Strategie & Management

KI – Klippen beim Patentschutz künstlicher Intelligenz

18.10.2023 - Bleibt der Innovationsschutz auf der Strecke oder ist KI ein Katalysator für schützbare Innovationen?

Die möglichen Auswirkungen von künstlicher Intelligenz (KI) auf Patent-, Design- und Urheberrechtsschutz lassen sich aktuell nur erahnen. Diese reichen von einer deutlichen Beschleunigung jeglicher Innovationen bis zur Erkenntnis des Zauberlehrlings aus 1797 aus Johann Wolfgang von Goethes Ballade „Die ich rief, die Geister werd ich nun nicht los.“ Dabei sind Gesellschaft und Gesetzgeber aufgerufen, die unerwünschten Eigenschaften der KI zu ihren „Zwecken“ zu regulieren, weiterzuentwickeln und aufeinander abzustimmen. Herausfordernd wird die Geschwindigkeit der Veränderungen durch KI auf den Innovationsschutz sowie die Komplexität der Anwendungsfälle und – ob die Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen Schritt halten kann.

In unserem Beitrag „Künstliche Intelligenz – ein Werkzeug für Erfindungen“, erschienen in CHEManager 8/2023, haben wir die Anwendung von KI in der chemischen, pharmazeutischen und biotechnologischen Forschung u. a. zur Datenauswertung und Vorhersage beschrieben. Dieser Artikel fokussiert auf strategische Aspekte und beleuchtet einige Klippen beim Innovationsschutz von KI-generierten Innovationen. KI-basierte Innovationen verzahnen patentrechtliche und urheberrechtliche Aspekte auf nie dagewesene Weise.

KI-generierte Erfindungen sind patentierbar – dennoch ist KI ist kein Erfinder

In Europa und den USA haben das Europäische Patentamt, das Bundespatentgericht sowie der US Federal Circuit jüngst entschieden, dass ein Erfinder nur eine natürliche Person ist. In Analogie zu diesen Entscheidungen gehen die Autorinnen davon aus, dass auch ein Entwerfer von Designs nur eine natürliche Person sein kann.

KI kann keine Werke erschaffen – denn Werke sind persönliche geistige Schöpfungen

Im Urheberrecht stellt der Gesetzeswortlaut klar, dass ein urheberrechtlich geschütztes Werk nur einer persönlichen geistigen Schöpfung entspringen kann. Auch in den USA ist im letzten Monat der KI-generierte Urheberrechtsschutz – auch Copyright genannt – gerichtlich in einem ersten Urteil abgelehnt worden.

 

„KI-basierte Innovationen verzahnen patentrechtliche und urheberrechtliche Aspekte auf nie dagewesene Weise.“

 

KI als Werkzeug beim Innovationsschutz

Grundlage des monopolisierbaren Innovationsschutzes ist anerkanntermaßen die persönliche geistige Schöpfung einer natürlichen Person. Damit kann die KI als Werkzeug der natürlichen Person den Erfinder, Entwerfer oder Urheber unterstützen.

Ist der Schutz von KI-Erzeugnissen oder von Innovationen vor Nutzung durch KI möglich?
Entwickler und Investoren einer KI haben Interesse am Schutz ihrer Entwicklungen. Hier ist jedoch nach unserer Auffassung zu unterscheiden, ob sie ein legitimes Interesse an der KI haben oder auch an der trainierten KI. Im Hinblick auf die trainierte KI ist nach unserer Auffassung die genutzte Datenbasis für die Beantwortung der Frage entscheidend.

Es ist davon auszugehen, dass viele trainierte KIs mit gemeinfreien Daten, publizierten wissenschaftlichen Daten, Daten aus dem Internet und auch anhand riesiger Datenmengen in öffentlich zugänglichen Patentdatenbanken oder auch unerkannt mit vermeintlich „anonymisierten Daten“ gefüttert wurden, sodass gute Argumente angeführt werden könnten, die Vorhersagen, Übersetzungen, Beiträge zu Erfindungen dieser KI ebenfalls als gemeinfrei einzustufen.

KI-Erzeugnisse und Datenbasis

Die seit 2021 in Kraft getretene Text- und Data-Mining-Regelung des Urhebergesetzes von rechtmäßig zugänglichen Werken ist als Erlaubnisnorm ausgestaltet. Ausgenommen von der Nutzung sind u. a. online zugängliche Werke mit einem maschinenlesbaren Nutzungsvorbehalt.

In Bezug auf die Nutzung von Text und Data Mining mit dem Zweck der wissenschaftlichen Forschung sieht das neue Urhebergesetz gesetzliche Schranken vor. So ist die Vervielfältigung nur für einen beschränkten Kreis an wissenschaftlich forschenden Einrichtungen freigestellt, die keine kommerziellen Zwecke verfolgen oder sämtliche Gewinne in die wissenschaftliche Forschung reinvestieren oder im Rahmen eines staatlich anerkannten Auftrags im öffentlichen Interesse tätig sind.

Aber wie wird mit den bereits zuvor seit Jahren vereinnahmten Daten aus bspw. Patentdatenbanken, die wissenschaftliche Forschungsergebnisse offenbaren, umgegangen, die Microsoft und Google & Co. bereits vor Jahren für das Training von KI genutzt haben und bereits kommerziell nutzen oder zukünftig nutzen werden. Entsprechend schwierig scheint auch ein rückwirkender Nutzungsvorbehalt bei Werken. Auch Patentanmeldungen können Sprachwerke als persönliche geistige Schöpfung bilden, wenn der technisch wissenschaftliche Inhalt mit persönlicher geistiger Schöpfung aufbereitet wurde. Patentanwälte sollten überlegen, ob zukünftig nicht Beschreibung und Ansprüche mit entsprechenden Nutzungsvorbehalten versehen werden, um ihre geistige Schöpfung vor KI zu schützen.

Eine transparente Kenntlichmachung aller genutzten Trainingsdaten ist nach unserer Ansicht sowohl essenziell für eine Abgrenzung von schützenswerten KI-Erzeugnissen und gemeinfreien KI-Erzeugnissen als auch einer Vergütung bei Nutzung vergütungspflichtiger Daten.

Um KI-Erzeugnisse schützen zu können, haben Unternehmen ein starkes Interesse, eine KI an eigenen Trainingsdaten zu trainieren. Wie vorstehend erläutert, sind Text und Data Mining durch das neue Urhebergesetz für die wissenschaftliche Forschung enge Grenzen gesetzt.

Nacharbeitbarkeit der Erfindung durch Dritte ist Klippe für KI-generierte Erfindungen
Die Datenbasis und die trainierte KI bereiten weitere Herausforderungen beim Patentschutz, denn eine Erfindung muss für Andere nacharbeitbar offenbart werden. Wenn eine KI jedoch als Black-Box funktioniert, die Daten nach einer unbekannten Methode verarbeitet, schließt dies die geforderte Nacharbeitbarkeit einer Erfindung per se aus. Patent­anmelder müssen daher sorgsam abwägen, wie sie ihre Datenbasis der Trainingsdaten und die KI offenbaren, sodass Dritte die Erfindung nacharbeiten können, ohne selbst erfinderisch tätig werden zu müssen. Auch als „Halluzinationen“ bezeichnete Unwahrheiten der KI müssen sorgfältig berücksichtigt werden, wenn die Nacharbeitbarkeit nicht in Frage gestellt werden soll.

 

„Der richtige Mix aus naturwissenschaftlicher menschlicher Expertise und Anwendung von KI in technischen Bereichen ist der Innovationstreiber.“

 

KI-generierte Erfindungen lösen technisches Problem

Erfindungen, die KI nutzen, fallen unter computerimplementierte Erfindungen, für die es etablierte Rechtsprechung gibt. So ist ein technischer Charakter eines KI-gestützten Verfahrens oder einer Vorrichtung eine notwendige Voraussetzung für eine schützbare Erfindung. Da die KI auf Rechenmodellen, mathematische Algorithmen oder Software an sich beruht, ist sie als solche vom Patentschutz ausgeschlossen. Erst durch die Lösung einer technischen Aufgabe ebnet sich für die KI der Weg zum Patentschutz, wenn die KI eine technische Wirkung erzeugt, die über die Implementierung der Simulation in einem Computer hinausgeht. Typische Beispiele für patentfähige technische Lösungen mittels KI liegen im Bereich der Medizintechnik oder industriellen technischen Anwendung bei einer Klassifizierung von digitalen Bildern, Videos, Audio- und Tonsignalen als auch in der Datenanalyse im Bereich der Chemie, Pharmazie, Life Sciences und Biotechnologie.

KI als Innovationstreiber der europäischen Industrie

Ein sinnvoller Einsatz von KI wird Forschern unter Nutzung dieser Technologie dazu befähigen, innovative technische Lösungen zu erfinden, die bislang undenkbar waren. Ein Stolperstein auf dem Weg zum Patentschutz kann die Nutzung der KI als Black-Box in einer Gesamtlösung sein, wenn die Trainingsdaten und die KI nicht ausreichend offenbart werden.

Der richtige Mix aus naturwissenschaftlicher menschlicher Expertise und Anwendung von KI in technischen Bereichen ist der Innovationstreiber. Die obige Frage im Titel kann somit eindeutig beantwortet werden. KI ist ein Katalysator für schützbare Innovationen, die Gegenstand von Technologietransfers und von Softwareverträgen sein können.

Autorinnen: Tanja Bendele und Anna K. ­Heide, Patentanwältinnen, Ruhr-IP Patentanwälte, Essen

 

Zur Person

Tanja Bendele ist Gründungspartnerin der Kanzlei Ruhr-IP Patentanwälte und leitet die Bereiche Chemie und Pharmazie sowie die zugehörigen Bereiche Life Sciences, Medizintechnik, 3D-Technik und Verfahrenstechnik. Sie vertritt internationale Konzerne sowie deutsche, mittelständische Unternehmen. Die promovierte Chemikerin ist deutsche Patent­anwältin und European Patent Attorney, Vertreterin vor dem Einheitlichen Patentgericht und studiert E-Technik. Sie ist Vorstandsmitglied der Patentanwaltskammer, Vorsitzende des Ausschusses für Patent- und Gebrauchsmusterrechtgesetz der Patent­anwaltskammer sowie Vorstandsmitglied der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR), Bezirksgruppe West.

Zur Person

Anna K. Heide leitet die Bereiche Life Sciences und Biotech der Kanzlei Ruhr-IP Patentanwälte. Sie ist zugelassene deutsche Patent­anwältin sowie European Patent Attorney, Vertreterin vor dem Einheitlichen Patentgericht und vertritt etablierte Unternehmen der Life-Sciences-Branche. Einer ihrer Schwerpunkte sind interdisziplinäre Technologien. Die promovierte Biologin ist sowohl stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Biotechnologie der Deutschen Patentanwaltskammer sowie des Business-Netzwerks für Managerinnen in den Life Sciences der Vereinigung Deutsche Biotechnologie-Unternehmen (VBU).

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