Anlagenbau & Prozesstechnik

Flanschmontage in vier Schritten

Betriebsingenieure diskutieren Dichtigkeit von Flanschverbindungen

07.10.2015 -

Beim Treffen der Betriebsingenieure der Regionalgruppe Nord bei Dow Stade diskutierten sie die Dichtigkeit von Flanschverbindungen und die Umsetzung der VDI 2290.

Für ihr zweites Treffen haben sich die Betriebsingenieure der neuen Regionalgruppe Nord ein bundesweit immer noch heiß diskutiertes Thema vorgenommen: Dichtigkeit von Flanschverbindungen und die Umsetzung der VDI 2290 in die Praxis. Karen Borchers vom Standort Dow in Stade erläutert den modernen und pragmatischen Ansatz von Dow zur Umsetzung der vorgeschriebenen Anforderungen.

Professionelles Flansch-Management bei Dow Stade
In den Produktionsanlagen des Stader Werks gibt es etwa 150.000 Flanschverbindungen und somit ein hohes Potential für Leckagen. Erklärtes Ziel ist es seit jeher, diese Leckagen zu minimieren bzw. am besten vollständig  zu vermeiden – und dies natürlich im Sinne des allgemeinen Umwelt- und Gesundheitsschutzes aber auch im Sinne der Ressourceneffizienz und der bestmöglichen Verwertung von Edukten und Produkten. Daher hat Dow bereits 2009 seine sogenannte „Global Flange Assembly Policy“ implementiert. Diese Global Flange Assembly Policy besteht aus vier Vorgehensschritten und unterscheidet drei Montage-Level.

Schritt 1: Präferenzliste für Dichtungen
Im ersten Schritt wird die Auswahl der geeigneten Dichtung gemäß Rohrleitungsspezifikation und Dow-Präferenzliste für Dichtungen getroffen. Bei der Erstellung der Dow-Präferenzliste für Dichtungen wurde darauf geachtet, eine möglichst geringe Anzahl an Dichtungen vorzuhalten, um eine möglichst geringe Verwechslungsgefahr sicherzustellen. So besteht die Auswahl für statische Dichtungen aus acht verschiedenen Modellen, deren Spezifikationen auf übersichtlichen Tabellen verzeichnet sind. Diese folierten Tabellen passen in jede Jackentasche und sind dadurch jederzeit griffbereit.

Schritt 2: Montage-Level
Im zweiten Schritt werden die Aufgaben in drei Montage-Level in Abhängigkeit vom Durchflussmedium unterteilt. Beim sogenannten Level 1 handelt es sich um Betriebsmittel wie Wasser, Wasserdampf, Stickstoff, o.ä. Hier ist die Montage mit dem Schraubenschlüssel ausreichend. Level 2 bezieht sich auf Prozessmedien wie z. B. Salzsäure oder Natronlauge, hier steigen die Anforderungen und es erfolgt eine Montage mit dem Schraubenschlüssel und bei größeren Nennweiten eine anschließende Kontrolle per Drehmomentschlüssel. Für die wenigen im Werk verwendeten giftigen Stoffe ist eine Montage mit dem Schraubenschlüssel mit anschließender Kontrolle per Drehmomentschlüssel und zusätzlich eine qualitätsgesicherte Kennzeichnungsprozedur für alle Flansche erforderlich (Level 3).

Schritt 3: Drehmoment
Im dritten Schritt werden für die Level 2 und Level 3 die erforderlichen Drehmomente mithilfe einer übersichtlichen Tabelle ermittelt. Die in dieser Tabelle aufgeführten Werte entsprechen der optimalen Flächenpressung zwischen den Dichtungen der Präferenzliste (siehe Schritt 1) und dem Flansch und sind nach verschiedenen Materialien aufgeteilt. Zum Einsatz kommen ausschließlich kalibrierte Drehmomentschlüssel, die in einer Werkstatt qualitätsgesichert überprüft werden.
Hilfreich – nicht nur für junge Kollegen und Berufseinsteiger – sind die Dichtungsschaukästen in den Werkstätten. Auch hier wird der Dow-Ansatz vorbildlich verfolgt, die Prozedur für den einzelnen Mitarbeiter so einfach wie möglich zu gestalten, um mögliche Unachtsamkeiten oder Fehler weitestgehend zu minimieren.

Schritt 4: Kontrolle und Dokumentation – Kennzeichnungsprozedur für Level 3
Gemäß der „Global Flange Assembly Policy“ von Dow muss jede Flanschverbindung, die Level 3 zugeordnet ist, eine qualitätsgesicherte Kennzeichnungsprozedur durchlaufen. Dazu erhält jede betreffende Flanschverbindung eine Nummer. Die Leitungsnummer plus eine fortlaufende Nummer wird auf ein Metall- oder Kunststoffschild mit dem Zusatz „Achtung Level 3-Rohrleitung!“ graviert. Das Schild wird am betreffenden Flansch befestigt und in der Isometrie die entsprechende Nummer der Leitung zugeordnet.
Die Montagedaten werden den vorhandenen Dokumenten entnommen und dem Monteur zur Verfügung gestellt. Für jede montierte Verbindung wird ein Flanschmontageanhänger (Name Monteur und Unterschrift Flanschinspektor) vor Ort angebracht. Nach Inbetriebnahme wird dieser Anhänger entfernt und bis zur nächsten Montage in der Anlage archiviert. Es wird ein Flansch-Service-Koordinator benannt, der für die Identifikation, Dokumentation und Archivierung verantwortlich ist.
Dow Stade betreibt seine „Global Flange Assembly Policy“ mit großem Aufwand und Kontinuität: Seit dem Jahr 2009 wurden etwa 1.500 Fachkräfte geschult. Dazu gehören alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einschließlich der Kollegen von Partnerfirmen, die mit der Montage von Flanschverbindungen betraut sind. Sie alle bekamen ein „Classroom Training“, und das Wissen wird ständig durch Online-Lernprogramme aufgefrischt. Zusätzlich haben die Mehrzahl der Monteure der Rohrbaufirmen eine Unterweisung nach DIN EN 1591-4 erhalten. Die professionelle Montage von Flanschverbindungen wird als persönlicher Beitrag zu mehr Umwelt- und Gesundheitsschutz betrachtet. Rohrleitungen und Anlagen­equipment können nach Wartung und Inspektion effizienter in Betrieb genommen werden. Für diesen Beitrag zu Umweltschutz und Ausbildung bewarb sich Dow 2013 beim „Responsible-Care-Wettbewerb“ und wurde vom Verband der Chemischen Industrie (VCI) mit dem zweiten Platz auf Bundesebene ausgezeichnet.


Regionalgruppe Nord
Das nächste Treffen der Regionalgruppe Nord findet am 24. November 2015 bei der Bayer AG in Brunsbüttel statt

Kontakt
Regionalgruppe Nord
Prof. Falk Beyer, Hochschule für angewandte Wissenschaften HAW Bergedorf
falk.beyer@haw-hamburg.de

6. Jahrestreffen der Betriebsingenieure am 13.11.2015 in Frankfurt/Main
Am 13. November 2015 findet das 6. Jahrestreffen der Betriebsingenieure in Frankfurt/Main statt. Die Vorträge und intensiven Diskussionen unter dem Motto „Trends und Innovation in der betrieblichen Praxis“ thematisieren aktuelle Herausforderungen und typische Aufgabenstellungen. Mit der Zielsetzung “Von Betriebsingenieuren für Betriebsingenieure“ erwartet Sie ein abwechslungsreiches und informatives Programm mit praktischen Hilfestellungen und vielen Kontaktmöglichkeiten.
Themenschwerpunkte:

  •  Industrie 4.0: Trends und Bedeutung für die Prozessindustrie
  •  Alltägliche Herausforderungen: „Kleine“ Stillstände – „kleine“ Projekte
  •  Mehrwert Maintenance – Overall asset effectiveness
  •  Betriebssicherheitsverordnung
  •  Praxislösungen für den betrieblichen ­Anwender


www.vdi.de/gvc/bing2015
www.vdi.de/betriebsingenieure2015

Von der Cow zu Dow
Mit diesen flapsigen Worten kommentierte damals ein Fernsehjournalist die offizielle Eröffnung des Werkes und den industriellen Wandel am Elbufer von Stade. Am 1. Juni 1972 verließ ein Kesselwagen mit dem ersten Produkt das Werk Stade. Dow gehörte damals mit seiner Investition für ein Chemiewerk am Stader Elbestrand zu den Pionieren, die aus einer strukturschwachen, landwirtschaftlich geprägten Landschaft eine prosperierende Region mit Wachstumsraten über dem niedersächsischen Durchschnitt gemacht haben. Inzwischen wurden über 4 Mrd. € in den integrierten Anlagenkomplex auf dem Bützflether Sand investiert. 1.500 eigene Mitarbeiter und einige hundert Angehörige von Vertragsfirmen stellen jährlich in 16 Produktionsanlagen auf einer Fläche von etwa 550 Hektar etwa 3 Mio t Grund- und Spezialitätenchemikalien für den Eigenbedarf und für internationale Kunden her – insgesamt eine Palette von 22 Produkten und Produktfamilien. Dazu gehören z. B. Epoxidharze für Bootskörper, Rotorblätter, Grundierung von Autokarosserien, Klebstoffe, Propylenoxid und MDI als Grundstoffe für die Herstellung von Polyurethane für Fahrzeuginnenausstattungen, Schaumstoffe, Propylenglykol für Arzneimittel, Shampoo, Waschmittel. Außerdem wird hier hochreines, synthetisches Glycerin hergestellt. Unter der Leitung von Produktionsdirektor Wolfgang Möller und seinen Kollegen Carsten Janke und Esteban Pedernera konnten die VDI-Betriebsingenieure diese weltweit noch einzige Anlage für hochreines, synthetisches Glycerin besichtigen. Das hier hergestellte Glycerin ist ein wichtiger Ausgangsstoff für Arzneimittel, Kosmetika, Seifen, etc. der aufgrund seiner hohen Qualität in der ganzen Welt geschätzt ist. Die Rohstoffanlagen des Glycerins für Epichlorhydrin und Allylchlorid waren Teil der Besichtigung. Sie stellen heutzutage neben der Versorgung der Glycerinanlage den Großteil ihrer Produktion für die Erzeugung von Epoxidharzen zur Verfügung.