Strategie & Management

Ganzheitliches Geschäftsmodell für saubere Meere

Everwave will Flüsse von Müll befreien und die Ozeane schützen: nachhaltig, skalierbar und transparent

14.09.2022 - Bis zu 11 Mio. t Müll landen jedes Jahr – transportiert u.a. durch Flüsse – im Ozean. Die Lösung von Everwave: Plastic Credits. Für 1 EUR, den ein Unternehmen zahlt, sammelt das Aachener Start-up mit Müllsammelbooten und Plattformen 1 kg Müll aus Flüssen.

Bis zu 11 Mio. t Müll landen jedes Jahr – transportiert u.a. durch Flüsse – im Ozean. Die Lösung von Everwave: Plastic Credits. Für 1 EUR, den ein Unternehmen zahlt, sammelt das Aachener Start-up mit Müllsammelbooten und Plattformen 1 kg Müll aus Flüssen. Das Social Start-up kümmert sich darüber hinaus aber auch um die Weiterverarbeitung des Abfalls, baut Infrastrukturen auf und sammelt mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz wertvolle Daten über den Abfall. Wie Everwave langfristig die Flüsse und Meere aufräumen will, erklärt Mitgründer und CEO Clemens Feigl. 

CHEManager: Herr Feigl, warum müssen wir unsere Flüsse überhaupt aufräumen, und warum machen Sie das?

Clemens Feigl: Wir haben ein globales Müllproblem. In den letzten Jahren stand ich im Balkan und in Asien an Müllteppichen, die so groß waren wie mehrere Fußballfelder. Dort hört man den Müll wie Packeis knacken - das macht etwas mit einem. Die globale Herausforderung entsteht dadurch, dass immer mehr Müll durch fehlende Entsorgungssysteme in unserer Umwelt landet. So auch in Flüssen, die die Haupttransporteure für Müll in unsere Ozeane sind. Wir haben 2018 beschlossen, dieses Problem anzugehen und Müll zu sammeln, aber auch zu verhindern, dass er überhaupt erst im Wasser landet. Mit Everwave stehen wir für eine positive Welle der Veränderung. Nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern mit Engagement und Begeisterung und vor allem Hand in Hand mit Wirtschaft, Gesellschaft und Politik. 

Wo ist Everwave bereits mit seinen Technologien im Einsatz, und wie messen Sie Ihren Impact?

C. Feigl: Begonnen hat alles in der Balkanregion. Durch Corona konnten wir nicht wie geplant in Asien starten und suchten nach Einsatzorten „um die Ecke“, in denen wir mehr als 50 t Müll pro Gewässer sammeln konnten. So waren wir zum Beispiel in der Slowakei, Serbien und Rumänien im Einsatz. Dieses Jahr haben wir dann den ersten Standort in Asien aufgebaut. 
Eines unserer Müllsammelboote, die wir gemeinsam mit dem Hersteller Berky für die jeweiligen Einsatzfälle optimieren, arbeitet auf dem Mekong in Phnom Penh, der Hauptstadt von Kambodscha. Hier haben wir auch eine Sortieranlage gebaut, um langfristig Strukturen zu etablieren. Das ist auch in Sachen Impact unser Ziel: Wir machen unsere Wirkung transparent. Die wichtigste Kennzahl ist die Menge an gesammeltem Müll. Allein in Kambodscha waren es in drei Monaten knapp 70.000 kg. Zusätzlich messen wir, wie viele Menschen wir für das Müllproblem sensibilisieren konnten. Das passiert beispielsweise über Bildungsangebote und Exkurse mit der Politik. Auch so gestalten wir langfristig Wandel mit.

Was ist nötig, um Everwave erfolgreich zu machen? 

C. Feigl: Ich würde sagen, wir sind erfolgreich. Wir sammeln jeden Tag Müll und sensibilisieren Millionen Menschen. Unser Ziel ist es, weiter zu wachsen und noch mehr Projekte umzusetzen. Die größte Herausforderung ist, dass sich niemand für Müll im Wasser verantwortlich fühlt. Deutschland und andere westliche Staaten exportieren jedes Jahr mehrere Millionen Tonnen Müll in andere Länder. Von ungesicherten und illegalen Mülldeponien ist der Weg in Flüsse und ins Meer nicht mehr weit. Wir brauchen auch in Deutschland mehr Unternehmen, die gemeinsam mit uns Verantwortung übernehmen, weil wir im Ausland häufig auch deren Verpackungen einsammeln.

Warum nehmen Sie hier Unternehmen in die Verantwortung?

C. Feigl: Alle gemeinsam haben wir eine Verantwortung für Müll. Wir machen Umweltschutz rentabel und holen die Wirtschaft ins Boot. Nur so ist er nachhaltig. Mit unseren Plastic Credits bieten wir Unternehmen an, sich nachhaltig zu engagieren und Corporate Social Responsibility zu leben. Wirtschaft und Umweltschutz arbeiten so Hand in Hand. Und das wichtigste Argument: so bekommt Everwaves Umweltleistung, das „Müllsammeln“, einen Wert.

Was hebt Sie von anderen Unternehmen ab, die ebenfalls aufräumen? 

C. Feigl: Der Ansatz von Everwave ist ganzheitlich. Viele Unternehmen in diesem Bereich fokussieren sich „nur“ auf das Sammeln von Abfall, was natürlich auch positiv ist. Für uns ist das aber nicht genug, um wirklich nachhaltig Veränderung zu bewirken. Mit den vier Säulen „Erkennen, Sammeln, Recyceln, Inspirieren“ ist unser Ziel, den Abfallkreislauf zu schließen. Mit unserem Partner dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, DFKI, gibt uns der Einsatz von KI die Möglichkeit, wichtige Daten über die Zusammensetzung und Herkunft des Mülls zu gewinnen. Das wird dem gesamten maritimen Sektor langfristig helfen, weil wir noch deutlich zu wenig über den Müll wissen. 

In welchem Stadium befindet sich Ihr Start-up und was werden die nächsten Schritte sein?

C. Feigl: Wir haben Ende letzten Jahres eine kleine Investmentrunde abgeschlossen und fokussieren uns jetzt voll auf die Umsetzung neuer Projekte weltweit und die Gewinnung von neuen Partnern. Diese sind entscheidend für eine langfristige Planung. 
Nachdem wir in den letzten Monaten gewachsen sind, ist es wichtig, sich auch die internen Prozesse, besonders die Kommunikation, immer wieder anzuschauen. Das nimmt mehr Zeit in Anspruch, als häufig nach außen sichtbar ist. 

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Zur Person
Clemens Feigl ist Mitgründer und seit Oktober 2021 Geschäftsführer von Ever­wave. Er war zunächst für die Marken­entwicklung und die Außendarstellung des Start-ups verantwortlich. Feigl studierte Sportwissenschaft an der TU München und machte eine Moderationsausbildung beim SWR. Seinen ursprünglichen Beruf als Journalist und Moderator nutzt er, um die Marke Everwave weltweit zu etablieren und Unternehmen für eine nachhaltige Zukunft zu begeistern. 

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  Lampe      Business Idea

Gemeinsam Impact schaffen

Social Business geht nur, wenn wir im selben Boot sitzen: Gemeinsam mit Unternehmen übernimmt Everwave ökologische und soziale Verantwortung. Das ­Aachener Start-up hat deshalb als eines der ersten Unternehmen das Konzept der „Plastic Credits“ eingeführt. Dabei holt Everwave im Auftrag von Unternehmen Müll aus Flüssen. Ähnlich dem Prinzip der CO2-Kompensation können Unternehmen so ihren Müll- bzw. Plastikfußabdruck kompensieren. Für 1 EUR sammelt Everwave 1 kg Müll. Doch nicht nur das: Ever­wave nutzt künstliche Intelligenz zur Gewinnung von Daten über die Zusammensetzung des Abfalls, die sehr stark variieren kann (z.B. Flaschen aus Plastik oder Glas, Metallgegenstände, Holz, Textilien oder Autoreifen bis hin zu ganzen Haushaltsgeräten wie Kühlschränken) und entwickelt lokale Recycling­strukturen weiter. Zudem können Unternehmen z.B. auch Boots­patenschaften für die effizienten Müllsammelboote übernehmen und Kooperationspartner werden.

Ganzheitlich Flüsse aufräumen
Everwave will den Müllkreislauf schließen. Die vier Elemente des ganzheitlichen Ansatzes sind das Sammeln, Analysieren und Rezy­klieren des Abfalls sowie das Sensibilisieren der Bevölkerung:

Collect: Everwave bringt innovative Müllsammelboote und Flussplattformen weltweit in den Einsatz. 

Detect: In Kooperation mit dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) detektiert und analysiert Everwave Müll mit Hilfe einer Bilderkennung. Dies gibt Rückschlüsse auf Zusammensetzung und Verursacher. 

Recycle: Das Start-up kümmert sich um das Co-Processing des Abfalls und baut an den Einsatzorten langfristige Infrastrukturen mit auf. Oft wird der Müll aufgrund des Mangels an Alternativen in die thermische Verwertung gegeben. In Forschungsprojekten und mit Kooperationspartnern arbeitet Everwave aktiv daran, den Müll wieder zu einer neuen Ressource zu machen. 

Inspire: Mit Vorträgen und Medienauftritten wird die Öffentlichkeit auf das globale Müllproblem, das Umwelt, Mensch und Tier betrifft, aufmerksam gemacht. Gleichzeitig sorgt eine eigens gegründete Everwave Foundation für Umweltsensibilisierung in Schulen in Deutschland und an den Einsatzorten.

Everwave GmbH, Aachen 
www.everwave.de

Logo

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 FahrstuhlElevator Pitch

Müll einen Wert geben

Das Aachener Social Business Everwave hat sich im Dezember 2018 mit dem Ziel gegründet, den Müllkreislauf zu schließen und Flüsse von Abfall zu befreien. Das Start-up verfolgt dabei einen ganzheitlichen Ansatz und betreibt nicht nur eine wachsende Flotte an Müllsammelbooten, sondern sammelt auch Daten über den gesammelten Abfall, baut Recycling­strukturen auf und sensibilisiert die Bevölkerung für das Müllproblem. 
Seit der Gründung ist das Team von Everwave auf 16 Mitarbeitende gewachsen, die aus den unterschiedlichsten Fachrichtungen wie Biologie, Ingenieurwesen, Geschichte, Betriebswirtschaft oder Sportökonomie kommen. 


Meilensteine

Technologie

  • Entwicklung und Patentierung der Flussplattform HiveX
  • Piloteinsatz des ersten Müllsammelboots in der Slowakei
  • Heute: 3 Müllsammelboote im Einsatz und erster Piloteinsatz der Flussplattform 
  • Clean-up-Standorte auf 2 Kontinenten (Europa und Asien)

Forschung:

  • Teil von zwei staatlich geförderten Forschungsprojekten:
    - MIX-UP (Zersetzung von Müll durch Bakterien) und
    - PlasticObs+ (Erkennung von Müll durch KI)
  • Awards (Highlights):
    - KfW Award Gründen (Herbst 2021)
    - Finalist für den Umwelt­wirtschaftspreis NRW
    - SolarImpulse Efficient Solution Label für beide Clean-up Technologien

Finanzierung:

  • Erfolgreicher B2B Launch des Produkts „Plastic Credits“ (September 2021)
  • Erste Investmentrunde (Dezember 2021)

Kunden und Kooperationspartner (Auszug):

  • Mastercard, Grohe, Audi Stiftung für Umwelt, Ferry-Porsche-Stiftung, Kühne & Nagel, Landmarken AG, Mymuesli, Octopus Energy, Babor.

Roadmap:

  • Etablierung von weiteren Clean-­up Standorten (u. a. auch in Afri­ka)
  • Ausbau der Flotte an Müllsammelbooten
  • Erste sinnvolle Produkte aus dem gesammelten Material
  • Ausbau der Plastic-Credits-Kundenbasis mit dem Ziel, der weltweit größte Plastic-Credits-Anbieter zu werden

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