Forschung & Innovation

Antimikrobieller Schutzschild

Largentec entwickelt katalytisch wirkende Beschichtung auf Silber- und Ruthenium-Basis zur Bekämpfung schädlicher Keime

07.12.2021 - Gefährliche Bakterien machen Trinkwasser und Nahrungsmittel unbrauchbar, Krankenhauskeime werden immer resistenter gegen Arzneimittel, und neuartige Viren verbreiten sich immer schneller in der globalisierten Welt.

Biokorrosion und unerwünschter Bewuchs auf Fassaden und Booten erfordert den Einsatz von giftigen Bioziden. Neue, bessere Methoden sind gefragt. So wie die vom Berliner Start-up Largentec entwickelte AGXX-Technologie, die zur Dekontamination wässriger Systeme, Abtötung pathogener Keime sowie Verhinderung von Biofilmbildung eingesetzt werden kann und dabei umweltverträglich, langanhaltend und wirksam gegen multiresistente Keime ist. Ein enormes Potenzial, dessen Realisierung erst begonnen hat. Michael Reubold sprach mit Ayad Abul-Ella, dem designierten CEO, und Uwe Landau, dem Gründer von Largentec.

CHEManager: Wie begann die Geschichte von AGXX, wer hatte die zündende Idee?

Uwe Landau: Ich habe vor rund 10 Jahren die Firma Largentec gegründet und gemeinsam mit dem damaligen Partner, der Firma Multi­Bind, ein erstes Grundlagenpatent für eine Oberflächenbeschichtung auf Basis von Silber, Ruthenium und Ascorbinsäure angemeldet. Meine Begeisterung für Verfahrenstechnik, komplexe Systeme und Prozesse sowie interdisziplinäre Projekte und die Metallurgie begleiten mich seit vielen Jahrzenten. In meiner vorherigen Firma haben wir hochspezialisierte, galvanische Beschichtungen durchgeführt, was mich tiefer in die faszinierende Welt der Edelmetalle und Halbleiter hat einsteigen lassen. So erkannte ich die Anwendungsmöglichkeiten von Silber-Ruthenium-Verbindungen in der Medizintechnik, der Trinkwasserkonservierung und dem Ersatz herkömmlicher Biozide.

In einer Lebensphase, wo viele an die Pensionierung denken, hat mich die Möglichkeit, einen Beitrag bei diesen wichtigen Themen leisten zu können, motiviert, noch einmal etwas komplett Neues zu beginnen. In Zusammenarbeit mit der Freien Universität Berlin und der Beuth Hochschule fanden in den ersten Jahren grundlegende Forschungsarbeiten statt. Ab 2014 kamen viele Anwendungsversuche dazu, welche die technologischen Voraussetzungen für das heutige AGXX geschaffen haben.

 

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Wann begann der Weg aus dem Labor auf den Markt?

U. Landau: Die Voraussetzungen dafür, Largentec auch wirtschaftlich zu entwickeln, konnten wir mit der Beteiligung von Ayad Abul-Ella, einem erfahrenen Technologie­manager, schaffen. Mit ihm haben wir die Firma in den letzten 3 Jahren sukzessive neu aufgestellt, letztes Jahr Heraeus als Lizenznehmer und Partner gewonnen, diverse neue Patente angemeldet, und gehen nun die Kommerzialisierung der AGXX-Technologie an.

Für welche Anwendungen wurde AGXX entwickelt und wo kommt es bereits zum Einsatz?

Ayad Abul-Ella: Aufgrund der unspezifischen Wirkweise und einfachen Verwendung ohne Bedarf von giftigen Stoffen oder externer Energiezufuhr sind die möglichen Anwendungsbereiche von AGXX vielfältig: Es wird bereits in diversen Wasseranwendungen eingesetzt. In der Entwicklung befindet sich der Einsatz in Gesichtsmasken, Medizinprodukten, Farben, Anti-Foul­ing-Anstrichen, Textilien, Luft- und Wasserfiltern oder auch auf Oberflächen und Haltegriffen in öffentlichen Bereichen. Selbst im Weltall auf der Internationalen Raumstation ISS hat sich AGXX bereits in Tests bewährt.
Für eine Vielzahl von Anwendungen ist AGXX als Pulver ideal geeignet. Hier konnten wir Heraeus als Partner für die Herstellung und Vermarktung von AGXX in Partikelform gewinnen: ein großer Schritt auf dem Weg AGXX weltweit und in diversen Anwendungen verfügbar zu machen.

Wie funktioniert die AGXX-Technologie und welche Vorteile bietet sie gegenüber herkömmlichen Bioziden, Antibiotika oder Silberbeschichtungen?

U. Landau: AGXX wirkt im Wesentlichen auf elektrochemische Art wie ein Kontaktkatalysator. Sobald Feuchtigkeit und Sauerstoff in Kontakt mit AGXX kommen, bilden sich reaktive Sauerstoffspezies, welche Bakterien und Viren oxidativ zerstören und sich danach wieder zu Wasser und Sauerstoff umwandeln. Anders als bei herkömmlichen Bioziden wird die Umwelt dabei nicht mit giftigen Stoffen belastet und die Wirkung ist über viele Jahre gegeben. Während Silberbeschichtungen auf der Abgabe von Silberionen basieren und somit entweder sehr viel Silber benötigen oder nur für kurze Zeit wirken, verbraucht sich AGXX kaum, da sich die Oberfläche in einem Kreislaufprozess selbst regeneriert. Ein wichtiger Vorteil gegenüber Antibiotika und silberbasierten Arzneimitteln liegt auch darin, dass die Gefahr einer Resistenzbildung gegen AGXX nicht besteht. Die antimikrobielle Wirkung von AGXX wurde erfolgreich gegen mehr als 130 Mikroorganismen getestet, darunter auch das silberresistente E.coli Bakterium.

Für welche Anwendungen wurde AGXX entwickelt und wo kommt es bereits zum Einsatz?

Ayad Abul-Ella: Aufgrund der unspezifischen Wirkweise und einfachen Verwendung ohne Bedarf von giftigen Stoffen oder externer Energiezufuhr sind die möglichen Anwendungsbereiche von AGXX vielfältig: Es wird bereits in diversen Wasseranwendungen, unter anderem durch unseren Lizenznehmer, Feindrahtwerke Adolf Edelhoff, eingesetzt. In der Entwicklung befindet sich der Einsatz in Gesichtsmasken, Medizinprodukten, Farben, Anti-Fouling-Anstrichen, Textilien, Luft- und Wasserfiltern oder auch auf Oberflächen und Haltegriffen in öffentlichen Bereichen. Selbst im Weltall auf der Internationalen Raumstation ISS hat sich AGXX bereits in Tests bewährt.

Für eine Vielzahl von Anwendungen ist AGXX als Pulver ideal geeignet. Hier konnten wir Heraeus als Partner für die Herstellung und Vermarktung von AGXX in Partikelform gewinnen: ein großer Schritt auf dem Weg AGXX weltweit und in diversen Anwendungen verfügbar zu machen. Die dafür benötigten Zulassungen und Investitionen in großtechnische Anlagen sowie der weltweite Vertrieb werden seitdem von Heraeus vorangetrieben, was uns die Mittel und den Freiraum für die Entwicklung neuer Anwendungen gibt.

Mit der Covid-19-Pandemie ist allen das Risiko, das von Viren und anderen Mikroorganismen ausgeht, klar geworden. Hat auch die AGXX-Entwicklung dadurch Auftrieb erhalten?

A. Abul-Ella: Ja, wir haben im Laufe dieses Jahres viele Anfragen zur Beteiligung an Entwicklungsprojekten für Medizinprodukte und Healthcare-Anwendungen erhalten, von denen wir uns für die nächsten Jahre viel erwarten. Dazu gehören Atemschutzmasken genauso wie Textilien im Gesundheitswesen. Die Wirksamkeit gegen Viren wie das Coronavirus haben wir Ende letzten Jahres im Labor nachgewiesen. Auf dieser Basis arbeiten wir aktuell an der Identifikation weiterer Anwendungen, für die wir nächstes Jahr Lösungen entwickeln möchten.

Wo stehen Sie derzeit bei der Entwicklung der Technologie und des Unternehmens?

Ayad Abul-Ella: Wichtige Voraussetzungen sind geschaffen: Wir haben Grundlagen und auch Anwendungspatente auf den Weg gebracht, welche uns den insbesondere für Start-ups so wichtigen IP-Schutz bieten. Mit Heraeus haben wir einen Konzern an der Seite, der sich um die Entwicklung, Zulassung, Herstellung und Vermarktung von AGXX in Partikelform kümmert. Für die Beschichtung von Oberflächen mittels PVD und Galvanik stehen qualifizierte Fertigungspartner bereit, und unser Kernteam ist letztes Jahr durch Olaf Wagner im wissenschaftlichen Bereich und Moritz Landau im Business Development komplettiert worden. Nun gilt es, die richtigen Produkte und Partner aus den verschiedenen Anwendungsbereichen auszuwählen und erfolgreich den Transfer aus dem Labor in die Kommerzialisierung zu schaffen. Wir haben also schon viel erreicht und gleichermaßen noch sehr viel vor uns.

 

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Mit Luft und Wasser gegen Keime
Mikroorganismen können Menschen und der Wirtschaft erhebliche Schäden zufügen. Bakterien und Viren wirksam, nachhaltig und umweltverträglich zu bekämpfen, ist eine zunehmend herausfordernde Aufgabe. Hierfür entwickelt und vermarktet das Berliner Start-up Largentec seine antimi­krobielle AGXX-Technologie. Aus Silber und Ruthenium werden mikrogalvanische Elemente hergestellt, die als Oberflächenbeschichtung auf den meisten technischen Materialien aufgebracht oder als Pulver in diversen Anwendungen eingesetzt werden können. In Kontakt mit Feuchtigkeit und Sauerstoff bildet AGXX reaktive Sauerstoffspezies (ROS), die Bakterien und Viren oxidativ zerstören (Wirkprinzip vgl. Schema rechts).

Geringe Mengen reichen aus, um mit AGXX Medizinprodukte von Wundauflagen und Kathetern über Aufbewahrungsbehälter bis zu Produkten gegen Herpes herzustellen. Alltagsgegenstände und Oberflächen in öffentlichen Bereichen, Luft- und Wasserfilter ebenso wie Fassaden und Boote können wirksam gegen die Mikroorgansimen geschützt werden. Das alles, ohne wie bei herkömmlichen Bioziden Unmengen an toxischen Stoffen abzugeben und auch ohne die Gefahr von Resistenzbildung.

Vorteile auf einem Blick

  • Umweltverträglich: Keine Belastung mit giftigen Stoffen.
  • Nachhaltig: Selbstregenerierende Oberfläche, kein Depoteffekt.
  • Nicht toxisch: Die Wirkung basiert auf der Bildung reaktiver Sauerstoffspezies, die Bakterien und Viren oxidativ zerstören.
  • Breitbandig: Breite Wirkung ohne Resistenzbildung.
  • Einfache und sichere Handhabung: Keine Energiezufuhr von außen, keine Gefahrenstoffe.

Geschäftsmodell

Largentec entwickelt auf Basis seiner AGXX-Technologie eigene Produkte und vergibt auch Technologielizenzen. Das Start-up erstellt einen Proof of Concept für einzelne Anwendungsbereiche und vergibt anschließend gegen Meilensteinzahlungen und laufende Umsatzprovisionen Lizenzen an Firmen. Das Team von Largentec entwickelt auch eigene Produkte und vermarktet diese über Partner oder Ausgründungen. Der Bedarf an eigenem Personal und Kapital bleiben so trotz der breiten Anwendungsfelder im Rahmen, gleichzeitig sind eine schnelle Skalierung und langfristige Erlöse erreichbar.

Largentec Vertriebs GmbH, Berlin

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FahrstuhlElevator Pitch

Gründung, Meilensteine, Roadmap

Der Gründer von Largentec, Uwe Landau, begann bereits 2009 mit ersten grundlegenden Forschungsarbeiten. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von Rainer Haag am Institut für Chemie und Biochemie der Freien Universität Berlin und Elisabeth Grohmann an der Beuth Hochschule sowie dem ersten wissenschaftlichen Mitarbeiter, Carsten Meyer, wurden die Anwendungsmöglichkeiten von Silber-Ruthenium-Verbindungen in der Medizintechnik, der Trinkwasserkonservierung und dem Ersatz herkömmlicher Biozide erforscht. Ab 2014 haben Anwendungsversuche die technologischen Voraussetzungen für die Vermarktung von AGXX geschaffen. Seit 2018 hat sich das Start-up durch die Komplettierung des Kernteams mit dem designierten CEO Ayad Abul-Ella, Olaf Wagner im wissenschaftlichen Bereich und Moritz Landau im Business Development für die Zukunft aufgestellt.

Meilensteine

2009

  • Start der Forschungsarbeiten, erste Versuche als Biozidersatz in Kühlkreisläufen und Trinkwasserreinhaltung.

2014-2018

  • Grundlagenforschung und erfolgreiche Versuche auf der Raumstation ISS zur Wirksamkeit unter extremen Bedingungen.
  • Lizenzvergabe an die Firma Feindrahtwerke Adolf Edelhoff.

2016–2018

  • Proof of Concept in diversen Anwendungen
  • Entwicklung von AGXX in Pulverform

2018–2019

  • Neuaufstellung der Firma
  • Fokus auf kommerzielle Projekte
  • Suche nach strategischen Partnern

2020–2021

  • Exklusive Lizenz für AGXX in Partikelform an Heraeus.
  • Qualifizierung von Fertigungspartnern für PVD und galvanische Beschichtungen.
  • Anmeldung neuer Patente zum Schutz der Technologie und Zielanwendungen.

Roadmap

  • Gemeinsam mit Heraeus Entwicklung von Cellulosefasern mit AGXX zur Herstellung von Vliesen, Textilien und Folien; Lizenzierung an führende Hersteller.
  • Ausgründung und Finanzierung einer Firma für den Bereich Medizintechnik.
  • Entwicklung und Lizenzierung weiterer Anwendungen auf Basis von galvanisch und PVD-beschichteten Oberflächen und Folien.

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