Forschung & Innovation

„So viele neue Mitarbeiter eingestellt wie noch nie“

19.10.2022 - Die DACH-Region hat für den US-Pharmakonzern Lilly eine große Bedeutung – entsprechend hoch war zuletzt der Personalzuwachs. Allerdings warnt DACH-Geschäftsführerin Petra Jumpers vor einer Schwächung des Standorts, sollte die Politik ihre geplanten Kostensenkungen für die Pharmaindustrie umsetzen.

Die Pharmaindustrie sieht die Innovationskraft des Standorts Deutschland in Gefahr, sollten die Pläne der Bundesregierung zur Finanzierung des Gesundheitswesens (GKV-Finanzierungsgesetz) umgesetzt werden. ­Petra Jumpers, Geschäftsführerin für Deutschland, Österreich und die Schweiz (DACH) beim US-Pharmakonzern Eli Lilly, kritisiert insbesondere vorgesehene Änderungen am seit 2011 geltenden Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarkts (AMNOG) und weist darauf hin, dass die Pharmabranche bereits erheblich zu Kostensenkungen beiträgt. Gleichzeitig spricht sich Jumpers gegenüber CHEManager-Autor Thorsten Schüller für eine stärkere Digitalisierung des Gesundheitswesens aus.

CHEManager: Welche Bedeutung hat für den Weltkonzern Eli Lilly and Company der deutsche Markt beziehungsweise die DACH-Region?

Petra Jumpers: Die Bedeutung ist für Lilly enorm hoch. Die Region gehört zu den vier größten Märkten neben den USA, Japan und China. Deutschland zeichnet aus, dass wir hier innovative Produkte mit als erste auf den Markt bringen und damit Patienten zur Verfügung stellen können.

Welchen Anteil des Geschäfts macht Lilly in der DACH-Region?

P. Jumpers: Etwa 5,1 % des Gesamtumsatzes. Das hört sich erstmal nicht viel an. Man muss allerdings sehen, dass der Umsatz in den USA sehr hoch ist. Betrachtet man Europa allein, kommen etwa 29 % des Umsatzes aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Sie haben hier Vertriebs- und Marketingaktivitäten, aber keine Forschung, Entwicklung und Produktion.
Warum?


P. Jumpers: Vor einigen Jahren hat Lilly beschlossen, sich auf einige wenige Forschungsstandorte zu konzentrieren. Damit sind wir schneller und sehr erfolgreich, denn unsere Pipeline ist die vielversprechendste unserer Branche. Die DACH-Region spielt eine wichtige Rolle, wenn es um die klinische Forschung geht: 2021 haben wir hier 162 klinische Studien mit 44 Prüfsubstanzen und mehr als 5.600 Patienten durchgeführt.

Werden die Erfolge in der Covid-Impfstoffentwicklung und die durchaus rege Biotechszene in der DACH-
Region in Ihrer Konzernzentrale in Indianapolis wahrgenommen, oder läuft das dort unter dem Radar?


P. Jumpers: Das wird in Indianapolis sehr stark wahrgenommen, was sich auch darin zeigt, dass wir unsere Beschäftigtenzahl in Deutschland stark erhöht haben. Wir sind zuletzt von 800 auf über 1.000 Mitarbeitende gewachsen. In Deutschland und DACH investiert Lilly damit sehr viel, eben weil die Region so wichtig ist.

Alles bestens also?

P. Jumpers: Was uns Sorge macht, ist der aktuelle Entwurf der deutschen Bundesregierung zum GKV Finanzstabilisierungsgesetz für die gesetzlichen Krankenkassen, in dem man über radikale Einsparmaßnahmen in der Pharmaindustrie nachdenkt. Das würde aus unserer Sicht und auch aus Sicht des Verbands der forschenden Arzneimittelhersteller, dem VFA, Deutschland als Innova­tionsstandort deutlich schwächen.

Nach diesen Plänen sollte die Pharmaindustrie durch Preissenkungen für innovative Arzneimittel einen Beitrag zur Kostensenkung leisten.

P. Jumpers: Ja. Was uns extrem besorgt, sind die geplanten Änderungen am AMNOG, das ja sehr gut funktioniert und mit dazu beiträgt, dass Innovationen in Deutschland frühzeitig verfügbar sind. Das zeigt sich unter anderem auch daran, dass in Deutschland Innovationen schneller und umfänglicher den Weg in die Versorgung finden, als in anderen EU-Ländern. Wir sind der Meinung, dass die geplanten Änderungen das viel schwieriger machen würden. Die Pharmaindustrie in Deutschland leistet ja bereits ihren Beitrag zur Kostensenkung. Die Industrie trug durch Rabatte, unter anderem durch Zwangsrabatte, Zwangsabschläge und Festpreise, im Jahr 2021 rund 21 Mrd. EUR bei. Das wird bei der Diskussion gern vergessen. Außerdem haben wir keinen Inflationsausgleich bei den Preisen von innovativen Arzneimitteln. Das heißt, wir können keine Preis­anpassungen vornehmen.

 

„Wir sind sehr an einem engen Dialog
mit der Politik interessiert.“

- Petra Jumpers, Lilly-Geschäftsführerin für die DACH-Region

 



Ist der Inflationsausgleich ein Thema, über das Sie mit der Politik sprechen?

P. Jumpers: Absolut. Wir sind sehr an einem engen Dialog mit der Politik interessiert, um gemeinsam Lösungen zu entwickeln, Deutschland als Innovationsstandort zu stärken.

Was konkret möchten Sie erreichen?

P. Jumpers: Wir sehen aktuell keinen Grund für Veränderungen am AMNOG. Deutschland ist ein erfolgreiches Modell, was Patientenversorgung und Innovation betrifft. Wir sind der Meinung, dass man das von dem erwarteten Defizit der gesetzlichen Krankenkassen in Höhe von 17 Mrd. EUR trennen muss. Dahingegen wären Strukturreformen im Gesundheitswesen sicherlich notwendig. Es wäre gut, wenn man darüber einmal sprechen würde, anstatt sich jetzt auf das AMNOG zu konzentrieren, das ja auch eine Blaupause für viele andere Länder ist.

Wie sollten diese Strukturreformen aussehen?

P. Jumpers: Die Digitalisierung im Gesundheitswesen ist ein wichtiges Thema. So könnte man mit der digitalen Patientenakte sehr viel einsparen und die Patienten noch gezielter versorgen. Es gibt beispielsweise keine Übersicht, wie viele Ärzte ein Patient bislang gesehen hat, welche Vorerkrankungen er hat, welche Medikamente er oder sie nimmt. Da wird sehr viel doppelt gemacht. Da könnte man wesentlich effizienter werden.

Wer müsste diesbezüglich aktiv werden?

P. Jumpers: Die Politik. Zum einen braucht man dafür natürlich das gesetzliche Rahmenwerk. An dieses Thema müssten der Bund und die Länder gemeinsam ran. Zusätzlich bräuchte es dazu verschiedene Ministerien, also nicht nur das Gesundheitsministerium, sondern auch das Justiz- und das Finanz­ministerium. Wir tragen immer an die Politik heran, dass es sinnvoll wäre, über die Ministerien hinweg an solchen Themen zu arbeiten, um das Gesundheitswesen moderner und vitaler aufzustellen. Ich glaube, bei der Zusammenarbeit ist noch viel Luft nach oben.

Was konkret könnte durch eine stärkere Digitalisierung im Gesundheitswesen verbessert werden?

P. Jumpers: Ich gebe Ihnen einmal ein Beispiel: Bei Covid ist es schon eine Herausforderung zu erfahren, wie hoch unsere Impfquote ist. Während der Covid-Pandemie haben wir zudem gesehen, dass viele Gesundheitsämter noch mit Faxgeräten arbeiten. Da gibt es effizientere Wege.

In welchen Ländern läuft die Digitalisierung im Gesundheitswesen Ihrer Ansicht nach besser?

P. Jumpers: Ich habe sechs Jahre in den USA gelebt. Insgesamt ist natürlich das US-Gesundheitswesen nicht das beste Beispiel, aber ich habe aus dieser Zeit immer noch meine digitale Patientenakte. Jeder Arzt, zu dem ich gegangen bin, konnte meine Vorgeschichte anschauen, welche Behandlungen hatte es gegeben. Das hat geholfen, gezielter zu behandeln und unnötige Dinge zu vermeiden.
Oder schauen Sie auf Europa. Unsere Nachbarländer haben während der Covid-Pandemie einen guten Überblick gewonnen, wie viel Prozent der Bevölkerung geimpft sind und wo es die höchsten Infektionen gibt. Ich glaube, wir müssen nur über die Grenze schauen, um zu sehen, dass die Digitalisierung in anderen Ländern weiter ist.

Was kann die Pharmaindustrie tun, um die Digitalisierung mit eigenen Innovationen zu beschleunigen?

P. Jumpers: Bei Lilly arbeiten wir zunehmend mit Virtual Reality. Wir haben zum Beispiel Ärzte-Fortbildungsprogramme im Bereich Autoimmunerkrankungen. Da können die Ärzte in der virtuellen Welt sehen, was die konkreten Auswirkungen einer Arthritis sind. Wie kann man den Knochen schützen, wenn man gut behandelt? Das begeistert die Ärzte. Gleichzeitig wird auf diese Weise viel Verständnis für die Chancen der digitalen Welt geweckt.

Wann wird das deutsche Gesundheitswesen digital gut aufgestellt sein?

P. Jumpers: Ich glaube, das wird noch mindestens zwei, drei Jahre dauern.

Die Wirtschaft klagt über unterbrochene Lieferketten und hohe Rohstoffpreise. Treiben diese Themen auch Sie um?

P. Jumpers: Bei Lilly produzieren wir in Europa für den europäischen Markt. Wir haben also keine Produktion in China, die nach Europa ginge. Wir streben schon seit Jahren danach, derartige Abhängigkeiten zu vermeiden. Deshalb hatten wir in den vergangenen Monaten auch keine größeren Probleme. Auf der anderen Seite haben wir natürlich Kostensteigerungen, mit denen wir umgehen müssen. Wir müssen härter arbeiten, um Hilfsstoffe zu bekommen, zum Beispiel für unsere Diabetes-Pens. Das zeigt aber auch, wie wichtig Europa als Standort ist.

Lilly Deutschland ist personell stark gewachsen. Inwieweit trifft Sie der Fachkräftemangel, unter dem viele Branchen leiden?

P. Jumpers: Wir haben in den letzten Jahren so viele neue Mitarbeitende eingestellt wie noch nie. Wir sehen schon, dass sich der Markt verändert hat und weniger Menschen einen neuen Job suchen. Aber: Lilly hat unglaublich starke Werte. Zudem sind wir als bislang einziges Unternehmen der Arzneimittelbranche Gemeinwohl-Ökonomie-zertifiziert. Wir versuchen, möglichst flache Hierarchien zu etablieren und pflegen einen offenen Austausch. Das hat uns geholfen, die offenen Stellen mit tollen Mitarbeitenden besetzen zu können.

Mehr als die Hälfte Ihrer Beschäftigten ist im Außendienst tätig und damit im regelmäßigen Kontakt mit Ärzten. Ist das eine Tätigkeit, die so noch gebraucht wird?

P. Jumpers: Ganz klares Ja. Diese Funktionen werden sogar mehr gebraucht als bisher, wenn man sich unsere Pipeline anschaut. Wir führen jedes Jahr mehrere Medikamente neu ein. Da ist es wichtig, dass wir die Ärzte beraten, wie man diese Arzneimittel für den richtigen Patienten einsetzt. Was sich etwas ändert, ist die Art und Weise der Kommunikation. Es gibt bestimmte Arztgruppen, wo die Interaktion mittlerweile überwiegend virtuell abläuft.

Welche neuen Medikamente sind in Deutschland und Europa demnächst aus der Lilly-Pipeline zu erwarten?

P. Jumpers: Den nächsten großen Meilenstein erwarten wir im Bereich ­Diabetes. Das Medikament ist in den USA gerade mit großem initialem Erfolg auf den Markt gekommen. Es ist ein Präparat mit einer neuen Wirkstoffklasse.
Außerdem freuen wir uns auf Produkteinführungen in der Onkologie, die immer mehr in Richtung Präzisionsmedizin geht. Darüber hinaus liegen uns Lilly Therapien gegen Alzheimer besonders am Herzen. Wir haben mittlerweile mehr als 3 Mrd. USD in die Alzheimerforschung investiert und werden das auch weiter tun.

Und was sind Ihre Ziele als Geschäftsführerin DACH?

P. Jumpers: Wirtschaftliche Ziele sind natürlich sehr wichtig. Wir möchten weiterhin zweistellig wachsen. Wir möchten aber auch unsere Kultur weiterhin so ausrichten, dass sich jeder Mitarbeitende bestmöglich entfalten kann. Die Vision, die wir als DACH-Region haben, ist, größtmöglichen Einfluss auf die Gesundheit der Menschen zu haben.

Das Interview mit Petra Jumpers, Eli Lilly, führte Thorsten Schüller, CHEManager.

ZUR PERSON
Petra Jumpers, 48, studierte Betriebswirtschaft in Aachen. Im Jahr 2002 stieg sie bei Lilly als Außendienst-Mitarbeiterin ein. Nach Stationen im Marketing, einer Tätigkeit in Japan und als Distriktleiterin in Deutschland zog sie 2011 in die USA, wo sie für Lilly Aufgaben im Bereich Männergesundheit übernahm. Zudem war sie zwei Jahre als Chief Operating Officer der Geschäftseinheit „Emerging Markets“ tätig, ehe sie als Geschäftsführerin nach Taiwan wechselte. Im November 2019 wurde Jumpers Geschäftsführerin von Lilly Deutschland. Ihre Zuständigkeit erstreckt sich auch auf Österreich und die Schweiz.

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