Forschung & Innovation

Die Forschungszulage kommt an

In der Umsetzung gibt es für die Unternehmen noch etliche Fallstricke

11.09.2024 - Die chemisch-pharmazeutische Industrie profitiert von der Forschungszulage. Mit mehr als 1.500 Anträgen liegt die Branche auf Platz 4 der Antragsteller, hinter dem Maschinenbau, der IT-Branche und der Elektro- und Messtechnik.

Die chemisch-pharmazeutische Industrie profitiert von der Forschungszulage, so eine ZEW-Studie, die Ende 2023 veröffentlicht wurde. Mit mehr als 1.500 Anträgen liegt die Branche auf Platz 4 der Antragsteller, hinter dem Maschinenbau (4.507 Anträge), der IT-Branche (4.270 Anträge) und der Elektro- und Messtechnik (1.733).

„Die Forschungszulage ist ein Gewinn für den Innovationsstandort Deutschland“, sagt Ulrike Zimmer vom Verband der Chemischen Industrie (VCI). Von ihr profitieren vor allem kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) mit bis zu 1.000 Mitarbeitern. Während im dritten Quartal 2022 knapp 300 Unternehmen der Chemiebranche rund 960 Anträge stellten, waren es ein halbes Jahr später bereits 400 Betriebe mit mehr als 1.300 Anträgen.

Der Start der Forschungszulage als zusätzlicher Fördermöglichkeit für Forschung und Entwicklung vor mehr als vier Jahren verlief etwas holperig, wozu auch der Begriff „Forschungszulage“ seinen Teil beitrug, wie fast alle Beteiligten anmerken. Denn im Vergleich zur klassischen Projektförderung reichen oft schon für das betreffende Unternehmen neuartige Produkt- oder Verfahrensentwicklungen, um in den Genuss der Förderung zu kommen. Die inhaltlichen Anforderungen sind also geringer und müssen keinen Forschungscharakter haben. Zudem ist die Forschungszulage rückwirkend nutzbar, schneller und unbürokratischer. Die klassische Projektförderung behält jedoch ihre Berechtigung und besitzt meist finanzielle Vorteile. Für dasselbe Projekt kann nur eine Förderung in Anspruch genommen werden, also müssen Unternehmen strategisch planen, für welche Projekte die bisherige Projektförderung sinnvoll ist und für welche die Forschungszulage.

Firmen, die mit hohem Personalaufwand schnell Projekte umsetzen und nicht lange auf die Genehmigung eines Zuschusses warten wollen, können endlich schneller an eine Förderung kommen. Das bedeutet, dass besonders Entwicklungsprojekte, die zur Digitalisierung der chemischen und pharmazeutischen Unternehmen notwendig sind, von dem steuerlichen Instrument profitieren können.

Forschungszulage nochmals deutlich erhöht

Einen zusätzlichen Schub soll die Forschungszulage nun durch das Wachstumschancengesetz bekommen. Denn seit dem 28. März dieses Jahres steigen die maximal möglichen jährlich zu beantragenden F&E-Kosten auf 10 Mio. EUR. Außerdem werden KMU großzügiger gefördert: mit 35 % der projektbezogenen Personalkosten sowie 24,5 % der F&E-Auftragskosten gegenüber 25 % und 15 % in den Jahren zuvor. Dadurch erhöht sich für diese Unternehmen die maximale Zulage pro Jahr von 1 Mio. EUR auf 3,5 Mio. EUR. Für Großunternehmen steigt die Zulage von 1 Mio. EUR auf 2,5 Mio. EUR. Für Michael Zahm, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Verbands für Technologietransfer und Innovation (DTI), in dem private und öffentliche Beratungseinrichtungen zusammengeschlossen sind, ist die Erhöhung der Förderquote für KMU auf 35 % die zentrale Verbesserung des Forschungszulagengesetzes: „Gerade KMU, die viel Geld in ihre künftige Existenz investieren, erhalten künftig mehr Unterstützung für innovative Projekte und damit zur Standortsicherung.“ Problematisch ist derzeit bei der Umsetzung der Zulage allerdings in der Praxis noch die oft fehlende Erfahrung und Bearbeitungskapazität der Finanzämter sowie das teilweise unterschiedliche Vorgehen bei der Prüfung und Festsetzung der jährlichen Zulagen.

 

Vor allem KMU sind auf Fördermittel angewiesen,
um verstärkt innovative Produkte entwickeln zu können.



„Um eine Förderfähigkeit bescheinigt zu bekommen, müssen die Vorhaben die drei Kriterien Neuartigkeit, technisches Risiko und Planmäßigkeit gleichermaßen erfüllen. Bei rund 75 % der Anträge ist dies der Fall“, sagt Andreas Hoffknecht, Leiter der Bescheinigungsstelle Forschungszulage (BSFZ). Deutlich höher liegt die Bewilligungsquote für chemisch-pharmazeutische Unternehmen (90 %), die ein beantragtes Fördervolumen von insgesamt 110 Mio. EUR erreichen. Ablehnungsgründe sind meist ein fehlendes Forschungs- und Entwicklungsrisiko oder fehlende Neuheit. „Grundsätzlich wollen wir es den Unternehmen so einfach wie möglich machen, sodass sie ohne externe Beratung auskommen“, sagt Hoffknecht. Dazu will die BSFZ in diesem Jahr KI-Tools entwickeln, die die Antragstellung nochmals erleichtern sollen.

Allerdings lassen sich laut ZEW-Studie die Mehrheit der Unternehmen von professionellen Beratern begleiten. „In dieser ersten Phase der Forschungszulage sind offensichtlich viele Unternehmen auch durch die Kaltakquise von Beratern auf die neue Fördermöglichkeit gestoßen worden“, erklärt der stellvertretende BSFZ-Leiter Thomas Matigat. Mit der Aussicht auf unerwartete, zusätzliche Gelder für ihre Forschung und Entwicklung ohne sich um bürokratische Details kümmern zu müssen, unterschreibt das ein oder andere Unternehmen wohl auch ungünstige Verträge. So kann das Honorar an die in der BSFZ-Bescheinigung abgeschätzte Zulagensumme gekoppelt sein. Doch entscheidend für den Unternehmer und Geschäftsführer ist letztlich, welche Personalkosten und Aufwendungen das jeweilige Finanzamt nach tatsächlicher jährlicher Kostenabrechnung schlussendlich anerkennt. Denn die Unternehmen müssen diese Ausgaben dokumentieren und nachweisen können – ebenfalls rückwirkend.

„Während die Beantragung des Vorhabens bei der Bescheinigungsstelle von den Unternehmen einfach und unkompliziert zu bewerkstelligen ist, kann eine Unterstützung durch Berater bei der Erstellung von Nachweisen für das Finanzamt durchaus hilfreich sein“, so Matigat.

Fallstrick: Dokumentation nach der Bewilligung

An dieser Stelle liegen nach unseren Erfahrungen für Firmen Fallstricke. Deshalb unterstützen wir unsere Kunden bei der Umsetzung einer korrekten Kostenabrechnung und Dokumentation und verfügen dafür über umfangreiches Erfahrungswissen.

Denn in der Praxis stehen die Unternehmen sonst häufig verunsichert vor einem Beamten eines der rund 600 Finanzämter, mit teilweise abweichender Behandlung der Abrechnung und Prüfung. Die Folge: Viele Bescheinigungen warten deshalb aktuell noch auf die Abrechnung der bereits genehmigten Ansprüche. Tatsächlich nennen zwei Fünftel der Unternehmen die Dokumentation der internen F&E-Kosten als größte Herausforderung und weitere 27 % die Kommunikation mit ihrem Finanzamt. Dagegen haben wir inzwischen das Erfahrungswissen von 2.500 Projekten in der Erfüllung der Anforderungen und eine Erfolgsquote von 97 %. Das gilt auch für Hilfe bei der internen Kostenerfassung in den Projekten.
Aktuell liegt laut ZEW-Studie ein Drittel der Anträge unter einer Bewilligungssumme von 50.000 EUR. Das ist aus praktischer Sicht ein Grenz­wert, denn trotz allem Bemühen um ein einfaches Verfahren kosten Beantragung, Dokumentation und die Kommunikation mit Steuerberater und Finanzamt zeitliche und personelle Ressourcen, egal ob mit oder ohne Berater. Die Erhöhung der Förderquote für KMU kann künftig zu einer früheren Wirtschaftlichkeit des Aufwands führen. Ein weiteres Drittel der bewilligten Mittel liegt zwischen 100.000 und 250.000 EUR. Und immerhin 9 % liegen über 0,5 Mio. EUR.

Vor allem KMU sind auf Fördermittel angewiesen, um verstärkt innovative Produkte entwickeln zu können. So geben 64 % der Industrieunternehmen an, dass sie ihre Mittel für marktorientierte F&E einsetzen und 59 % für neue Produkt- und Dienstleistungsangebote. Stand Juli dieses Jahres werden in diesem Jahr mehr als 10.000 Anträge auf Forschungszulage gestellt werden, gegenüber 8.000 im vergangenen Jahr. Auch in der chemisch-pharmazeutischen Industrie ist somit noch Potenzial nach oben, so der VCI, wenn es gelingt, auch den zweiten Antragsschritt verlässlicher zu etablieren.

Judith Cudaj, CEO, Partner für Innovation und Förderung GmbH (PFIF), Lahr und Mannheim

ZUR PERSON
Judith Cudaj ist seit 2012 für die Gesellschaft Partner für Innovation & Förderung (PFIF) tätig, zunächst als Seniorberaterin, Prokuristin und Personalverantwortliche. Seite 2022 ist sie geschäftsführende Gesellschafterin des Unternehmens. Cudaj studierte Chemie an der Universität Karls­ruhe, promovierte am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und war danach als Postdoc am California Institute of Technology.

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