Chemie & Life Sciences

Ressourcenschutz mit Lösemittelrecycling

Im Recycling von Lösemitteln steckt verkanntes Potenzial

22.05.2016 -

In der Welt der großen Zahlen spielt Lösemittelrecycling eine nur eher untergeordnete Rolle. Weder in den Bereichen Umsatz, Menge oder Arbeitsplätze kann Lösemittelrecycling mit imponierenden Zehnerpotenzen aufwarten. Abgesehen von Krisenzeiten mit Rohstoffverknappungen (Ölkrise, Kriege), in denen es zu einer wichtigen Versorgungseinheit wurde, wird dieser Wirtschaftszweig als Versorgungseinheit und Glied in der chemischen Lieferkette oftmals kaum wahrgenommen.

Schon immer – auch zur Zeit des „Wirtschaftswunders“ – wurde Lösemittelrecycling dennoch aktiv betrieben, weil es ökonomisch war. Doch mit fortschreitendem Wohlstand und der Einstellung „Nur das Beste ist uns gut genug!“, begann eine Krise, die erst durch das „ökologische Gewissen“ beendet wurde; denn Lösemittelrecycling ist ökonomisch und ökologisch sinnvoll. So nimmt es nicht Wunder, dass Lösemittelrecycler lange vor Wissenschaftlern die „Kreislaufwirtschaft“ mit ihren Errungenschaften propagiert haben. Hierzu gehören Sicherheitsgebinde für die Ver- und Entsorgung der Lösemittel beim Anwender, neue Technologien bei der Anwendung (statt Substitution des Mediums mit unberücksichtigten Nebenwirkungen) und nicht zuletzt das Angebot, das Lösemittel bzw. Reinigungszyklen zu mieten - heute wissenschaftlich als „C2C“ oder „Rent a Chemical“ bezeichnet.

Recycling per Definition

Auch die Gesetzgebung tat sich in der Beurteilung des Recyclings sowohl im Zusammenhang mit der Gefahrenabwehr als auch in Bezug auf die Ordnung der Abfallwirtschaft insgesamt schwer. So wundert es nicht, dass dieses Problem innerhalb zweier (wesentlicher) europäischer Regelwerke definiert werden musste: Einmal in der direkten europäischen Verordnung REACh für die Chemie, und auf der anderen Seite in der „Waste Framework Directive“, die dann für den Abfall in nationale Gesetze umzuwandeln war. Dadurch nicht abschließend beantwortet und viel diskutiert waren – und sind es auch heute noch – Fragen nach dem Beginn eines Produktes und dem Ende des Abfallstadiums. Hört ein Produkt auf, ein Produkt zu sein, wenn es durch andere Produkte verunreinigt ist, seine Molekularstruktur aber nicht verändert hat? Ist der Lösemittelrecycler ein Produzent wenn er chemisch/physikalisch das Lösemittel von den Verunreinigungen trennt? Was sind Sekundärrohstoffe? Worin unterscheiden sich die energetische und die stoffliche Verwertung? Wie kann man „ökologisch“ definieren? Die Antwort auf die letzte Frage lautet: Indem man den Begriff „Nachhaltigkeit“ schafft. Diesem Begriff wurde dann auch die Maßeinheit „Carbon Footprint“ zugeordnet, der „Fußabdruck“, der am CO2-Ausstoß gemessen wird.

Studie zum „Carbon Footprint of Solvents“

Schon zu Beginn des Weißbuches für die Chemikalienpolitik (heute REACh) haben sich die europäischen Lösemittelrecycler in der European Sovent Recycler Group (ESRG) zusammengetan, viel und auch kontrovers diskutiert und ihre konstruktiven Anmerkungen – zum Teil erfolgreich – vorgetragen. So hat die Gruppe die Herausforderung zum Nachweis der Nachhaltigkeit angenommen und eine Studie zum „Carbon Footprint of Solvents“ erstellt – mit einem beachtenswerten Resultat.

Dass bereits Kritik an der Aussagekraft des „Carbon Footprint“ aufgetaucht ist, weil dieser allein nicht ausreicht, um Nachhaltigkeit zu definieren, war zu erwarten. Dem stellen sich die Lösemittelrecycler, leistet dieser Wirtschaftszweig mit der Reduzierung von Treibhausgasemissionen doch zumindest einen zentralen Beitrag zur Nachhaltigkeit. Mit den Ergebnissen der Studie wird u.a. Transparenz in der Wertschöpfungskette auf die jeweils vor- und nachgelagerten Prozesse hergestellt. Zudem wird ein Bewusstsein dafür geschaffen, Reduktionspotenziale zu erschließen und letztlich Emissionen zu reduzieren. Mit Blick auf den rechtlichen Rahmen, innerhalb dessen sich das Lösemittelrecycling in der EU vollzieht, wird ausdrücklich begrüßt, dass die Kommission nun mit dem kürzlich vorgelegten neuen Maßnahmenpaket zur Kreislaufwirtschaft die Umwandlung von Abfällen in Ressourcen fördern will. Außerdem sollen Schnittstellen zwischen den Rechtsvorschriften für Chemikalien, Produkte und Abfälle bewertet und erarbeiten werden.

Ökonomisch und/oder nachhaltig?

Was allerdings zunehmend schwerer wird, ist die Frage nach der Ökonomie. Lösemittelrecycling ist nur in einer schmalen Bandbreite zwischen Abfallpreisen und Frischwarenpreisen ökonomisch sinnvoll. In diesen engen Grenzen sind Transportkosten, Analytik, Anlagentechnik, Arbeitskraft und „Auflagen aller Art“ unterzubringen. Insbesondere die nicht direkt mit dem Recycling verbundenen Kosten könnten eines Tages dazu führen, dass dieser Wirtschaftszweig sich nicht mehr aus eigener Kraft finanzieren kann. Um seinen eigenen Anforderungen gerecht zu werden, müsste der Staat dann auch diesen Zweig mit Subventionen unterstützen – oder der Gedanke der Nachhaltigkeit war hier nur eine kurze Episode.

Zeitgewinn

Betrachtet man die Erde vom All aus, gewinnt man die Erkenntnis, dass sie ein in sich geschlossenes System ist – lässt man Energiequellen aus dem All und die hin und wieder vorkommenden materiellen Einschläge außer Acht. Wie viele Jahrtausende hat dieses System benötigt um die vorhandenen Rohstoffquellen aufzubauen, und in welcher Zeit sind wir fähig, diese begrenzten oder nur sehr langsam nachwachsenden Ressourcen zu verbrauchen? Sparsamer Verbrauch und Recycling wird die Erdzeitrechnung nicht wesentlich beeinflussen. Es hilft uns aber, Zeit zu gewinnen, bis wir in der Lage sind, andere, nicht endliche Energiequellen ökonomischer und ökologischer zu nutzen.

Europäischer Verband der Lösemittelrecycler

Die unter dem Dach des Verbands Chemiehandel (VCH) organisierte European Solvent Recycler Group (ESRG) vertritt seit 2004 die Interessen der in diesem Wirtschaftszweig in Europa tätigen Firmen und Verbände. Zentrale Anliegen der ESRG sind Information, Austausch und Positionierung zu Fragen des Lösemittelrecyclings unter den Vorgaben der Abfallrahmenrichtlinie, der REACh- und der CLP-Verordnung – dabei besonders im Zusammenhang mit der Kommunikation in der Lieferkette oder auch der SVHC-Thematik (Anm. d. Red.: Substances of Very High Concern, dt.: Besonders besorgniserregende Stoffe). Seit 2015 ist die ESRG auch als Interessenverband bei der Europäischen Chemikalienagentur ECHA akkreditiert. Auf der Grundlage von ESRG-Technikstandards wird bei der derzeitigen Überarbeitung der sog. „BREF-Dokumente“ das Lösemittelrecycling künftig deutlich stärker als bisher in der Sammlung “Best Verfügbarer Techniken” (BVT/BAT) bei der Abfallbehandlung repräsentiert sein. Die BAT werden mit Blick auf die Vermeidung und Verminderung von Umweltauswirkungen künftig EU-weit von Relevanz für die Genehmigungen von Anlagen sein.

ESRG-Studie zur CO2-Bilanz

Die ESRG hat eine Studie zur CO2-Bilanz des Lösemittelrecylings in Auftrag gegeben. Im Ergebnis der in 2014 abgeschlossenen Untersuchung wird deutlich, dass mit dem Recycling von Lösemitteln eine erhebliche Verminderung von Treibhausgasemissionen möglich ist und so ein bedeutender Beitrag zur Nachhaltigkeit im Umgang mit Chemikalien erbracht wird. Auf Grundlage der Standards der ISO 14044 zur Ökobilanzierung zeigt die Studie

am Beispiel von sechs verschiedenen Lösemitteln das Reduktionspotenzial der Recyclate im Vergleich zur Frischwareproduktion auf. Analysiert werden die Emissionen während der Transportphasen und während des Wiederaufbereitungsprozesses. Ergebnis der Untersuchung ist, dass sich – je nach Lösemittel – bei den Emissionen Einsparpotenziale von 46 bis 92% gegenüber der Frischware ergeben können. - Die in englischer Sprache erstellte Studie kann von der ESRG-Website abgerufen werden. Dort stehen auch weitere Informationen zu den Aktivitäten der Gruppe zur Verfügung.

 

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