Chemie & Life Sciences

Chemiehandelsbranche: Herausforderungen gemeistert

Zufrieden mit 2010, verhalten optimistisch für 2011

26.04.2011 -

Der Verband Chemiehandel (VCH) hat im März die Ergebnisse für das Jahr 2010 bekannt gegeben. Zu diesem Anlass wurden in einem Round-Table-Gespräch mit dem Verbandsvorstand aktuelle Themen der Branche diskutiert. Anwesend waren Uwe Klass (Präsident), Robert Späth (stellvertretender Präsident und Schatzmeister), Jens Raehse (Vorsitzender der FA Chemiehandel und Recycling), Axel Lenz (Vorsitzender der FA Binnenhandel), die Vorstandsmitglieder Thorsten Harke und Uwe Schültke sowie Peter Steinbach (geschäftsführendes Vorstandsmitglied) und Ralph Alberti (Geschäftsführer); es fehlten Volker Seebeck (stellvertretender Präsident und Vorsitzender der FA Außenhandel) und Birger Kuck (Vorstandsmitglied). Für CHEManager nahm Dr. Birgit Megges am Gespräch teil.

Der deutsche Chemiehandel konnte das Jahr 2010 mit einer Umsatzsteigerung von 20% und einer Absatzsteigerung von ca. 15% gegenüber dem Vorjahr erfolgreich abschließen (vgl. CHEManager 6/2011, S. 10). Uwe Klass kommentiert: „Wir haben die Herausforderung gemeistert und ein Niveau erreicht, das wir 2008 abrupt verlassen haben. Die Umsatzsteigerung, zum Großteil durch die steigenden Rohstoffpreise bedingt, ist für uns sekundär. Was für uns zählt, ist die Absatzmenge. Und hier haben wir mit der Steigerung um 15% eine außerordentlich positive Tendenz für ein Absatzwachstum in der gesamten Industriewirtschaft, die der Chemiehandel bedient, gesehen."

Entwicklungen einzelner Bereiche
Industriechemikalien und Spezialitäten haben sich unterschiedlich entwickelt. Bei den Industriechemikalien ist die Nachfrage zwar gestiegen, doch es stehen noch einige Margen unter Druck. Viele Erträge konnten noch nicht gesteigert werden oder sind sogar noch weiter gesunken. Bei den Spezialitäten konnte das Niveau wieder aufgeholt bzw. in Einzelfällen sogar übertroffen werden. Uwe Schültke relativiert: „Im Spezialitätenbereich war die Verfügbarkeit der Produkte nach wie vor nicht ausreichend. Viele Spezialitäten auf dem Weltmarkt standen unter Allokation. Das hat zwar bei verkauften Produkten zu guten Erträgen geführt, aber es konnten bei Weitem nicht alle Anfragen bedient werden."

Der Außenhandel hat im letzten Jahr in verstärktem Maße mit stark schwankenden Wechselkursen zu kämpfen. Thorsten Harke erklärt die Situation: „Durch die Eurokrise hatten wir erheblich steigende Preise aus dem Ausland, beispielsweise im japanischen Raum. So schnell wie die Preise durch die Währungskurse geschwankt haben, war es unmöglich, dies auszugleichen. Zusammen gesehen mit den Rohstoffpreisen, die auch ihre Kapriolen geschlagen haben, mussten die Außenhändler dadurch ein großes Risiko tragen."

Wirtschaftlich positiv ausgewirkt hat sich die zunehmende Verstärkung des Dienstleistungssektors in der Handelsbranche. „Wir verstehen uns nicht nur als Mittler zwischen Produzenten und Anwendern sondern auch zunehmend als Dienstleistungspartner über das Liefern von Produkten hinaus und diese Einstellung hat sich im letzten Jahr als sehr positiv erwiesen," so Axel Lenz. Es ist erkennbar, dass mehr Dienstleistungen zum Handel verlagert werden. Allerdings ist das Gesamtbild eher heterogen: Während einige Firmen aus der chemischen Industrie auf das vorhandene Dienstleistungsangebot zurückgreifen, geben andere die Partnerschaften auf und vertreiben die Produkte wieder selbst. Skeptisch betrachtet der Handel auch die Beobachtung, dass einige, vor allem große Produzenten, werkseigene Handelsgesellschaften gründen.

Die Recycling-Branche hat lange damit gekämpft, den Vorkrisenumsatz wieder zu erreichen. Jens Raehse erläutert: „Dank außerordentlicher Preissteigerungen ist es uns gelungen, den Umsatz zu steigern, allerdings konnten wir mengenmäßig nicht an die Zeiten vor der Krise anschließen. Die thermische Verwertung ist ein starker Wettbewerber und da der Brennstoffverwerter in der heutigen Zeit bereit ist, sehr viel Geld auszugeben, sind die Margen beim Recycler sehr gering. Ohne Preissteigerung hätte das Jahr 2010 sicherlich relativ schwarz ausgesehen." Raehse bemerkt, dass bei den heute vorhandenen Techniken die Recyclingware der Frischware durchaus entsprechen und in einer Reihe von Anwendungen eingesetzt werden kann und bedauert, dass viele Anwender davon noch nicht überzeugt sind.

Fehlende Kontinuität
Mit Bedauern stellt die Handelsbranche fest, dass die kontinuierliche Versorgung der Kunden, die vor wenigen Jahren noch gewährleistet werden konnte, schwer oder gar nicht mehr sicher zu stellen ist. Das betrifft sowohl die Verfügbarkeit als auch die Preisstabilität. Robert Späth: „Der Aufwand, die Versorgung für unsere Kunden kontinuierlich sicherzustellen, hat sich deutlich erhöht. Im Spezialitätenbereich war es auch aufgrund der Versorgungslage notwendig, mehr Kapazitäten an Lagermengen aufzubauen. Das hat wiederum Kapitalbedarf erfordert, um die Versorgung sicherzustellen - nicht einfach bei derart schwankenden Märkten. Allerdings hat das im Spezialitätenbereich auch dazu beigetragen, dass sich der Bereich sehr gut entwickelt hat, weil wir dem Kunden unter Umständen eine bessere Versorgungskontinuität bieten konnten als das von den Herstellern direkt der Fall war."

Zurück zur Bahn
Im Bereich der Logistik stehen Überlegungen an, die Bahn weiterhin und sogar verstärkt als Verkehrsträger zu nutzen; allerdings nur, wenn die Bahn wieder mehr Flexibilität zeigt. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Logistik des Chemiehandels sehr stark auf die Straße ausgerichtet. Die Verringerung des Leistungsprofils der Bahn durch Streckenstilllegungen, Rückbau von Gleisanschlüssen oder auch das Beharren auf Ganzzugverkehren, hat die Zusammenarbeit deutlich erschwert. „Wir haben im letzten Jahr eine Initiative unternommen, mit DB Schenker Rail zu prüfen, ob eine Reaktivierung des Einzelwagenverkehrs möglich ist. Wir haben dazu in einem ersten Schritt ein Grundsatzgespräch geführt und in einem zweiten Schritt Mitgliedsfirmen angefragt, die sich an einer Art Pilotprojekt beteiligen. Im Rahmen des Projektes soll abgeklopft werden, welche Möglichkeiten zur Stabilisierung bzw. Erneuerung des Schienenverkehrs bestehen. Derzeit sind wir optimistisch, dass wir mit der Bahn in dem einen oder anderen Fall zu einem guten Ergebnis kommen," erläutert Peter Steinbach die Initiative.

Folgen von REACh
Vor vier Monaten ist die erste Registrierungsfrist abgelaufen. Mit 3.400 Stoffen wurden bis dahin deutlich weniger registriert, als erwartet. Ob dies jedoch dazu führt, dass eine erhebliche Zahl von Stoffen zukünftig auf dem Markt fehlen wird, kann noch niemand sagen. Da noch zwei weitere Registrierungsfristen in den Jahren 2013 bzw. 2018 ablaufen, ist es dem Verband für ein Resümée noch zu früh. Steinbach: „Ich würde sowohl vor voreiligem Pessimismus als auch, aufgrund gewisser Erfahrungen aus anderen Rechtsbereichen, vor voreiligem Optimismus warnen. Als kleine Schwester der REACh-Gesetzgebung wird immer wieder die Biozid-Gesetzgebung genannt. Dort wird die Besorgnis, dass ein Großteil der bioziden Wirkstoffe vom Markt genommen werden könnte, tatsächlich Realität. Man spricht derzeit von zwei Dritteln, für die das zutrifft. Bislang sind wir aber noch optimistisch, dass es bei REACh nicht so schlimm werden wird."
Neben der Registrierung wirft aber auch die Frage der Zulassung besonders besorgniserregender Stoffe Probleme auf. Mangels Zulassung könnten Chemikalien wie z.B. Borsäure aus den Produktionsprozessen herausgenommen oder die Produktion ins Ausland verlagert werden. Steinbach kritisiert in dem Zusammenhang die Arbeit der Kommission, genauso wie die des Parlaments und der Deutschen Bundesregierung: „Man fragt sich manchmal, ob man sich dort über die Konsequenzen nicht im Klaren ist, oder ob man diese Konsequenzen bewusst in Kauf nimmt."
Unabhängig von der Frage der Registrierung und der Verfügbarkeit von Produkten hat das Thema „Kommunikation in der Lieferkette" eine große Dimension angenommen. Durch die Verpflichtung, neben dem klassischen Sicherheitsdatenblatt sämtliche Expositionsszenarien in der Lieferkette weiter zu geben, kann der Umfang des Datenblatts enorm anwachsen. Steinbach erläutert: „Damit befinden wir uns im Moment in einer Situation, in der viele, insbesondere mittelständische und kleine Unternehmen auf Produzenten-, vor allem aber auf Handels- oder Verwenderebene sich nicht in der Lage sehen, diese Sicherheitsdatenblätter zu verwalten, zu verstehen und umzusetzen." Im Moment wird versucht, dieses Problem über Ansätze zur Standardisierung von Sicherheitsdatenblättern zu lösen. „Das ist eine gewaltige Herausforderung, vor der die gesamte Wirtschaft im Moment steht. Es ist noch offen, bis wann und in welcher Form sie bewältigt werden kann. Wir sind im Moment in der Überlegung, wie wir unsere Mitgliedsfirmen bei der Erfüllung dieser Aufgabe unterstützen können," schließt Steinbach seine Ausführungen zu diesem Thema.

Fazit
Zusammengefasst lässt sich die Zuversicht der Chemiehandelsbranche spüren, aber auch die Unsicherheit über nicht absehbare Entwicklungen auf den Weltmärkten. Nicht zuletzt durch die Krisen im arabischen Raum und die Folgen der Geschehnisse in Japan herrscht doch nur ein verhaltener Optimismus vor. Der Verbandsvorstand ist sich sicher, dass auch im Jahr 2011 die Nachfrage steigt, nimmt von einer konkreten Prognose jedoch Abstand.

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