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Defossilisierte Chemie – eine Marktstudie

Strategieberatung CMC2 zeigt Weg in eine wettbewerbsfähige klimaneutrale Zukunft

11.09.2024 - Die Transformation der Chemieindustrie in Richtung Nachhaltigkeit und Klimaneutralität wird aktuell kontrovers diskutiert, da bislang vor allem damit verbundene Risiken wie hohe Investitionskosten in neue Technologien und stark gestiegene Energiepriese verbunden werden.

Die ökologische Wende der chemischen Industrie bietet jedoch auch zahlreiche Chancen und Erfolgspotentiale, die sowohl ökologische als auch ökonomische Aspekte beinhalten und für die Zukunftsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit der Branche von großer strategischer Relevanz sind.

Die Chemieindustrie kann durch Nachhaltigkeit, Klimaneutralität und Kreislaufwirtschaft eine Vielzahl neuer Geschäftsfelder erschließen, die nicht nur Chancen zur Steigerung von Umsatz und Marge bieten, sondern auch zur Positionierung als umweltbewusste und zukunftsorientierte Branche dienen. Die Strategieberatung CMC2 hat sich im Rahmen einer Marktstudie eingehend mit den Chancen durch innovative und neuartige Produkte, Produktionsverfahren und Technologien im Rahmen der Transformation zu einer defossilisierten, klimaneutralen Chemieindustrie beschäftigt. Fazit der Studie ist, dass die Zeit für mutige und strategisch hochrelevante unternehmerische Entscheidungen gekommen ist.

Dies im Abgleich mit den aktuellen extremen ökonomischen Herausforderungen der deutschen Chemie bedarf einer sehr guten Entscheidungsvorbereitung zur Besetzung nachhaltiger Zukunftsgeschäftsfelder. Ökologisch und ökonomisch erfolgreiche Unternehmensstrategien müssen neben einem klaren Fokus auf Digitalisierung, gut ausgebildete Fachkräfte, Resilienz der Lieferketten auch unternehmerische Nachhaltigkeitsbausteine (Produkte, Geschäftsfelder, etc.) enthalten. Die Studie zeigt attraktive Handlungsfelder und damit verbundene Erfolgspotentiale:

Kostenersparnis durch Ressourceneffizienz

Die Optimierung von chemischen Prozessen und der Einsatz ressourceneffizienter Technologien senken die Herstellkosten und die Abhängigkeit von Rohstoffen und Lieferanten. Dies umfasst die effizientere Nutzung von Energie, Wasser und Rohstoffen sowie die Minimierung von Abfall und Emissionen.

Wettbewerbsvorteile durch Prozess- und Produkt-Innovationen

Die Entwicklung neuer, nachhaltigerer Prozesse, Produkte und Materialien kann neue Märkte erschließen und Wettbewerbsvorteile bieten. Die Abnehmerbranchen der chemischen Industrie können in gemeinsamen Verbundprojekten produktspezifische Innovationspotenziale erschließen.

Ressourcen-Schonung durch Kreislaufwirtschaft

Durch die Förderung einer Kreislaufwirtschaft kann die chemische Industrie Abfälle als gut verfügbare Ressource nutzen, Recyclingprozesse stoffspezifisch verbessern und geschlossene Stoffkreisläufe schaffen. Dies führt zu einer nachhaltigen Nutzung von Ressourcen, einem geschlossen Kohlenstoffkreislauf und der Reduktion von Umweltbelastungen, wenn die Produktentwicklung entsprechend darauf abgestimmt ist.

Synergien durch Kooperationen und Partnerschaften

Strategische Initiativen bieten die Möglichkeit zur Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen und Forschungseinrichtungen, z.B. im Chemieparkumfeld. Solche Kooperationen können den Zugang zu neuen Technologien, Know-How und Märkten erleichtern und beschleunigen. Darüber hinaus bietet sich die Chance Investitionskosten durch Bildung von Technologieclustern zu senken.

Steigerung der Reputation und Kundenbeziehungen

Nachhaltige Geschäftspraktiken können das Unternehmensimage verbessern und das Vertrauen der Kunden stärken. Firmenkunden und Verbraucher legen zunehmend Wert auf nachhaltige Produkte und Herstellprozesse, was die Marktnachfrage nach umweltfreundlichen Lösungen kontinuierlich erhöhen wird. Nachhaltigkeit entwickelt sich immer mehr zu einem verkaufsrelevanten Produktmerkmal.

Festigung der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit

Unternehmen, die frühzeitig auf Nachhaltigkeit und Klimaneutralität setzen, positionieren sich als Vorreiter und sichern ihre langfristige Wettbewerbsfähigkeit. Die Business Cases und Effekte der Investitionen in das Thema Nachhaltigkeit können die Zeiträume von Vorstandspositionen überdauern.

Erfüllung gesetzlicher Vorgaben

Die Einhaltung strengerer Umweltauflagen und -standards wird zunehmend gefordert. Unternehmen, die proaktiv nachhaltige Praktiken implementieren, sind besser gerüstet, um regulatorische Anforderungen zu erfüllen und potenzielle Strafen zu vermeiden.

CMC2 hat ausgehend von diesen Erfolgspotenzialen konkrete Geschäftsfelder für Chemieunternehmen identifiziert. Diese Geschäftsfelder können zum einen völlig neuartig und disruptiver Natur sein, oder sich zum anderen in der aktuellen Transformation befinden und somit eher evolutionären Charakter aufweisen.

1. Nachhaltige Chemikalien und Materialien:

  • Synthetisches Aviation Fuel (SAF): Aus alternativen Quellen hergestellter Flugtreibstoff, der konventionelles fossiles Kerosin ersetzen oder ergänzen soll, um die CO2-Emissionen der Luftfahrt­industrie zu reduzieren.
  • Grüne Chemie („Green Chemistry“): Entwicklung von Chemikalien und Prozessen, die umweltfreundlicher und energieeffizienter sind. Hierzu zählt z.B. die Verwendung von Wasser oder überkritischem CO2 als Lösungsmittel in chemischen Prozessen anstelle von giftigen organischen Lösungsmitteln.
  • Nachhaltige Baumaterialien: Herstellung von Baumaterialien mit geringerem CO2-Fußabdruck (reduzierter Ausstoß von CO2 bei der chemischen Reaktion) und erhöhter Lebensdauer. Als Beispiel kann hierbei Grüner Beton genannt werden, der mit reduziertem Zementgehalt hergestellt wird, indem alternative Bindemittel wie Flugasche oder Schlacke anstelle von Zement verwendet werden.

2. Recycling und Abfallmanagement:

  • Chemisches, bzw. Advanced Recycling: Entwicklung neuer Technologien zur Rückgewinnung und Wiederverwertung von chemischen Stoffen aus Abfällen.
  • Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe: Schaffung geschlossener Kreisläufe für Kunststoffmaterialien, um die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen zu reduzieren. Zahlreiche bereits industrialisierte Beispiele sind hier u.a. aus der Verpackungsindustrie mit dem Recycling von PET, PP, PE und PS zu nennen.

3. Biobasierte Materialien:

  • Biokunststoffe: Herstellung und Synthese von Kunststoffen aus nachwachsenden Rohstoffen wie Maisstärke, Zuckerrohr oder Zellulose.
  • Biochemikalien: Produktion von Chemikalien aus biobasierten Quellen als Ersatz für petrochemische Produkte.
  • Biogas: Als nachhaltige erneuerbare Energiequelle, die aus nachwachsenden Rohstoffen und Abfällen gewonnen wird.

4. Wasseraufbereitung und -management:

  • Fortschrittliche Wasseraufbereitung: Entwicklung neuer Methoden zur Reinigung und Wiederverwendung von Wasser in industriellen Prozessen.
  • Abwasserrecycling: Technologien zur Rückgewinnung von Ressourcen aus Abwasser, wie Nährstoffe und Energie. So ist z.B. die Rückgewinnung von Phosphor aus Abwasser ein vielversprechender Weg, um einerseits Phosphor als Ressource zu erhalten und andererseits die Umweltauswirkungen (Eutrophierung der Gewässer) zu reduzieren. Besonders attraktiv ist in diesem Zusammenhang Struvit (Phosphat), welches bei der Aufbereitung von Abwasser oder Klärschlämmen gewonnenen wird, und anschließend granuliert und pelletiert im Ackerbau eingesetzt werden kann.

5. Kohlendioxid (CO2)-Nutzung und -Speicherung (CCU & CCS):

  • CO2-Abscheidung und -Nutzung: Technologien zur Abscheidung von CO2 aus industriellen Prozessen und dessen Nutzung als Rohstoff für zahlreiche chemische Produkte. Bei der sog. Methanisierung (Power-­to-Gas-Verfahren) wird CO2 bspw. mit grünem Wasserstoff in einem biologischen oder chemischen Prozess zu Methan umgewandelt.
  • CO2-Speicherung: Entwicklung von Methoden zur sicheren Speicherung von CO2, z.B. in unterirdischen Kavernen.

6. Wasserstoffwirtschaft:

  • Grüner Wasserstoff (H2): Produktion von Wasserstoff durch Elektrolyse mit erneuerbarem Strom. Auch H2-Derivate wie z.B. Ammoniak NH3 sind in diesem Kontext zu sehen.
  • Brennstoffzellen: Entwicklung und Verkauf von Brennstoffzellen-Materialien für Fahrzeuge und stationäre Anwendungen.

7. Erneuerbare Energien:

  • Nutzung von Solarenergie: Installation von Solaranlagen für Chemieparks, Unternehmen, Haushalte und Gemeinden.
  • Nutzung von Windenergie: Bau, Betrieb und Wartung von Onshore-
  • und Offshore-Windparks.

8. Energiemanagement und Energieeffizienz:

  • Energiemanagementsysteme: Entwicklung von Technologien und Dienstleistungen zur Optimierung des Energieverbrauchs in industriellen chemischen Prozessen.
  • Batterie- und Speichertechnologien: Forschung und Entwicklung in den Bereichen Energiespeicherung und -umwandlung, insbesondere für Elektrofahrzeuge und die Gebäude- und Anlagentechnik
  • Digitale Energieverwaltungssysteme: Softwarelösungen zur Überwachung und Optimierung des Energieverbrauchs chemischer und physikalischer Prozesse.
  • Smart Grids: Entwicklung und Implementierung intelligenter Stromnetze, die Angebot und Nachfrage in Echtzeit ausbalancieren.

Diese acht Geschäftsfelder spiegeln die zunehmende Bedeutung von Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft wider und bieten der Chemieindustrie zahlreiche Möglichkeiten, sich als Schlüsselakteur in einer nachhaltigeren Zukunft zu positionieren. Die Defossilisierung, also der Übergang von fossilen Brennstoffen zu erneuerbaren Alternativen und anderen nachhaltigen Herstellverfahren und Technologien, setzt dabei eine enge Verknüpfung der Chemie- mit der Energiewirtschaft voraus. Die Marktstudie zeigt ca. 250 Projektbeispiele, die genau diese Verknüpfung aufweisen und analysierte dabei den übergeordneten Technologiefokus, den Innovationsgrad, sowie mögliche Einsatzbereiche für nachhaltige Produkte, Prozesse und Services, welche von jungen Start-Ups, mittelständischen Unternehmen und großen Konzernen aktuell entwickelt werden. Als Kriterien für die Selektion der Projekte wurden der Branchenfokus Chemie, klar erkennbarer nachhaltiger Aspekt bei Produkten und Prozessen, sowie klima- und umweltschonende Charakteristiken gewählt.

® CMC2

 

Dies sind die wesentlichen Erkenntnisse aus der Studie:

  • 47 % der Projekte haben einen klaren Fokus auf das chemische Produkt
  • 44 % der Projekte haben einen klaren Fokus auf Herstellungsverfahren und Prozesstechnik
  • 9 % der Projekte basieren auf einer „gekoppelten“ Innovation, bzw. Weiterentwicklung von Produkten und Prozessen
  • Der Anteil an völlig neuartigen disruptiven Projekten liegt bei 30 %
  • Der Anteil an innovativen Weiterentwicklungen von bekannten Chemielösungen, bzw. Evolutionen von bekannten Chemieprozessen und Produkten liegt bei 61 %
  • Syntheseseitige Entwicklung nachhaltiger Chemikalien und Materialien: 23 %
  • Projekte im Bereich Recycling und Abfallmanagement: 16 %
  • Der Anteil der vorwiegend auf Energiemanagement fokussierten Projekte liegt bei 14 %
  • Biobasierte Materialien stehen bei 12 % der Projekte im Zentrum
  • Kohlendioxidnutzung und -Speicherung (CCU und CCS): 11 %
  • Der Anteil, der auf grünem Wasserstoff aufbauenden Projekte liegt bei 8 % (hierbei ist jedoch zu beachten, dass die Anzahl beteiligter Unternehmen aufgrund von Kooperationen in den jeweiligen Projekten besonders hoch ist)

In diesen Ergebnissen ist eine ausgewogene Vorgehensweise in der Transformation der Chemieindustrie zu erkennen. Prozess- und Produktentwicklung gehen Hand in Hand und der Anteil an disruptiven Projekten zeigt eine generell vorhandene Risikobereitschaft bei den Unternehmensführungen, ohne dabei bestehende erfolgreiche Chemielösungen vollständig über Bord zu werfen. Besonders positiv ist auch die breite Aufstellung bei den Themen- und Geschäftsfeldern zu werten. Dies zeigt klar auf, dass die chemische Industrie sich nicht voreilig auf technische Einzellösungen eingrenzt, sondern innovativ in der notwendigen Breite nach attraktiven Lösungen für alle Chemiesegmente sucht. Positiv fällt auf, dass v.a. Chemieparks clevere Verbundprojekte ins Leben gerufen haben, die eine enge Verzahnung der Geschäftsfelder ermöglichen und Synergien vor allem im Investitionsumfeld für alle beteiligten Kooperationspartner schaffen.

Die Inhalte der Studie lassen sich für zahlreiche strategische Diskussionen verwenden – von der Klarheit zum zukünftigen Produktportfolio, der Entwicklung von defossilisierten Suppy Chains bis hin zum Schaffen der Notwendigkeit von Zukunftskompetenzen. Sicherlich sind die Ergebnisse eine Momentaufnahme, zeigen jedoch schon mittelfristige Tendenzen für die strategische Green-Deal-Diskussion. Das Fundament für eine gesunde und resiliente Chemiebranche ist somit ohne Zweifel aus eigener Kraft entstanden. Nun ist auch die Politik (insbesondere in Deutschland) am Zuge, die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Transformation zu setzen.

Autoren:

L. Armbrust © CMC2   Linus Armbrust, Business Analyst,CMC2

T. Wagner © CMC2   Thomas Wagner, Senior Consultant,CMC2

C. Suntrop, © CMC2  Carsten Suntrop,Senior Expert, CMC2

 

 

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CMC2 GmbH Consulting for Managers in Chemical Industries

Grimmelshausenstraße 14
50996 Köln
Deutschland

+49 221 801 6577

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