Anlagenbau & Prozesstechnik

Praktische Umsetzung von Digitalisierungsvorhaben

Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit erhöhen – Digitalisierung macht es möglich

15.09.2021 - Im CHEManager-Interview erläutern Uwe Beyer und Robert Tordy, wie Digitalisierungsprojekte zur Existenzsicherung der Unternehmen sinnvoll angegangen werden.

Sinnvolle Digitalisierung dient der Existenzsicherung der Unternehmen – aber wie und wo anfangen? Volker Oestreich sprach mit  den Digitalisierungsexperten Uwe Beyer, Geschäftsführer von Beyer & Kaulich, und Robert Tordy, CEO von Virtual Fort Knox, über Ziele und Umsetzung von Digitalisierungsmaßnahmen.

CHEManager: Warum wollen oder sollen produzierende Unternehmen nach Ihrer Meinung digitalisieren?

Uwe Beyer:  Das kann man mit einem Satz sagen: Es geht um die eigene Existenzsicherung. Die Unternehmen wollen und müssen ihre Wettbewerbsvorteile erhalten oder ausbauen, indem sie Effizienzsteigerungen umsetzen und mehr Nachhaltigkeit erreichen. Dabei kann die Digitalisierung helfen. Sie ermöglicht volle Transparenz über die gesamte Wertschöpfungskette und die Automatisierung von Prozessen und Tätigkeiten. Wie wir aus Erfahrung wissen, gilt das nicht nur für produzierende Unternehmen.

Dann kann man davon ausgehen, dass in den meisten Unternehmen derzeit Digitalisierungsprojekte laufen?

U. Beyer: Obwohl viele überzeugt sind, dass Digitalisierung auf dem Weg zum nachhaltigen Erfolg hilft, wird nicht genug oder noch nicht digitalisiert. Das muss sich ändern, sonst verlieren wir international den Anschluss.

Und woran liegt das?

Robert Tordy: Das ist eine gute Frage. Unserer Erfahrung nach liegt es daran, dass die meisten Unternehmen nicht genug Beurteilungskompetenz besitzen, um die Angebote am Markt auf ihre Einsatzfähigkeit im eigenen Unternehmen bewerten zu können. Die Firmenlenker sehen oft vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr. Es gibt Hunderte von Angeboten wie „Kaufe Dir das Tool…“, „Hole Dir die Hardware und damit ist das Problem gelöst“. Dem ist aber nicht so!  Eine Digitalisierungsmaßnahme zur Effizienzsteigerung ist eine Transformation im Unternehmen, und zwar nicht nur technisch, sondern auch kulturell.

U. Beyer: Es ist wichtig, die Kompetenz bei den eigenen Mitarbeitern aufzubauen, um die Flut der Angebote und Aussagen auf Nutzbarkeit im eigenen Unternehmen bewerten zu können. Weiterhin motiviert es und schafft Vertrauen in der Belegschaft.

Was ist Ihre Empfehlung, wie die Unternehmen beginnen sollten?

U. Beyer: Man muss sich zunächst im Klaren darüber sein, was die Ziele sind. zum Beispiel will das Unternehmen die Kostenführerschaft, Qualitätsführerschaft, Technologieführerschaft, et cetera, anstreben. Für die Zielerreichung gibt es keine standardisierten Out-of-the-box-Digitalisierungslösungen, die für jedes Unternehmen passen. Aber es gibt Tools und Best-Practice-Methoden, welche in der Kombination die Unternehmen voranbringen.

Und was sind nach Ihrer Beobachtung in der Praxis die Treiber?

U. Beyer: Als Treiber sehen wir zum Beispiel die Existenzsicherung zu beachten, das Generieren von Wettbewerbsvorteilen oder größeren Marktanteilen, den Schutz gegen Disruption sowie einen nachhaltigen Erfolg sichern. Daraus resultieren fast automatisch mehr Gewinn und weniger Probleme.

 

„Kleine Projekte mit wenig Risiko und schnellen Erfolgen sind der Schlüssel zum Erfolg bei der Umsetzung digitaler Maßnahmen."

Robert Tordy, Virtual Fort Knox

Welche konkreten Ziele sollten einem Digitalisierungsprojekt zugrunde liegen?

R. Tordy: Bei der Zielrichtung „Effizienzsteigerung“ sollte die Fokussierung auf Materialeinsparungen, Prozessoptimierungen und Qualitätsverbesserungen liegen. Ist die Nachhaltigkeit das Ziel, sind Energieeinsparungen und weniger Materialausschuss die Treiber zur Optimierung und Reduzierung des CO2-Fußabdrucks. In beiden Bereichen ist die Wissenssicherung für das Unternehmen ein wichtiger Punkt, der mit der Digitalisierung unterstützt werden kann.

Ziele sind ja relativ leicht zu definieren, aber wie startet man dann das Digitalisierungsprojekt?

U. Beyer: Wenn Unternehmen digitale Technologien einsetzen möchten, bedeutet das immer eine ganzheitliche Transformation, nicht nur bei Maschinen und IT-Systemen, sondern besonders auch bei den Mitarbeitern und Führungskräften.

Bei der Umsetzung sind kleine Projekte mit wenig Risiko und schnellen Ergebnissen der Schlüssel zum Gesamterfolg der digitalen Maßnahme. Neben der Effizienzsteigerung und verbesserten Nachhaltigkeit wird durch das Vorgehen parallel Know-how aufgebaut. Gleichzeitig werden  Prozessverbesserungen sowie eine agile Teamarbeit und eine höhere Mitarbeiterqualifikation und -motivation erzeugt.

R. Tordy: Die Lösung fängt mit der Identifikation der relevanten Probleme an, die die Mitarbeiter und Führungskräfte im Unternehmen klar benennen und beschreiben müssen. Hier erleben wir die größte Hürde! Aufgrund der Vielfalt der Themen und Ansatzpunkte sind die Entscheider oft schon mit der Priorisierung der anzugehenden Maßnahmen und damit mit der Problembeschreibung überfordert. Das führt dazu, dass wichtige Themen nicht angefangen und umgesetzt werden.  

Empfehlen Sie eine spezielle Vorgehensweise?

R. Tordy: Ja. Wir haben dazu ein Vorgehen entwickelt, den Digital Project Canvas oder kurz DPC, der praktisch ein 6-Punkte-Plan ist. Wir beginnen damit, ein Problem zu identifizieren und zu beschreiben, damit alle das gleiche Verständnis haben. Das bringt schon die ersten Erkenntnisse und Klarheiten. Danach machen wir das Problem bearbeitbar, indem wir es in ein Nutzenversprechen umformulieren, zum Beispiel „Wir verbessern die Lieferzeit um 10 %.“
Wenn die Fragen im DPC alle beantwortet sind, zeigt er übersichtlich und kompakt auf, welche die Inhalte sind, was genau zu tun ist und wen es betrifft. Im vierten Punkt bewerten wir, was für die Umsetzung benötigt wird, das heißt, welche Daten erfasst werden müssen, welche Hardware und Software sowie Arbeitsmaterialien beschafft werden müssen. Nicht zu vergessen sind interne und externe Ressourcen.

In der nachfolgenden ROI Betrachtung wird offensichtlich, ob sich diese Maßnahme lohnt oder nicht. Denn nicht jede Idee beziehungsweise jedes Vorhaben ist ökonomisch sinnvoll. Das Ergebnis ist eine übersichtliche Entscheidungsvorlage auf einer Seite.

U. Beyer: Hiermit ist das Management in der Lage, Prioritäten zu setzen. Denn für jede mit dem DPC erstellte Entscheidungsvorlage für eine mögliche Digitalisierungs-Maßnahme sind die Einflussfaktoren, Risiken und der Nutzen bekannt.

 

„Die beste Technik nutzt nichts, wenn sie die Menschen nicht nutzen."

Uwe Beyer, Beyer & Kaulich Unternehmensberatung

 

Wie schafft man es, die Komplexität beim Digitalisierungsprozess zu reduzieren und die Menschen dabei mitzunehmen?

R. Tordy: Dazu ist das Herunterbrechen auf die machbaren Dinge und Inhalte erforderlich. Hierzu unterstützt praktische Erfahrung in der Umsetzung.

U. Beyer: Die digitale Transformation ist die Kombination aus der technischen und der organisatorischen Umsetzung, also eine kulturelle Transformation. Das sind auch die Ergebnisse der aktuellen Acatech Maturity Index Studie, die Agilität, Flexibilität und Lernfähigkeit in den Unternehmen fordert, um sich in einer stetig ändernden Umwelt dynamisch anpassen zu können. Das heißt, dass neben dem Auf- und Ausbau der notwendigen technologischen und datenbezogenen Kompetenzen auch die Organisationsstruktur und Kultur eines Unternehmens auszurichten sind.

Wie sieht das weitere Vorgehen nach der Entscheidung ein Digitalisierungsprojekt anzugehen aus?

R. Tordy: Nach der Erstellung eines DPCs kommt ein Grundmuster auf allen Unternehmensebenen zur Anwendung, nämlich Messen – Analysieren – Steuern.

Die im DPC benannten Messungen werden installiert und geprüft. Dabei ist es egal, ob die Messergebnisse von Sensoren, Maschinen oder IT-Systemen kommen. An dieser Stelle lassen sich schon mit ersten Analysen Erkenntnisse gewinnen. Aus den Erkenntnissen kann bereits steuernd gehandelt werden, wie zum Beispiel Maschinen- oder Anlagen-Parameter anzupassen und damit erste Quick wins realisieren.

Dieses Messen – Analysieren – Steuern Grundmuster wird nach und nach in allen Unternehmensebenen realisiert und die Daten zusammengeführt. Daraus ergeben sich weitere Erkenntnisse zur effizienten und nachhaltigen Steuerung des Unternehmens. Ob eine Datenauswertung manuell, teil- oder vollautomatisch mit Unterstützung einer KI erfolgt, ist eine Entscheidung des Unternehmens. Um die größtmögliche Flexibilität für das Messen und Analysieren zu erhalten, sind einfache generische Tools, die immer wieder verwendbar sind, die Richtigen.

Haben sie für diese komplexe Themenvielfalt alle Kompetenzen in ihren Unternehmen?

U. Beyer: Nein, keine Firma hat Experten auf allen Gebieten. Nach unseren Erfahrungen kann die digitale Transformation nur durch ein Zusammenwirken von Experten, also durch Teamarbeit, erfolgreich umgesetzt werden. Wir bauen schon seit Jahren ein Partner- und Experten-Eco-System auf, das aus Naturwissenschaftlern und Verfahrenstechnikern, aus Ingenieuren unterschiedlicher Fachrichtungen, aus KI- und IT-Experten, Sozialwissenschaftlern, Betriebswirten, Juristen oder  Finanzierungsspezialisten besteht.

Was sind die wichtigsten Maßnahmen aus Ihrer Sicht, um Digitalisierungsprojekte erfolgreich zu gestalten?

R. Tordy: Wichtig ist, Methoden, Tools und Produkte einzusetzen, die den End-2-End-Prozess und damit die gesamte Wertschöpfungskette nachhaltig und ausbalanciert gestalten.

U. Beyer: Nach unseren Erfahrungen ist es bei Digitalisierungsprojekten ausschlaggebend, Technik und Menschen in Einklang zu bringen.

 

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