Forschung & Innovation

600 qm Reinraum für Titanimplantate

02.11.2020 - Die Firma Medartis ist auf hochpräzise Implantatsysteme von Knochenbrüchen und Knochenfehlstellungen spezialisiert.

Das Schweizer Unternehmen hat jetzt für die Gewährleistung der Sicherheitsstandards für Medizinprodukte in einen 600 m2 grossen Reinraum neuesten Standards investiert.

Bei Osteosynthese-Operationen werden Teile eines gebrochenen oder verletzten Knochens wieder an die richtige Stelle gebracht und stabilisiert. Die Schweizer Firma Medartis gehört zu den weltweit führenden Firmen, die Implantate für diese chirurgischen Eingriffe liefern. Die High-Tech Firma entwickelt in enger Zusammenarbeit mit Chirurgen und Universitäten Technologien für Titanimplantate, die in dieser Form einzigartig auf dem Weltmarkt sind. Die Titanschrauben und -platten sind an individuelle anatomische Anforderungen angepasst, besitzen abgerundete und glatte Oberflächen und lassen sich dank einer Schwenkungsmöglichkeit der Schrauben noch während des chirurgischen Eingriffs optimal positionieren. Medartis hat sich zum Ziel gesetzt, mit hochpräziser Fertigungsqualität die Behandlungsmöglichkeiten für Chirurgen zu verbessern und die Heilung und Lebensqualität der Patienten zu erhöhen. Mit dieser Devise sind die Schweizer Spezialisten sehr erfolgreich und beschäftigen bei einem jährlichen Wachstum von über 10 % weltweit rund 600 Mitarbeiter.

Andy Schwammberger gehört, als Head Pack­aging and Labeling, zu den Spezialisten im Team der ambitionierten Schweizer Firma. Er ist, wie viele seiner Kollegen, von den High-Tech Produkten begeistert: „Unsere anatomisch exakt angepassten Titanplatten und Titanschrauben werden bei chirurgischen Eingriffen zur Fixierung der Knochen eingesetzt. Insbesondere bei Hand- und Fussbrüchen erleichtert die frei schwenkbare und feinjustierbare Positionierung der Schrauben die Mobilität und Regeneration der Patienten. Es ist sehr schön hier positive Rückmeldungen zu erhalten und zu wissen, dass wir den Menschen ein Stück Lebensqualität zurückgeben.“

 

Verpackung und Etikettieren in modernen Reinraumsystemen
Im Produktionsvorgang der sensiblen Produkte ist Andy Schwammberger für die Endverpackung zuständig. Die Implantate werden in Reinräumen versiegelt und belabelt, damit eine fehlerfreie und vor allem sichere Auslieferung an die Hospitäler und Ärzte zu jedem Zeitpunkt gewährleistet ist. Denn ein Produkt, das direkt im Körper eingesetzt wird, muss alle hygienischen Standards lückenlos einhalten. Dies schreiben nicht nur die gesetzlichen Anforderungen der neuen EU Medical Device Regulation (MDR) vor, sondern dies ist auch ein selbstverständlicher Qualitätsanspruch, der von der Schweizer Firma zum Wohl der Patienten getroffen wird. Nur die Verpackung unter kontrollierten Reinraumbedingungen kann garantieren, dass die Titanimplantate ohne jede Kontamination durch Keime oder störende Partikel das Werk verlassen. Im Zuge des Wachstums wurde am Standort Basel jetzt in einen neuen 600 m2 grossen Reinraum CleanMediCell investiert, der die Vorgaben bis zu der Reinraumklasse ISO 7 nach DIN EN ISO 14644-1 erfüllt.

Die Wahl des Reinraumanbieters fiel auf die baden-württembergische Firma Schilling Enginneering, die ihren Firmensitz nahe der Schweizer Grenze hat und eine Tochterfirma auf Schweizer Gebiet betreibt. Doch nicht nur die Nähe war der ausschlaggebende Punkt für diese Entscheidung wie sich Andy Schwammberger erinnert: „Wir haben einige Angebote für den Reinraum verglichen und waren von der Qualität und vor allem der modularen, flexiblen Bauweise des Reinraumsystems sehr angetan. Wir haben räumlich bedingt keine einfache Situation für den Standort des neuen Reinraums, der quasi um das bestehende Treppenhaus herumgebaut werden musste. Auch verschiedene Deckenhöhen mussten berücksichtigt werden. Die Ingenieure von Schilling haben uns da wirklich genau angepasste und funktionale Konzepte erarbeitet. Auch die Ausrichtung des Systems auf die Anforderungen der Medizintechnik hat uns überzeugt“.

Um die beengten Platzverhältnisse optimal nutzen zu können, wurden eine bestehende Aussenwand mit Fensterfront in eine Reinraumzone der Klasse ISO 8 integriert. Hierzu wurden die Fenster speziell abgedichtet und verschraubt, um die erforderliche Dichtheit zu erreichen. Auch bestehende Elektrokanäle wurden hinsichtlich der Reinraumtauglichkeit glatt und gut zu reinigend an den tragenden Säulen zwischen den Fenstern montiert. Der Bestandsbau konnte so äusserst platzsparend ausgenutzt werden.

In den Reinraumwänden integrierte Waschmaschinen
Die Titanimplantate werden außerhalb des Reinraums gefertigt und über zwei Materialschleusen, eine davon mit Rolltoren ausgestattet, eingeschleust. Die Materialübergabe zwischen den Reinräumen erfolgt über zwei Waschanlagen und 1 m³ grosse Materialdurchreichen. Der Zustand der Schleusen wird über intelligente LED-Lichtanzeige im Glas farblich visualisiert. So gelangen die medizinischen Platten und Schrauben kontaminationsfrei in den Reinraum. Dort erfolgt die Einzelverpackung in einer Reinraumzone der Klasse ISO 7 und später die Etikettierung in einer Reinraumzone der Klasse ISO 8, bevor die Produkte sicher über Materialschleusen ausgeschleust werden und das Werk verlassen. Drei Personalschleusen sorgen für eine funktionale und sichere Einschleusung der Mitarbeiter in die unterschiedlichen Reinraumzonen. Auf Wunsch von Medartis wurden reinraumgerechte Wasserspender in zwei Schleusen integriert, damit die Mitarbeiter sich für die Auffüllung ihrer Getränke nicht vollständig ausschleusen müssen. In der Reinraumanlage wurden 78 Filter-Fan-Units mit ULPA15 Hochleistungsfiltern verbaut, über 60 Luftwechsel pro Stunde stellen die Versorgung der reinen Bereiche und Arbeitsplätze mit Reinstluft sicher. Das Reinraumsystem CleanMediCell ist modular aufgebaut und kann dank eines silikonfreien GMP Dicht-Clip-Systems flexibel erweitert und umgebaut werden.

Energieeffizientes Umluftverfahren
Die gesamte Reinraumanlage ist in Temperatur und Luftfeuchtigkeit geregelt. Um die hohen Energiekosten, die der Betrieb eines Reinraums verursacht, zu reduzieren, wird das System von Schilling Engineering mit einem besonders energieeffizienten Umluftverfahren betrieben, in der die bereits gekühlte Luft mehrfach zirkuliert. Es wird eine individuell geregelte dezentrale Kühlung eingesetzt, die je nach Bedarf punktuell die Kälte an die Stellen fördert, an denen verstärkt Wärme auftritt. GMP-konforme LED Lichtleisten sorgen für eine angenehme und energiesparende Beleuchtung. Der Head of Packaging and Labeling ist sehr zufrieden mit den Vorteilen, die die Installation des modernen Reinraumsystems gebracht hat:

„Dank des neuen Reinraums können wir die Waschvorgänge, die wir bisher in Auftrag gegeben haben, selber durchführen. Das lässt eine viel flexiblere und schnellere Bearbeitung der einzelnen Aufträge zu. Wir sind sehr zufrieden mit den Abläufen und der Funktion des Reinraumsystems. Mit den Waschanlagen, Schleusensystemen, der exakten Klimatechnik und dem benötigten Monitoring ist die Reinraumanlage doch ein recht komplexes System, das genau aufeinander abgestimmt sein muss. Da waren wir froh über die Unterstützung und kompetente Durchführung der Experten, die uns den ganzen Vorgang bis zur Qualifizierung begleitet haben“.

GMP Monitoring
Eine Besonderheit des Reinraumsystems ist das integrierte GMP-konforme Monitoring. Medartis hat sich zu diesem Extra an Sicherheit entschlossen und hier nicht nur die EN ISO 14644-1 Vorgaben, sondern die strengeren pharmazeutischen GMP Vorlagen erfüllt. So werden Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Luftdruck permanent überwacht und für das erforderliche Monitoring aufgezeichnet. Als Kontrollsystem für den Reinraum und die Klimatechnik dient das bedienerfreundliche CR Control, mit dem alle Sollwerte inklusive der Klimatechnik geregelt und überwacht werden und das über ein zentrales Touch-Display gesteuert wird. Das Kontrollsystem ist mit einer App angebunden, sodass die Verantwortlichen den Zustand der Anlage jederzeit auf dem Smart Phone aufrufen können. Die Qualifizierungen wurden ebenso nach GMP Vorgaben durchgeführt und erfüllen alle gestellten Anforderungen.

 

Autorin:

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