Anlagenbau & Prozesstechnik

Betriebs- und Geschäftsdaten aggregiert

Anlagenmanagement, Informationsfluss und digitale Zwillinge

03.07.2018 -

Wie behält man im betrieblichen Umfeld alle Informationen im Blick, um wettbewerbsfähig zu bleiben und Betriebskosten zu senken? Eckard Eberle, CEO Process Automation bei Siemens, beantwortet im Kurzinterview mit CHEManager Redakteur Volker Oestreich drei wichtige Fragen.

CHEManager: Anlagen-Produktivität, Produkt-Qualität und eine kurze Time-to-Market sind wichtige Wettbewerbsfaktoren in der Prozessindustrie. Welche Rolle spielen dabei Anlagenmanagement und ein lückenloser Informationsfluss im Rahmen von Digitalisierung und IIoT?

E. Eberle: Unabhängig von ihrer Branche und Größe, stehen die Unternehmen der Prozessindustrie vor derselben Herausforderung: Sie müssen in einem sich ständig wandelnden Umfeld wettbewerbsfähig bleiben. Dies geht nur mit der Digitalisierung. Und dafür ist wiederum ein lückenloser Informationsfluss vom Engineering über den Betrieb bis hin zur Wartung entscheidend. Mit unseren integrierten Software-Lösungen bieten wir als einziger Anbieter schon jetzt ein solches durchgehendes Datenmodell und damit die technischen Voraussetzungen für Industrie 4.0. Die Vorteile dieses Ansatzes – wir nennen dies „From Integrated Engineering to Integrated Operations“ – sind groß: So können alle am Anlagenbau beteiligten Gewerke wie die Verfahrenstechnik, Messtechnik oder Elektrotechnik mit dem Engineering-Tool Comos, also mit dem gleichen System und der gleichen zentralen Datenablage, arbeiten. Daraus entsteht ein digitaler Zwilling der gesamten Anlage. Sequentielle Abläufe können parallelisiert und damit Engineering-Zeit sowie Fehlerquellen an den Schnittstellen reduziert werden.

Wozu digitale Zwillinge, die Produktivität muss in der Realität erreicht werden!

E. Eberle: Der digitale Zwilling einer Prozessanlage bringt in allen Lebenszyklus-Phasen enorme Vorteile. Er ermöglicht es Anwendern sogar während des laufenden Betriebs eine höhere Flexibilität, kürzere Markteinführungszeiten, höhere Effizienz und Qualität zu erreichen. Das funktioniert, indem Prozessdaten aus der Leittechnik und Anlagendaten im digitalen Zwilling zusammenspielen. Anwender können so Komponenten, Maschinen und Anlagen über den gesamten Lebenszyklus managen. Damit kann beispielsweise eine Anlage schon vom Wartungspersonal visualisiert und unter Wartungsaspekten optimiert werden. Zudem lassen sich im Betrieb Ausfälle im Vorfeld erkennen und verhindern. Die Instandsetzung wird durch schnelle Lokalisierung des Assets, einfache Planung und Durchführung enorm verkürzt. Entscheidend ist, dass der digitale Zwilling dabei immer aktuell bleibt. Dafür ist die Datendurchgängigkeit zwischen den Software-Lösungen in beide Richtungen entscheidend.

Dabei lässt sich ein digitaler Zwilling nicht nur von Greenfield-, sondern auch Brownfield-Anlagen erzeugen. Hierzu gibt es in Comos Werkzeuge, um Dokumente zu digitalisieren. Mit der Software ContextCapture unseres Partners Bentley Systems kann ein digitales 3D-Modell einer Anlage aus Fotos oder Drohnenaufnahmen erstellt werden, sodass der Aufwand zur Erstellung eines digitalen Zwillings immer kleiner und damit immer wirtschaftlicher wird.

Im täglichen Leben werden wir mit immer mehr Informationen überflutet, im Betriebsalltag tragen immer mehr Daten zur Information oder auch zur Verwirrung bei. Wie können Anwender in der Prozessindustrie unwichtige von wichtigen Daten unterscheiden, um quasi Entscheidungen in Echtzeit zu treffen?

E. Eberle: Wie im Alltag stellt die wachsende Datenmenge auch Anwender in der Prozessindustrie vor Herausforderungen. Hier sehen wir einen stark wachsenden Bedarf nach Lösungen, mit denen sich Big Data in Smart Data verwandeln lassen. So bieten wir etwa mit unserer Softwarelösung XHQ eine Plattform, die Betriebs- und Geschäftsdaten aggregiert, in Beziehung zueinander setzt und praktisch in Echtzeit visualisiert. Auf dieser Basis können Unternehmen schneller optimierte, datengestützte Entscheidungen treffen und ihre Leistungsfähigkeit steigern. Dabei ist es möglich, die Betriebskosten um bis zu acht Prozent zu senken und die Produktion um bis zu 10 Prozent zu steigern. Und natürlich entstehen auch durch die wachsende Zahl von Apps für unser offenes, cloudbasiertes IoT-Betriebssystem MindSphere neue Möglichkeiten, aus Datenanalysen Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Eine Beispiel ist Control Performance Analytics, ein datenbasierter Service: Die Analyse von Prozess- und Zustandsdaten von Regelkreisen hilft Anwendern, die Produktivität, Effizienz und Qualität von Anlagen in der Prozessindustrie zu erhöhen.