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Erweiterung der Produktionskompetenz

Interview mit Hans-Georg Kumpfmüller, Siemens

30.07.2010 -

CHEManager: Nach der Akquisition vieler Firmen in den letzten 10 Jahren haben Sie nun intensiv in die eigene Fertigung in Haguenau im Elsaß investiert. Welche Ziele verfolgen Sie mit dem Ausbau dieser Fertigungsstätte, wie gehört diese Maßnahme in Ihr mittel- und langfristiges Konzept für die Prozessautomation und wie profitiert der Anwender vom Ausbau der Haguenauer Fabrik?

H.-G. Kumpfmüller: Unsere Akquisitionen im Bereich Instrumentierung und Analytik haben zusätzliche Standorte mit sich gebracht; weit mehr, als wie dies bei einem rein endogenen Wachstum der Fall gewesen wäre. Nicht alle diese Standorte hatten eine ausreichende kritische Grösse, um mit wettbewerbsfähigen Kosten am Markt dauerhaft erfolgreich zu sein und Kontinuität zu bieten. Mit unserem Projekt „Global Footprint" optimieren wir unsere weltweite Aufstellung und bringen die Zahl der Standorte auf das richtige Maß. Wir haben hochkomplexe Technologien akquiriert wie zum Beispiel die Laseranalytik oder kapazitive Messsonden, die in sehr kleinen Einheiten gefertigt wurden. Personalfluktuationen, ob in der Entwicklung oder auch in der Fertigung, können da sehr schnell zu Problemen und Know-how Engpässen führen. Wir schaffen jetzt größere und flexiblere Einheiten, in denen sich dann ein Know-how-Pool von z.B. Fertigungsexperten sowie eine Arbeitsumgebung findet, in der komplexe Technologien zuverlässig weiterentwickelt werden. Diese größeren Einheiten bringen darüber hinaus höhere Kontinuität und eine bessere Lieferperformance mit sich. Haguenau, unser Kompetenzzentrum für Mechatronic, ist einer unserer großen Standorte. Hier haben wir viele Fertigungskompetenzen konzentriert.

Gibt es für die Prozessautomatisierung noch weitere vergleichbar große Standorte?

H.-G. Kumpfmüller: Ja, natürlich. Große Fertigungseinheiten gibt es noch in Kanada, in den USA und seit kurzem auch in Dalian in China. Hier haben wir praktisch auf der grünen Wiese einen neuen Standort aufgebaut, mit dem wir, ähnlich wie in Haguenau, unterschiedlichste Technologien fertigen. Seit mehr als einem halben Jahr beliefern wir z.B. aus China auch andere Teile der Welt mit magnetisch induktiven Durchflussmessern. Weitere Produkte werden folgen.

Sie haben eben die Lieferperformance angesprochen, zu der ja auch unter dem Gesichtspunkt der durchgängigen Logistik zwischen Anwender und Lieferant das Thema Prolist gehört ...

H.-G. Kumpfmüller: Prolist ist bei uns gesetzt. Die neuen Produkte besitzen alle die Merkmalleisten nach Prolist, bei den alten Produkten werden wir dies weitgehend nachziehen.

Wie hat sich Ihr Geschäft bei MIDs seit der Übernahme des Durchfluss-Bereichs von Danfoss im Jahr 2003 entwickelt?

H.-G. Kumpfmüller: Der Kauf eines Geschäftes ist immer ein sensibler Vorgang, aber wir sind auf diesem Gebiet mittlerweile sehr erfahren. Wir hatten hohe Erwartungen an die Durchflußmessung und die haben sich auch erfüllt. Der Markt für Durchflusstechnologie ist ja an sich überproportional wachsend. Speziell unsere Magmeter in der Branche Wasser laufen hervorragend. Auch unsere hochgenauen Clamp-On Ultraschall-Durchflussmesser mit Wide-Beam Technologie, die wir vor vier Jahren zugekauft haben, entwickeln sich prächtig.

Welche Rolle messen Sie der Kalibrierung der Prozessgeräte, insbesondere in der Durchfluss-Messtechnik, bei?

H.-G. Kumpfmüller: Gerade für die magnetisch induktiven Durchflußmesser ist effiziente und kostengünstige Kalibrierung ein Kernthema. Durch die früheren Akquisitionen hatten wir natürlich bereits Standorte mit Kalibrierprüfständen, die jetzt aber an das Ende ihrer Lebenszeit gekommen sind. In Haguenau haben wir deshalb im Zuge unserer Konzentrationsbestrebungen in neueste Prüfstandstechnologie investiert und jetzt in Betrieb genommen. Wir können damit in weiten Messbereichen - bis zu Leitungsdurchmessern von 2 Metern -, sehr effektiv und kostengünstig mit hohem Gerätedurchsatz kalibrieren. In Dalian werden wir demnächst bis über 3,20 Meter Leitungsdurchmesser kalibrieren können. Damit decken unsere Einrichtungen alle am Weltmarkt erforderlichen Durchmesser ab - und das an zwei Standorten.

Als wie ausgewogen sehen Sie heute Ihr Produktspektrum für Prozessanalyse und Prozessmesstechnik an und wie sind Sie damit am Markt positioniert? Gibt es eventuell noch Lücken, die Sie kurz- oder mittelfristig schließen wollen?

H.-G. Kumpfmüller: Lücken gibt es immer, die man schließen will. Wir gehören heute zu den führenden Anbietern, die mit wenigen Ausnahmen ein vollständiges Geräteportfolio anbieten.
In der Gasanalytik, insbesondere der Gaschromatographie sind wir hervorragend positioniert. Bei der kontinuierlichen Gasanalyse belegen wir auch einen der vorderen Plätze. Mit der Akquisition von AltOptronic haben wir das Gebiet der Laserspektrometrie der Analytik hinzugefügt. Das sind die drei Kernverfahren, die wir heute abdecken. Wir werden die Analytik Zug um Zug um weitere Applikationen und Meßverfahren ergänzen.
In der Instrumentierung sind wir vor zehnJahren mit zwei Technologien gestartet. Mittlerweile decken wir durch Akquisitionen und Eigenentwicklungen nahezu alle wichtigen physikalischen Kernverfahren ab.
Auf unserer Roadmap sind noch viele neue Produkte, die wir in den kommenden Jahren auf den Markt bringen werden.

Hart, Profibus und FF sind die vorherrschenden Kommunikationsformen.
Wie ist hier die Siemens-Strategie bei den Feldgeräten?

H.-G. Kumpfmüller: Genau diese drei Technologien bieten wir an, wobei Hart immer noch die führende Rolle einnimmt. Natürlich gibt es für alle unsere Produkte eine Profibus-Schnittstelle, aber auch FF gehört heute zum Standard dazu.

Können Sie dies noch etwas quantifizieren? Wie viele Geräte verkaufen Sie heute prozentual mit Feldbusschnittstelle?

H.-G. Kumpfmüller: Profibus und FF zusammengenommen sind dies etwas mehr als 10% - also immer noch sehr wenig. Hier spielt auch die Frage der Feldgeräteintegration eine negative Rolle. Die unterschiedlichen Verfahren mit FDT und EDD führen bei Kunden zu erheblichen Mehrkosten und Problemen. Field Device Integration (FDI) wäre sicherlich eine Lösung für dieses Problem.

Der Einsatz von Wireless-Technologien etabliert sich zunehmend in der Fertigungsindustrie. Wie sehen Sie das in der Prozessautomatisierung? Welcher Standard wird sich durchsetzen, und was ist die Siemens-Strategie dazu?

H.-G. Kumpfmüller: In der Fertigungsindustrie ist iWLAN eindeutig auf dem Vormarsch. Hier ist Siemens einer der Vorreiter. In der Prozessautomatisierung werden andere Anforderungen gestellt. Wir unterstützen WirelessHART, weil wir glauben, daß dies der richtige Technologieansatz ist. Aber zwei konkurrierende Technologien sind ein Hindernis für eine schnelle Adaption bei den Kunden. Deshalb wünschen wir uns, daß man in einer Weiterentwicklung von WirelessHART eine Zusammenführung mit ISA 100 anstrebt. Mit Sicherheit wird es hier eine Evolution geben - HART hat angefangen mit einer Version 1, jetzt haben wir die Version 7. Ich erwarte eine ähnliche Entwicklung auch bei WirelessHART, und warum soll eine Version 2 von WirelessHART nicht weitestgehend identisch sein mit ISA 100? Was wir auf keinen Fall anstreben, sind multifunktionale Geräte, die per Schalter von WirelessHART auf ISA 100 umgeschaltet werden können - der Aufwand für Softwarepflege, Tests und Zertifizierung wäre einfach zu hoch.

Herr Kumpfmüller, wir bedanken uns für das ausführliche und aufschlussreiche Gespräch!

 

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