News

Bund treibt Ökostrom-Reform voran und schont Industrie

09.04.2014 -

Die Bundesregierung hat sich im monatelangen Feilschen mit der EU um milliardenschweren Strompreis-Rabatte für die Industrie durchgesetzt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) erreichten in der Nacht zum Dienstag, dass große Stromverbraucher weiter nur einen Bruchteil der Umlage zur Ökostrom-Förderung zahlen müssen. Das soll die Wettbewerbsfähigkeit der Firmen und Arbeitsplätze sichern. Mit der dazu am Dienstag im Bundeskabinett beschlossenen Neufassung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) soll der Anstieg der Strompreise gedämpft werden. Die Ökostrom-Förderung wird eingeschränkt, Investoren müssen höhere Risiken tragen und das Tempo beim Ausbau grüner Energie wird gezielt gesteuert. Gabriel zeigte sich mit dem Paket zufrieden: "Die Bundesregierung hat für einen Neustart der Energiewende gesorgt. Das ist auch bitter nötig".

Während die Wirtschaft ihn wegen der Einigung mit der EU lobte, kam Kritik von Opposition und Verbraucherschützern: Für die Rabatte der Industrie müssten nun die privaten Haushalte zahlen. Verbraucherschützer Holger Krawinkel sprach von Verrat am Verbraucher: "Die Bundesregierung hat den Interessen der Industrie den Vorzug gegeben, und die Verbraucher müssen zahlen." Die Grünen kritisierten, die große Koalition unterbiete beim Ausbauziel für Ökostrom sogar die Pläne von Union und FDP. Die Ausweitung der Industrie-Privilegien werde nicht zurückgenommen: "Geschenke an die Industrie auf Kosten der Verbraucher, von sinkender EEG-Umlage keine Spur", sagte Grünen-Vize-Fraktionschef Oliver Krischer.

Gabriel wehrte sich: "40 € für einen Drei-Personen-Haushalt im Jahr tauschen gegen ein paar Hunderttausend Arbeitsplätze, die man in Gefahr bringt - das hielte ich für ein frivoles Unterfangen." Zudem werde zumindest die Kostendynamik der vergangenen Jahre gebrochen.

Die EU hatte es als unerlaubte Beihilfe gewertet, dass große Teile der Industrie jährlich über 5 Mrd. € Ermäßigung auf die Ökostrom-Umlage bekommen. Sie hat deswegen auch ein Verfahren gegen Deutschland eingeleitet. Die Regierung verteidigte die Nachlässe. Sie befürchtet massive Nachteile für energieintensive Betriebe im internationalen Wettbewerb. Obwohl nach Worten Gabriels nun etwa 400 der bislang 2100 Betriebe nicht mehr unter die neuen Rabatt-Kriterien fallen, bleibe unter dem Strich die Entlastungssumme gleich. Bereits in der vergangenen Woche hatte Gabriel drohende Rückzahlungen auf Rabatte der vergangenen Jahre abgewehrt und für die neuen Regeln einen Übergangszeitraum bis 2018 erreicht.

Die in der Nacht gefundene Lösung geht über die jüngsten Kompromisse hinaus: So sollen Regierungskreisen zufolge insgesamt 65 Branchen jetzt 15 % der eigentlich fälligen Umlage zur Ökostrom-Förderung zahlen. Darunter sind die Stahl-, Chemie- und die Zementindustrie. Die Umlage wird aber nur bis zu einer Obergrenze von 4 % der Bruttowertschöpfung fällig, also des Wertes der produzierten Waren, von dem Vorleistungen abgezogen werden. Bisher hatte die Kommission eine Grenze von 5 % verlangt. Für besonders energieintensive Betriebe, wie Aluminium- oder Kupferhütten, soll die Kappung bis zu 0,5 % der Wertschöpfung sinken können. Firmen, die schon vor 2012 begünstigt waren, aber die neuen Kriterien nicht mehr erfüllen, sollen 20 % zahlen. Diese Regelungen wird die EU in neuen Beihilfe-Leitlinien für alle Mitgliedsstaaten am Mittwoch verankern. Der Bund will sie im Mai in ein Gesetz gießen.

Zuvor hatte die Industrie bereits im Kampf mit dem Bund Erfolge verzeichnet: So sollte die Stromerzeugung aus eigenen Kraftwerken entgegen früheren Plänen komplett von der Umlage befreit bleiben. Bei Neubauten sind für Handel und Gewerbe die Hälfte und die übrige Industrie sogar maximal 15 % fällig.

Entsprechend zufrieden zeigten sich Industrievertreter: "Es ist gut, dass es gelungen ist, exorbitante Steigerungen der EEG-Kosten für Unternehmen zu verhindern", sagte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo. Der Präsident der Stahlbranche, Hans Jürgen Kerkhoff, sprach von genügend Spielraum, um Stahl weiter wettbewerbsfähig in Deutschland zu produzieren. Die Chemiebranche zeigte sich erleichtert, da einige Firmen sonst bis zum 25fachen der jetzigen Umlage-Belastung hätten tragen müssen.

Auch die Ökostrom-Branche konnte in der Endphase des Ringens um das EEG die geplanten Kürzungen entschärfen: So müssen Investoren in grünen Strom zwar künftig mehr Risiko tragen und die Hilfen werden beschnitten. Die Bundesländer setzten aber vor allem bei der Windenergie an Land und auf hoher See noch Verbesserungen für die Ökostrom-Branche durch.