Anlagenbau & Prozesstechnik

F³ Factory: Eine flexible, modulare Produktionsplattform

28.06.2012 -

CITplus - In einem großen europäischen Förderprojekt entwickeln führende Chemieunternehmen und Forschungsinstitute zukünftige Lösungen für die chemische Prozessindustrie.

Das Konsortium des Europäischen Förderprojektes F³ Factory entwickelt in einem 2009 gestarteten Projekt innovative chemische Verfahren, Verfahrenstechnik und eine modulare und standardisierte Plattform für zukünftige chemische Produktionsverfahren. Die 26 Konsortiumspartner (akademische Institute, Chemieunternehmen und Anlagenbauer) ermöglichen es so, innovative und nachhaltige Prozesse innerhalb der europäischen Chemieindustrie zu implementieren. Nach nun drei Viertel der Projektlaufzeit gehen die ersten Beispiele von der Entwicklung in die produktionsnahe Demonstration und die ersten containerbasierten Anlagen werden auf einer gemeinsamen Plattform in Betrieb genommen.

Klein, mittel oder groß?
Konventionell wurden bei der Entwicklung chemischer Prozesse meist früh Entscheidungen für eine der folgenden zwei Hauptrichtungen getroffen:

  • Kleine bis mittelskalige Prozesse, in denen der Prozess meist an bestehende Apparate angepasst wird
  • Prozesse, in denen der Economy-of-scale in zentralen Großanlagen genutzt wird

Hierbei wird im Fall der klein bis mittelskaligen Prozesse oftmals ein Kompromiss eingegangen: Der Prozess wird oftmals an bestehende Apparate und Anlagen angepasst, wobei eine nichtoptimale Verfahrenseffizienz in Kauf genommen wird, da Investitionen vermieden werden oder das Produkt so schneller auf den Markt gebracht werden kann. Zentrale Großanlagen sind sehr weit im Hinblick auf Verfahrenseffizienz und Integration der Stoff- und Energieströme hin optimiert. Dadurch sind sie jedoch stark spezialisiert und weisen eine mangelnde Produkt- und kapazitive Flexibilität bei einem hohen Investitionsrisiko auf.
Die F³ Factory Konsortiumspartner beschreiten mit der Entwicklung einer flexiblen modularen Produktionsplattform daher einen neuen Weg, um intensivierte, kontinuierliche Prozesse in der chemischen Industrie zu etablieren. Ziel des Projektes ist es, auf Basis konkreter Produktionsbeispiele zu demonstrieren, wie in einer standardisierten Entwicklungs- und Produktionsumgebung a) Entwicklungszeit und -aufwand, b) Investitions­kosten und -risiken und c) Herstellkosten gesenkt werden können. Die sieben Demonstrationsbeispiele beinhalten verschiedene Produkt- und Prozessklassen und ermöglichen eine detaillierte Bewertung von Treibern und Hürden für ganzheitliche Ansätze und ein modulares Prozessdesign. Diese Beispiele reichen von Wirkstoff(zwischen)produkten über lösungsmittelfreie bzw. wasserlösliche Polymerprodukte, die flexible kontinuierliche Produktion von chemischen Zwischenprodukten bis hin zu neuen Verfahrenskonzepten für die dezentrale Produktion von großvolumigen Produkten und die Nutzung nachwachsender Rohstoffe.

Prozessintensivierung
Einen wesentlichen Beitrag zu nachhaltigen und effektiven Prozessen liefert die Prozessintensivierung. In den Beispielen werden hierzu neue Apparate wie z. B. Mikroreaktoren, Hochviskosreaktoren für lösungsmittelfreie Polymerisationsverfahren, Membrantrennungen, Gas-Flüssig-Kontaktoren sowohl für Reaktions- als auch für den Aufarbeitungsteil eingesetzt. Vielfach ermöglichen die prozessintensivierte Ansätze erst neue Produkte oder ihre Herstellung zu Kosten, die typisch für das Marktsegment sind.
Einige der im Projekt betrachteten klein- und mittelskaligen Verfahren erlauben nicht zuletzt aufgrund ihres spezifischen Umsatzvolumens einen wesentlich kleineren Planungs- und Entwicklungsaufwand als z. B. eine Großanlage für ein petrochemisches Produkt. Daher kommt dem modularen Ansatz eine besondere Bedeutung zu, der auch in Abbildung 1 vergleichend zum Economy of Scale dargestellt ist. Durch den Einsatz standardisierter Module und einem auf Containern basierenden Prozessaufbau wird die schnelle Implementierung auch hoch-innovativer Apparate ermöglicht. Durch das mögliche Numbering-Up von bis zu etwa einem Dutzend Produktionslinien entfällt bei diesen Apparaten die zeitintensive Vergrößerung des Apparatekonzeptes. Eine solche schnell skalierbare Entwicklungs- und Produktionsplattform ermöglicht daher geringeren Entwicklungs- und Realisierungsaufwand durch hohe Scale-Up-Faktoren.

Container"-Ansatz
Durch den im Projekt gewählten Container"-Ansatz kann die Kapazität für neue Produkte mit dem Markt für diese Produkte wachsen, durchaus auch an geographisch unterschiedlichen Produktionsstandorten oder als Zusatzfunktionalität in einer bestehenden Produktionsanlage. Hierdurch ergeben sich auch neue Ansätze für die Gestaltung von Supply Chain und Wertschöpfungsketten. Innerhalb des Projektes F³ Factory sorgen sogenannte „horizontale" Arbeitspakete für die Ausarbeitung von Werkzeugen und Methodiken um optimale Lösungen für die beschriebenen komplexen Anforderungen zu erarbeiten. Aufgrund der Breite der zugrundeliegenden Demonstrationsbeispiele können diese Methodiken ebenfalls breite Anwendung finden. So werden Simulatoren für Produktionsszenarien, modulare Steuerungskonzepte und Methodiken für die ganzheitliche Verfahrensentwicklung und das Scale-Up entwickelt.
Die Abbildung 2 zeigt einen der ersten Produktionscontainer, der als F3 Factory Demonstrationsbeispiel von Bayer im neugegründeten Demonstrations- und Entwicklungszentrum Invite Research Center in den Betrieb geht (www.invite-reserach.com).
Dieser Container ist auf einen ganz konkreten Anwendungsfall ausgelegt: Die ersten zwei Stufen der Synthese eines möglichen Krebswirkstoffs wurden integriert. Die entscheidende Neuerung ist, dass die Anlage kontinuierlich arbeitet und nicht im - für den Pharmabereich klassischen Chargen- oder auch Batch-Betrieb. Dieser Ansatz steht für einen Paradigmenwechsel in der künftigen Produktion, uach bei einer kleinskaligen Produktion muss weniger Rohstoffe vorgehalten werden, es gibt vollständige Belegungszeiten und weniger Reinigungsaufwand in kleinskaligen dezidierten Anlagen.

Fabrik der Zukunft
Das Invite Gebäude, in dem der Container betrieben wird, stellt innerhalb des Förderprojektes die sogenannte „Backbone" für die Verfahrensdemonstration der Beispiele der industriellen Partner. Invite wurde 2010 gemeinsam von Bayer Technology Services und der Technischen Universität Dortmund gegründet. In dem im Chemiepark Leverkusen gelegenen Invite Research Center haben so Interessenten aus den Bereichen Forschung und Lehre, Apparate- und Steuerungstechnik und produzierende chemisch-pharmazeutische Industrie die Möglichkeit mit dem Konsortium in Interaktion zu treten und gemeinsam Produktionskonzepte für die Fabrik der Zukunft zu entwickeln - flexibel, effizient und ressourcenschonend.