Anlagenbau & Prozesstechnik

Anlagensicherheit aus Betreibersicht

Für den sicheren und explosionsgeschützten Betrieb von Prozessanlagen für die Schüttgut-Verarbeitung

07.09.2023 - Anlagenbetreiber in Schüttgut verarbeitenden Industrien profitieren, wenn Anlagenbauer die Anlagen nicht nur entwickeln und bauen, sondern auch selbst betreiben. Die Lohnherstellung schult den Blick für die Anforderungen, Pflichten und Herausforderungen der Betreiberseite. Produktsicherheit, Brand- und Explosionsschutz, Anlagen- und Bedienersicherheit sowie Umweltaspekte stehen automatisch deutlicher im Fokus.

Anlagenbauer und -betreiber haben viele Pflichten, die sich aus gesetzlichen Regelungen ergeben und auch teilweise überschneiden bzw. anteilig von beiden Parteien bearbeitet werden müssen. Für die Anlagenbauerseite seien exemplarisch Konformitätsverfahren wie die Risikoanalyse nach Maschinenrichtlinie oder die SIL-Betrachtung (Safety Integrity Level), die Umweltsicherheit in Form der TA-Luft oder des Wasserhaushaltsgesetzes sowie Risikobeurteilungen zu Hygiene und Infektionssicherheit genannt. Selbstverständlich werden eine Dokumentation und die Betriebsanleitung mitgeliefert, die den entsprechend geltenden Vorschriften entspricht.

Um die bestehenden Anforderungen im Sinne aller Stakeholder weiterzuentwickeln, betreibt Glatt Ingenieurtechnik (GIT) in Weimar ein modernes Technologiezentrum für Produktgestaltung, Herstellung und Funktionalisierung von Pulvern, Granulaten und Pellets mit dem der spätere Kundenprozess beim Anlagenbetreiber vorab komplett entwickelt, getestet und optimiert werden kann. Dazu gehört auch eine zertifizierte Lohnfertigung, mit der das Unternehmen für Industriekunden als Anlagenbetreiber und Schüttguthersteller fungiert.

Erfahrung im Interesse des Auftraggebers weitergeben

Die Erkenntnisse aus einem solchen praxisbasierten Technologieansatz nutzen dem Anlagenbauer, aber auch dem Anlagenbetreiber. So können die Auftraggeber von den langjährigen Erfahrungen auf mehreren Feldern profitieren. Neben optimierten Raumkonzepten bis hin zu kompletten Gebäudelösungen wird auch bei Abfall- und Umweltmanagement, Energiekonzepten sowie Handling und Containment toxischer und hochaktiver Stoffe Erfahrung aus erster Hand weitergegeben. Auch Produktsicherheit muss von Anfang an mit eingeplant werden. Insbesondere in der Lebensmittelindustrie und bei Produkten, die für den Endverbrauchermarkt bestimmt sind, steht maximale Sicherheit an erster Stelle. Dies ist ein sensibler Punkt, denn als Hersteller kann die Produkthaftung im Schadensfall nicht ausgeschlossen werden. Beispielsweise zwingt die aktuelle Food Safety System Certification 22000 (FSSC) der Global Food Safety Initiative (GFSI) Hersteller von Lebensmitteln dazu, den gesamten Herstellungsprozess im Hinblick auf die hygienischen Bedingungen im Produktionsbereich, die Vermeidung stofflicher oder mikrobieller Verunreinigungen oder die Verfälschung von Lebensmitteln zu prüfen. Dafür gilt es, mit Sachverstand und Augenmaß robuste Prozesse in Produktionsbetrieben zu implementieren und nicht nur die Fertigungsprozesse in der Anlage, sondern den gesamten Herstellungsablauf qualitativ bestmöglich aufzustellen.

 

Hygienic Design als Einstellung, nicht als Pflicht

Eine der nachhaltigsten Maßnahmen für Hygiene und Produktsicherheit ist die konsequent hygienegerechte Ausführung von Anlagen. Dabei sollten sich die Hersteller nicht nur auf die Anwendung hygienegerechter Designprinzipien und entsprechende Zulieferer-Zertifizierungen verlassen. In einem umfangreichen Projekt der GIT wurde bspw. die CIP-Fähigkeit von Batchwirbelschichtanlagen intensiv untersucht und eigens eine Versuchsanlage hierfür gebaut. Konstruktive Änderungen wurden in situ getestet und bewertet. Die Mitgliedschaft in der EHEDG für hygienisches Design und die Mitarbeit bei der Erstellung von EHEDG-Leitlinien für Komponenten und Maschinen seit vielen Jahren garantieren den permanenten Aufbau von Know-how sowie Weiterbildung und Austausch zu neuesten Fragestellungen. Diese Wissensbasis wird im Dialog mit den Anlagenbauern weitergegeben und in konkrete Anlagen- und Produkthygiene umgesetzt. Aus der Beratung und Mitwirkung bei der Schnittstellenbetrachtung oder der Hazard and Opera­bility Study (HAZOP) an Produktionsanlagen ergeben sich in Kombination mit den eigenen Betreibererfahrungen auch neue Ansätze für Konzepte zur staub- und kontaminationsfreien Handhabung hochaktiver toxischer Produkte oder zur Verbesserung des Arbeitsschutzes bei Reinigungs- und Wartungsarbeiten von Wirbel- und Strahlschichtanlagen.

Arbeitsschutz mitgedacht, Restrisiken eliminiert

Ein Beispiel aus der Praxis sind die Reinigungsintervalle von Sprühdüsen solcher Anlagen. Sie hängen überwiegend vom Produkt ab und kündigen sich durch Abweichungen in der Partikelbeschaffenheit an. Der Ausbau des Düseninnenrohres verläuft gewöhnlich wie folgt: Das Bedienpersonal unterbricht zuerst die Sprühluft an der verschmutzten Düse und kontrolliert, ob die Fangvorrichtung aus Fangseilen oder -ketten eingehängt ist. Erst dann darf die Verbindungsklammer geöffnet und das Innenrohr mit dem Flüssigkeitseinsatz aus der Sprühlanze gezogen werden. Wird die Befestigung des Innenrohrs im laufenden Prozess ohne Unterbrechung der Sprühgaszufuhr und ohne Einhängen der Fangvorrichtung gelöst, schießt das Innenrohr druckbedingt – oder auch in Folge einer Explosion – schlagartig heraus. Befindet sich die Sprüheinheit in Kopfhöhe, wie es bei größeren Anlagen die Regel ist, droht Lebensgefahr. Eine weiterentwickelte Sprühdüsensicherung sichert das Innenrohr durch ein Schlüssel-Schloss-Prinzip explosionssicher ab und sorgt dafür, dass ein Bedienfehler bei der Düsendemontage keine gesundheitlichen Folgen hat. Konstruktiv besteht die Lösung aus geschützten Aussparungen und Fangstiften. Beide Elemente schließen Risiken wie unkontrolliertes Herausschießen des Innenrohres absolut aus. Ein willkommener Nebeneffekt ist, dass Reinigung und Ersatz der Sicherungsketten entfallen. Die explosionssichere Hygienedüse lässt sich auch unkompliziert nachrüsten. Sie ist ein Ergebnis langjähriger praktischer Betriebserfahrung und regelmäßiger Risikoanalysen, bei denen der Status quo aus Betreibersicht hinterfragt wurde.

 

Der sichere Weg zum explosions­geschützten Schüttguthandling

Für den Ex-Schutz bieten sich verschiedene Konzepte an, die nicht nur rechnerisch beurteilt und abgesichert sein sollten, sondern idealerweise auch in praktischen Explosionsversuchen bestätigt werden. Um dem Anlagenbetreiber maximale Sicherheit zu garantieren, werden Zündquellen soweit möglich vermieden, alle Teile geerdet und ein entsprechendes Anlagendesign gewählt. Der Auftraggeber kann auf das für ihn beste Konzept zurückgreifen. Eine Anlage alternativ zu einer Explosionsunterdrückung oder Druckentlastung druckfest auf 12 bar auszulegen, ist mit runden Bauformen leicht machbar. Insbesondere bei Gas-Explosionsschutz oder hybriden Gemischen, können die Investitionskosten deutlich geringer ausfallen, wenn man ohne eine aufwendige Kreisgasanlage auskommt. Sind in der Fortluft Lösungsmittel vorhanden ist allerdings eine Abgasreinigung durch Verbrennung oder eine Gaswäsche erforderlich. Anlagen, die nicht druckfest konstruiert und gebaut werden können, wie rechteckige Wirbel- und Strahlschichtanlagen müssen, entweder durch eine Explosionsunterdrückungsanlage oder alternativ durch einen Inert-Kreisgasbetrieb geschützt werden, meist unter Verwendung von Stickstoff. Die Inertisierung dient dabei nicht nur dem Explosions- und Brandschutz, sondern kann einen zusätzlichen Benefit bei sauerstoffempfindlichen Produkten bieten. Ungesättigte Öle, Beta-Carotine oder reaktive chemische Stoffe werden vor Oxidation geschützt und zeigen eine bessere Langzeitstabilität. Vorteilhaft ist hier, dass der Dauerbetrieb möglich ist und das Lösungsmittel zurückgewonnen werden kann. Dafür sind die Investitions- und Betriebskosten höher als beim Frischluft-Fortluft-Betrieb.

Möglich ist auch der Betrieb der Wirbelschicht unter Vakuum. Dadurch wird der Sauerstoffgehalt unter die kritische Grenze gesenkt und empfindliche Produkte sind auch hier besser vor Oxidation geschützt. Der Siedepunkt ist durch das Vakuum herabgesetzt, was es dem Betreiber ermöglicht, niedrigere Prozesstemperaturen einzusetzen. Das spart Heizleistung sowie Betriebskosten. Außerdem lässt sich das Lösungsmittel zurückgewinnen. Diese Lösung ist konstruktiv nur bei runden und Batchanlagen möglich und die Wahl der Lösungsmittel ist beschränkt. Eine weitere Möglichkeit ist die Explosionsunterdrückung, bei der im Falle eines Druckanstieges ein Löschmittel in den Reaktionsraum eingesprüht wird und die Explosion unterdrückt. Der Nachteil: Nach Auslösung müssen die Löschmittelpatronen erneuert werden und es kommt zu signifikanten Produktionsunterbrechungen. Möglichkeiten für anwendungsgerechten Explosionsschutz gibt es viele, aber für jedes Verfahren gilt: Es muss bestmöglich auf die Anforderungen des Betreibers zugeschnitten werden und nicht auf die Präferenzen des Anbieters. Schaut der Anlagenbauer im Interesse des Auftraggebers über seinen Tellerrand und hilft dem späteren Betreiber dabei, seine Pflichten besser zu erfüllen, profitieren beide Seiten. Von vornherein gewonnen haben Wirtschaftlichkeit, Prozessqualität und Sicherheit in der Schüttgutherstellung

Autoren: Frank Ohlendorf, Head of Business Support,
Gerald Beck, Senior Project Manager,
Sören Albers, Head of Contract Manufacturing,
Glatt Ingenieurtechnik, Bereich Process Technology Food, Feed & Fine Chemicals

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