

Die Tarifverhandlungen für die rund 550.000 Beschäftigten der chemischen Industrie werden am 20. und 21. April fortgesetzt. Nach acht Verhandlungsrunden in den Regionen liegen die Positionen vor allem in der Einkommensfrage noch weit auseinander. Die Chemie-Arbeitgeber sehen keinen Spielraum für Erhöhungen, eine Nullrunde jedoch will die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) nicht hinnehmen. Mitte April veröffentlichte die IGBCE ein Positionspapier „Zukunft durch Arbeit, Industrie und Innovation". In der industriepolitischen Entschließung des Beirates der IG BCE, die wir nachfolgend vorstellen, wird eine differenzierte Diskussion von Chancen und Risiken und eine realistische Bewertung von ökonomischen, ökologischen und sozialen Entwicklungen gefordert.

Industriepolitische Entschließung des Beirates der IG BCE

Die Finanzkrise hat die tragende Rolle der Realwirtschaft für Wohlstand und Stabilität unseres Landes deutlich gemacht. Zugleich hat sie gezeigt, dass Mitbestimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gemeinsam mit Betriebsräten und Gewerkschaften erfolgreiches wirtschaftliches Handeln befördert. Denn nicht zuletzt durch den Einsatz von tarif- und arbeitsmarktpolitischen Instrumenten ist es gelungen, trotz teilweise dramatischer Auftragseinbrüche Entlassungen in großem Stil zu vermeiden und qualifizierte Belegschaften zu halten. Die deutsche Industrie hat deshalb gute Chancen mit der konjunkturellen Erholung an ihre positive Entwicklung vor der Krise anzuknüpfen.

Doch in der öffentlichen Wahrnehmung droht der Zusammenhang zwischen industrieller Produktion und modernen Produkten weitgehend verloren zu gehen. Mit Sorge beobachtet die IG BCE, dass die notwendige Akzeptanz industrieller Produktion sinkt. Die Bedeutung der Industrie für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Deutschlands wird vielfach verkannt. Diese Entwicklung muss umgekehrt werden. Sonst läuft Deutschland Gefahr, seine durch eine leistungsfähige industrielle Basis und qualifizierte Arbeitskräfte erreichten Wettbewerbsvorteile zu verlieren. Denn während Staaten wie China seit Jahrzehnten mit massiver politischer Unterstützung neue exportorientierte Industrien aufbauen, fehlt hierzulande eine klare industriepolitische Linie.

Industrie in Deutschland unverzichtbar

Der Anteil der Industrie an der gesamten Wertschöpfung in Deutschland ist mit über 21 Prozent doppelt so hoch wie in Frankreich, Großbritannien oder den Vereinigten Staaten. Rund 7 Millionen Menschen arbeiten hierzulande direkt in einem Industrieunternehmen; einschließlich der indirekt Beschäftigten hängt fast jeder dritte Arbeitsplatz von der Industrie ab. Nahezu 90 Prozent aller Aufwendungen für Forschung und Entwicklung entfallen auf die Industrie. Doch wesentlich für den Erfolg auf den Märkten ist das Zusammenspiel von kleinsten bis hin zu großen Unternehmen entlang der wichtigen Wertschöpfungsketten. Die deutsche Industrie ist mit ihren hohen Standards bei Technologie, Sicherheit und Umweltschutz, der erreichten Effizienz und den innovativen Produkten unverzichtbar für den Weg in eine nachhaltige Wirtschaft.

Eine Industrie kann nur dann wichtige Beiträge zu einer nachhaltigen Entwicklung leisten, wenn sie stark innovationsgetrieben ist. Forschung, Entwicklung, neue Technologien und neue Produkte brauchen daher eine breite gesellschaftliche Akzeptanz. Zum Beispiel sind die Potenziale von Bio- und Nanotechnologien für die Umwelt vielfach belegt. Sie müssen ebenso wie andere Technologien im Sinne der Nachhaltigkeit genutzt werden.

Chancen und Risiken sachlich bewerten

Es gilt: Vorhandene Risiken nicht verschweigen, aber Chancen auch nicht vernachlässigen. Die IG BCE erwartet eine differenzierte Diskussion von Chancen und Risiken und eine realistische Bewertung von ökonomischen, ökologischen und sozialen Entwicklungen. Irrationale Ängste und ideologischer Fundamentalismus helfen nicht weiter. Technologien und industrielle Produktion können nie völlig ohne Risiken sein.

Das gilt für traditionelle Industriezweige ebenso wie für regenerative Energien. Deshalb sind Unternehmen, Politik und Wissenschaft gefordert, im Dialog mit den Bürgern über industrielle Prozesse zu informieren und mehr Aufklärungsarbeit zu leisten. Die IG BCE ist bereit, daran mitzuwirken.

Geboten ist eine sachliche Abwägung von Chancen und Risiken. Zum Beispiel bei der Bewertung von Umwelt- und Gesundheitsrisiken chemischer Stoffe. Wenn ein sicherer Gebrauch und eine sichere Handhabung gewährleistet sind, muss vor einem möglichen Stoffverbot eine ausgewogene Bewertung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen stehen. Oder bei der Beeinträchtigung durch industrielle Anlagen.

Wer die Vorteile industrieller Produkte genießen will, muss auch die Einschränkungen durch industrielle Anlagen akzeptieren, wenn die gesetzlichen Schutzbestimmungen eingehalten werden. Erst recht, wenn Neubauten eine nachhaltige Produktion ermöglichen. Viele befürworten die Windenergie nur so lange, wie keine Anlage in ihrer Nähe gebaut werden soll. Unverständlich ist auch, wenn es aktuell in Deutschland kaum möglich ist, neue Kraftwerke zu bauen, obwohl sie weniger CO2 ausstoßen. Die Abscheidung und Speicherung von CO2 bei der Kohleverstromung wie bei industriellen Prozessen ist ein weiteres Beispiel dafür, wie fahrlässig in Deutschland mit neuen Technologien umgegangen wird. Wer sich schon der Erforschung und Erprobung widersetzt, verspielt gleich drei Chancen: weltweite Emissionsminderung, Sicherung von Arbeitsplätzen in der deutschen Energiewirtschaft und Exportmöglichkeiten der deutschen Industrie.

Breiter gesellschaftlicher Dialog erforderlich

Deutschland muss die Frage beantworten, ob es weiterhin ein leistungsfähiger Industriestandort bleiben oder einen schleichenden Prozess der Deindustrialisierung in Kauf nehmen will. Der Schutz von Klima und Umwelt ist jedenfalls kein stichhaltiges Argument gegen industrielle Produktion. Wenn sich ganze Branchen aus Deutschland verabschieden, die hinsichtlich ihrer Effizienz und Umweltstandards weltweit an der Spitze stehen, dient das der Umwelt nicht. Im Gegenteil: Andernorts gelten oft schlechtere Umweltstandards. Zum Verlust der Arbeitsplätze kommt der Verlust von Wertschöpfung.

Doch zur Finanzierung eines anspruchsvollen Umwelt- und Klimaschutzes ist eine leistungsfähige Industrie unverzichtbar. Die Akzeptanz industrieller Produktion und die Bereitschaft, beherrschbare Risiken einzugehen, sind Schlüsselfragen für die Zukunft unseres Wirtschaftsstandortes. Für die einzelnen Unternehmen, aber auch für die miteinander konkurrierenden Staaten und Regionen wird die Innovationsfähigkeit entscheidend sein. Insbesondere die hoch entwickelten Industrieregionen in Europa werden ihre wirtschaftliche Bedeutung nur erhalten können, wenn sie gegenüber den so genannten Schwellenländern über ein Angebot moderner Produkte und Technologien verfügen.

Die IG BCE wird sich noch stärker für einen breiten gesellschaftlichen Dialog über Akzeptanz- und Risikofragen und die Bedeutung der deutschen Industrie einsetzen. Ein Instrument könnte dabei der von der IG BCE vorgeschlagene „Rat für verantwortliches Handeln in der Sozialen Marktwirtschaft" sein. Dort könnten alle wichtigen Akteure in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gemeinsam an Antworten auf die Akzeptanzkrise industrieller Produktion in Deutschland arbeiten.

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30167 Hannover
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