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Von New Work zum New Normal – Arbeitswelt neu denken

Führungskräfteverband VAA unterstützt Führungskräfte beim Wandel der Arbeitswelt

18.05.2022 - Vor dem Hintergrund von Klimakrise, Coronapandemie und Ukraine-Krieg wird ein menschenfreundliches Arbeitsumfeld, in dem Mitarbeiter aus intrinsischen Motiven heraus Leistungen erbringen und Unternehmen Verantwortung gegenüber der Umwelt übernehmen immer wichtiger.

Bereits in den 1980er Jahren entwickelte der Philosoph Frithjof Bergmann das Konzept der Neuen Arbeit. Die Zeit war von ähnlichen strukturellen Umbrüchen gekennzeichnet wie die heutige. Vor dem Hintergrund von Klimakrise, Coronapandemie und Ukraine-Krieg wird ein menschenfreundliches Arbeitsumfeld, in dem Mitarbeiter aus intrinsischen Motiven heraus Leistungen erbringen und Unternehmen Verantwortung gegenüber der Umwelt übernehmen – kurz ein New-Work-Umfeld – immer wichtiger. Der Akademiker- und Führungskräfteverband VAA unterstützt Mitglieder und Unternehmen dabei, die Arbeitswelt von morgen zu gestalten. Andrea Gruß sprach mit Birgit Schwab, 1. Vorsitzende des VAA über Voraussetzungen und Chancen der Transformation.

CHEManager: Frau Schwab, was verbinden Sie persönlich mit dem Begriff „New Work“?

Birgit Schwab: New Work heißt für mich, Arbeitswelt neu zu denken. Wie arbeiten wir in Zukunft zusammen? Wie binden wir Mitarbeiter ein und vernetzen sie? Gemeinsamer Erfolg wird nicht mehr wie früher Top-down kreiert, sondern durch ein selbständiges agierendes Team. Dafür muss sich die Kultur in vielen Unternehmen ändern und an den Bedürfnissen der Menschen orientieren. Sie sollte ihnen Sicherheit und Anerkennung, aber auch Freiräume bieten und Individualität fördern. Früher wurden Mitarbeiter, die etwas anders gemacht haben, eher zurückgeholt. In der neuen Arbeitswelt heißt es nicht mehr, du bist anders, sondern eher, du bereicherst unser Portfolio.

Welche Rahmenbedingungen fördern selbstorganisiertes Arbeiten?

B. Schwab: Vertrauen ist die Basis für New Work, aber es braucht auch ein gemeinsames Ziel für ein gelingendes Miteinander. Dieses muss klar definiert sein, sonst ist die Zusammenarbeit nicht erfolgreich. Mitarbeiter brauchen Freiräume, um ­kreativ zu arbeiten, sollten dabei aber das übergeordnete Ziel nicht aus den Augen verlieren. Wichtig sind auch Rückkopplungsmechanismen. Sie fördern die Motivation. Das gemeinsame Feiern von Erfolgen verbindet und gibt dem Team Sicherheit.

 

„Vertrauen ist die Basis für New Work,
aber es braucht auch ein gemeinsames Ziel
für ein gelingendes Miteinander.“

 

Inwieweit verändert dies die Anforderungen an Führungskräfte?

B. Schwab: Sie müssen als Führungskraft wirken und nicht mehr als Manager. Leadership, das heißt andere Menschen über gemeinsame Ziele zu inspirieren und zu motivieren, gewinnt an Bedeutung. Führungskräfte sollten ein Umfeld schaffen, das sowohl Kreativität als auch die Selbständigkeit im eigenen Tun fördert. Dazu muss Verantwortung wirklich übergeben, aber auch übernommen werden.

Welche besonderen Herausforderungen stellen sich dabei in der Chemieindustrie?

B. Schwab: Die Chemie ist keine Dienstleistungsbranche, sondern stellt handfeste Produkte her. Es sitzen bei Weitem nicht alle Mitarbeiter am Rechner und können remote von zuhause arbeiten. Viele sind auch in der Produktion vor Ort tätig. Sie arbeiten zusammen mit Büromitarbeitern aus unterstützenden Einheiten, zum Beispiel aus dem Bereich Procurement & Logistics. Für die Zusammenarbeit dieser Teams muss ein funktionierendes Set-up gefunden werden – keine leichte Aufgabe für die Führungskräfte dieser Teams, insbesondere in Zeiten der Pandemie.

In welchen Bereichen ist agiles Arbeiten von Vorteil, wo ist es gegebenenfalls weniger förderlich?

B. Schwab: Im klassischen Produktionsumfeld bedarf es sehr klarer Richtlinien. Agiles Arbeiten ist hier weniger gefragt. Im Gegenteil, bei der Arbeitssicherheit oder einem Herstellprozess ist Kreativität oder eine neue Herangehensweise eher schädlich. Denn wenn ein Mitarbeiter sagt, ich mache das anders, kommt dabei in der Regel kein spezifikationsgerechtes Produkt heraus.
In der Supply Chain kann Krea­tivität bedingt von Nutzen sein, zum Beispiel wenn es gilt, in kurzer Zeit neue Lieferanten für Container oder Gebinde zu finden, so wie wir es während der Coronakrise erlebt haben. Doch in der Regel sind die Spielräume für agiles Arbeiten in der Supply Chain oder Logistik gering. Anders im Bereich Innovation: Hier sind Chemieunternehmen auf Krea­tivität angewiesen. Zum Beispiel wenn es darum geht, innerhalb bestehender Freiheitsgrade nachhaltige Produkte in den drei Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales zu schaffen. Große Kreativität ist auch gefragt, wenn es um die Einsparungen von CO2-Emissionen geht. Denn hier stoßen wir sehr schnell an Limits, weil nicht genügend grüner Strom zur Verfügung steht. Ein Thema, das derzeit viele in der Chemieindustrie umtreibt.

Eine im Mai veröffentlichte Studie des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO befasst sich mit der Situation von VAA-Führungskräften nach zwei Jahren Coronapandemie (vgl. Kasten). Was hat sich in den vergangenen beiden Jahren in Ihrem Arbeitsalltag verändert?

B. Schwab: Wir haben zum Beispiel bei Wacker bereits lange vor den Corona­zeiten begonnen, Zusammenarbeit neu zu denken und agile Arbeitsweisen angewandt. Als wir im März 2020 alle ins Homeoffice gingen, hatten wir viele Methoden und Kommunikationstools schon praktiziert. Die Coronapandemie hat diesen Lernprozess nochmals beschleunigt.
Seit Beginn der Pandemie hat sich unsere Rolle als Führungskraft deutlich verändert. Wir agieren mehr als Begleiter oder Coaches und nehmen eine Leadership-Rolle wahr, statt die eines Vorgesetzten. Führungskräfte, die weiterhin als Manager, vor allem Mikromanager, tätig sind, werden früher oder später im Umfeld einer neuen Arbeitswelt auf der Strecke bleiben.

Wo liegen die Chancen dieser neuen Arbeitswelt?

B. Schwab: Eine große Chance sehe ich darin, dass Menschen aufgrund neuer Arbeitsweisen und Tools effektiver zusammenarbeiten. Sie sind nicht mehr nur „anwesend“, sondern nutzen ihre Arbeitszeit effizient und sind fokussierter. Hybrides Arbeiten, das heißt flexible Arbeitsmodelle in Bezug auf Zeit und Ort, bietet zudem Chancen für eine bessere Work-Life-Balance, Ressourceneinsparung und Krisen­resilienz.
Zwar haben noch einige Mitarbeiter Probleme in Bezug auf die Entgrenzung von Arbeit und Privatleben – das zeigen auch die Ergebnisse der Fraunhofer-Studie – aber für viele Mitarbeiter entspannt sich die Arbeitssituation, wenn sie auch mal von zuhause arbeiten können. Und es steigert wiederum die Bereitschaft, dem Unternehmen Flexibilität zurückzugeben. Die Balance zwischen Geben und Nehmen ist hier sehr wichtig.

Welches Mindset braucht es, damit selbstorganisierte Arbeit gelingt?

B. Schwab: Vertrauen und Offenheit für Neues sind wichtig, ebenso Werte wie Selbstständigkeit, Handlungsfreiheit, Teilhabe und Transparenz. Aber auch Umsetzungswillen, positives Denken und Zukunftsorientierung gehören dazu.
New Work funktioniert nicht ohne vernetztes Arbeiten, nicht nur innerhalb eines Unternehmens, sondern auch zwischen Unternehmen. Wir müssen in der chemischen Industrie an einem Strang ziehen bezüglich unserer gemeinsamen Mission einer nachhaltigeren Chemie, die einen Beitrag für eine besser Zukunft leistet. Denn sobald nur ein Unternehmen aus der Reihe tanzt, steht die ganze Branche am Pranger.

 

„Vertrauen und Offenheit für Neues
sind wichtig. Aber auch Umsetzungswillen,
positives Denken und Zukunftsorientierung.“

 


Deshalb hat der VAA eine Plattform aufgebaut, auf der sich Mitglieder aus den Unternehmen über Themen zu New Work austauschen können. Wir sammeln Material, werten es aus und kommunizieren die Ergebnisse. Wir stellen Best-Practice-Beispiele aus den Unternehmen dar und lassen Beteiligte zu Wort kommen, wie bei der Tagung „New Work im New Normal“ die wir Mitte Mai in Kooperation mit der Dechema und dem BAVC in Frankfurt veranstaltet haben. So geben wir unseren Mitgliedern, und damit den Unternehmen die Möglichkeit, von den Fortschritten anderer zu profitieren.

Das Interview mit Birgit Schwab führte Andrea Gruß, CHEManager

ZUR PERSON
Birgit Schwab wurde im Mai 2021 zur 1. Vorsitzenden des VAA – Führungskräfte Chemie gewählt. Zuvor war sie von 2011 bis 2020 als Landesgruppenvorsitzende Bayern für den Verband aktiv. Die promovierte Biologin ist Leiterin Quality bei Wacker Biosolutions, einem Geschäftsbereich der Wacker Chemie. Sie ist Vorsitzende des Sprecherausschusses Werk Burghausen sowie Mitglied des Aufsichtsrats der Wacker Chemie. Schwab engagiert sich auch im Netzwerk VAA connect. Das im Jahr 2016 gegründete Frauennetzwerk bietet eine Plattform für den unternehmensübergreifenden Erfahrungsaustausch.

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Studie: New Work im New Normal
Wie haben sich Arbeitswelt und Führung im New Normal verändert? Und wie wird die Gestaltung der Arbeitswelt in Zukunft aussehen? Für die Studie „New Work im New Normal – Learning und Schlussfolgerungen aus der Corona-Pandemie“ des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) wurden im März 2022 die Antworten von mehr als 1.000 Mitgliedern des VAA ausgewertet.
Die Studie widmet sich den langfristigen Folgen der Pandemie für die Beziehung zwischen Arbeitgeber und -nehmer in hybriden Arbeitswelten. Die Ergebnisse wurden am 11. Mai auf einer gemeinsamen Veranstaltung von VAA und Dechema in Frankfurt am Main präsentiert. Die Studie kann angefordert werden bei:
klaus.hofmann@vaa.de

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