Logistik & Supply Chain

Transportmanagement: Der Mix macht‘s

Kapazitäten sichern und Kosten senken mit einem differenzierten und effektiven Transportmanagement

22.02.2022 - Ein seriöser Anlageberater fragt seine Kunden als erstes nach deren grundlegenden Zielen.

Möchte der Anleger eine maximale Rendite erzielen oder sein Risiko minimieren? Je nach Anlegertyp und Zielsetzung gilt es dann einen optimalen Anlagemix zu finden. Analog beim Transportmarkt: Spätestens seit dem Zusammenfallen von Pandemie, blockiertem Suezkanal und unberechenbarem Konsumentenverhalten wird deutlich, dass die (Transport-) Logistik ganz massive Auswirkungen sowohl auf die Lieferfähigkeit von Unternehmen als auch auf die Kosten hat. Wie bei der Vermögensanlage geht es darum, einen möglichst optimalen Einkaufsmix zu finden, um einerseits Kapazitäten zu sichern und andererseits die Kosten zu minimieren.

Der Nutzen einer optimierten Einkaufsstrategie ist signifikant: Projekt­erfahrungen von Camelot Management Consultants zeigen, dass sich die Transportkosten durch ein “Smart Sourcing” um 5–1 0 % senken lassen.

Im Folgenden zeigen wir, mit welchen Strategien und Instrumenten Verlader einen optimalen Einkaufsmix erreichen können. Der Fokus liegt dabei auf der Transportlogistik in Europa und dem Verkehrsträger Straße.

Maximale Rendite oder Sicherheit?

Analog zum Anlagemarkt stehen auch dem Verlader unterschiedliche Strategien zur Verfügung, die maßgeblichen Einfluss auf den Planungsprozess und auf die erwarteten Transportkosten haben.

Der konservative Anleger möchte in der Regel das Risiko minimieren und investiert daher eher in festverzinsliche Anleihen. Entsprechend würde der Verlader Transportkapazitäten langfristig sichern und die Konditionen in Rahmenverträgen absichern. Meist ist ein gegenseitiges Commitment notwendig, d.h. der Spediteur wird die Kapazitäten nur garantieren, wenn auch der Verlader sich verpflichtet, diese abzunehmen. Üblicherweise kann der Verlader die bestellten Lkw trotzdem noch stornieren verbunden mit einer Konventionalstrafe in Abhängigkeit vom Stornierungszeitpunkt. Das Modell des Vertragsspediteurs mit Rahmenverträgen kann erweitert und verfeinert werden mit unterschiedlichen Varianten wie z.B. Gebietsspedition, primärer und sekundärer Spediteur, Transportvolumenanteile und Kontingentierung.

Eine Variante und weit verbreitet in der Praxis sind langfristige Rahmenverträge, die keine Abnahmeverpflichtung des Verladers und keine Garantie seitens des Spediteurs beinhalten. Üblicherweise wird der Spediteur die Transporte übernehmen. Nur wenn die Kapazitäten auf dem Transportmarkt knapp sind, werden Spediteure nicht immer gestellen können oder wollen.

Alternativ kann während der Transportplanung jeder operative Transport ausgeschrieben werden. Die Transportdienstleister geben dann entsprechend den spezifischen Rahmenbedingungen einen Preis ab, zu dem sie diesen Transport ausführen können. Der Preis wird variieren, je nachdem ob der Transportdienstleister (TDL) verfügbare Kapazitäten hat bzw. wie gut der ausgeschriebene Transport zu der aktuellen Planung des TDL passt (Leerkilometer, Rückfracht, Triangulierung, „Steel & Feather“-Kombination).

 

„Der Spediteur wird die Kapazitäten nur garantieren, wenn auch der Verlader sich verpflichtet diese abzunehmen.“

 

 

Der richtige Mix entscheidet

Je nach Zielen und spezifischen Rahmenbedingungen wird ein Anlageportfolio unterschiedlich strukturiert sein und mehrere Anlageklassen enthalten. Ähnlich bei der Auswahl der Strategie für einen Verlader: Immer wird ein entsprechender Mix zwischen Service und Kosten das Optimum bringen.

Unterschiedliche Sendungsarten bedingen unterschiedliche Strategien. So wird eine Paketsendung oder ein Gefahrguttransport in der Chemie mit spezifischen Equipment-­Anforderungen i. d. R. nicht auf dem ganzen Spotmarkt ausgeschrieben (geschlossene Ausschreibung/Nischen­markt). Dagegen können palettierte Sendungen mit Nicht- oder “Standard”-Gefahrgut sehr wohl auf den Spotmarkt als Teil- oder Komplettladung gegeben werden.

Weitere Spielarten der Vergabe sind z.B. abhängig von den Service-­Level-Anforderungen des Verladers: Transporte an A-Kunden – spezifiziertes Anlieferdatum und Uhrzeit bei keiner Flexibilität des Lade- und Entladedatums – können über dedizierte, fix kontraktierte Speditionen beauftragt werden. Für C-Kunden – wochengenau, genaues Datum vorerst undefiniert mit Flexibilität bei Lade- und Entladedatum – werden die Transporte mit niedrigerem Servicelevel über Frachtenbörsen oder via digitale Speditionen als Ausschreibungshub vergeben.

Speziell im saisonalen Handel wird häufig eine Grundkapazität fest eingekauft und zusätzliche Kapazitäten für Spitzenbedarfe in der Saison zugekauft. Kurzfristige Mehrbedarfe werden auch hier über den Spotmarkt abgedeckt.

Die Marktsituation bestimmt den Mix

Sehr zum Leidwesen der Verlader verändert sich der Mix der optimalen Sourcing-Strategie abhängig von der generellen Situation auf dem Transportmarkt. Typischerweise ist der Spotmarkt besonders interessant, wenn es auf dem Markt Überkapazitäten gibt. In Zeiten knapper Kapazitäten hingegen können extreme Preisspitzen entstehen.

Ähnlich beim Einkauf von festen Kapazitäten: Falls es Überkapazitäten gibt oder erwartet werden, ist jeder Spediteur daran interessiert, möglichst frühzeitig die Kapazitäten zu verkaufen. Im Falle eines Mangels an Transportkapazitäten ist es für die Dienstleister jedoch attraktiver, ihre Rendite zu steigern und auf kurzfristige Preisspitzen zu setzen.

Auch hier muss der Markt wieder differenziert betrachtet werden. So kann sich bspw. die Preisentwicklung für temperaturgeführte Transporte grundlegend von Standardtransporten unterscheiden. Die Verfügbarkeit und Austauschbarkeit des Transport-Equipments wirkt sich entscheidend auf die Preisvolatilität am Markt aus.

Der Verlader ist also gezwungen, auf der Basis von Annahmen die Entwicklung der für ihn relevanten Segmente vorherzusagen und die entsprechenden Sourcing-Strategien abzuleiten. Ein aufwändiges, aber durchaus lohnendes Unterfangen. Eine initiale Unterstützung durch externe Berater ist häufig sinnvoll. Begleitend dazu sollte ein Art Frühwarnsystem implementiert werden, das Plan/Ist-Abweichungen frühzeitig erkennt und korrigierende Maßnahmen ermöglicht.

 

„Eine Segmentierung der Distributionsvolumina hilft, den richtigen Mix zwischen vertraglicher und Spotvergabe zu ermitteln.“

 

Optimierung der Einkaufsstrategie

Eine differenzierte Vergabestrategie für Sammel- sowie Teil- und Komplettladungen ist aufgrund der unterschiedlichen Erbringung der Logistikleistung generell sinnvoll. Bei der Optimierung der Einkaufsstrategie gilt es zu verstehen, wie die jeweilige Sendungsstruktur aufgebaut ist. Eine Segmentierung der Distributionsvolumina hilft, den richtigen Mix zwischen vertraglicher und Spotvergabe zu ermitteln. Hierzu werden die historischen Sendungsdaten analysiert und entsprechend der Versandvariabilität und -volumina geclustert. In der Regel werden konstante große Volumina, im Idealfall komplette Lkw-Ladungen, und Relationen fix vergeben, wohingegen kleinere hoch volatile Volumina als Teilladung auf den Spotmarkt gehen. Dies ist eine vereinfachte polarisierte Darstellung, in der Realität müssen alle unternehmensspezifischen Anforderungen wie z.B. Servicelevel berücksichtigt werden.

Auf dieser Basis wird dann die Einkaufsstrategie fix vs. Spot festgesetzt. Dabei empfiehlt es sich, den Fixanteil auf ca. 90 % zu setzen, um immer eine aktuelle Marktpreisübersicht auf den Relationen zu haben. Mit einem entsprechenden Transportmanagementsystem (TMS) lassen sich dann die Anteile zwischen fixer und variabler Vergabe entsprechend anpassen, um schnell auf die Marktsituation zu reagieren.

Taktische Transportplanung als Voraussetzung für frühzeitigen Einkauf

Eine wichtige Voraussetzung, damit der Verlader die Sourcing-Strategien überhaupt sinnvoll proaktiv optimieren kann, ist eine taktische Transportplanung. In der Praxis kann die Transportplanung entweder basierend auf Erfahrungswerten aus der Vergangenheit kombiniert mit statistischen Prognosen oder auf Basis der Sales- und Operations-Planung (S&OP) für die nächsten sechs bis zwölf Monate erfolgen. Letzteres wird tendenziell bessere Ergebnisse liefern, weil die Logistik analog der sonstigen Supply Chain geplant wird.

Ein häufig anzutreffendes Pro­blem ist die Umrechnung der Mengen aus der S&OP (also Stück, Liter, …) in logistische Mengen (Paletten, Container, …). In der Praxis hat sich eine Logik bewährt, die Umrechnungsfaktoren basierend auf historischen Daten ermittelt und diese Faktoren für zukünftige Planwerte anwendet. Produkt- und Sortiments­änderungen werden berücksichtigt.

Abbildung der optimierten Einkaufsstrategie in einem modernen TMS

Um eine differenzierte Optimierung der Transportplanung sowie flexible Einkaufsstrategien operativ einzusetzen, ist ein leistungsfähiges TMS unerlässlich. Wesentliche Anforderungen sind:

  • Flexible Segmentierung und Anwendung unterschiedlicher Planungsstrategien pro Segment.
  • Unterstützung unterschiedlicher Service-Level, möglichst integriert in den Order-to-Cash-Prozess.
  • Flexible, regelbasierte Sourc­ing-Strategien, die auch kaskadierend eingesetzt werden können. Kaskadierend bedeutet, dass alternative Sourcing Strategien ergebnisabhängig sequenziell durchgeführt werden können.
  • Integration des Frachteneinkaufs sowie der Frachtabrechnung in den operativen Planungs- und Beauftragungsprozess.
  • Möglichkeit der Einbindung von Frachtenbörsen sowie digitalen Speditionen, idealerweise Integration mit einer Plattform zur Anbindung von Speditionen, Transportunternehmen, Kontrakt­logistikern und anderen Geschäftspartnern.

 

„In Zeiten knapper Kapazitäten hingegen können extreme Preisspitzen entstehen.“

Weitere Optimierungsansätze

Hat der Verlader eine taktische Transportplanung zur Unterstützung einer optimierten Sourcing- Strategie umgesetzt, sind weitere Optimierungspotenziale möglich. So kann z. B. auf Basis der zukünftig geplanten Transporte und der gewünschten Servicelevel für bestimmte Marktsegmente, Kundengruppen oder sogar einzelne Kunden die Lieferfrequenz optimiert und die optimale Transportart (Komplettladung vs. Teilladung vs. Stückgut) bestimmt werden. Abhängig von der konkreten Situation des Verladers sind auch hier signifikante Einsparpotenziale möglich.

Der aktuelle Trend ist eine Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen Verlader und Logistikdienstleister bei der Planung. Eine engere Zusammenarbeit auf der taktischen Ebene hilft dem Dienstleister die richtigen Entscheidungen für sein Netzwerk zu treffen. Der Verlader wiederum profitiert von besserem Service sowie niedrigeren Kosten – ganz im Sinne eines optimalen Anlageportfolios.

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