Anlagenbau & Prozesstechnik

Reinräume nachhaltig planen, bauen und betreiben

04.04.2024 - Kaum ein Begriff hat sich in den letzten Jahren so stark entwickelt wie der Begriff „Nachhaltigkeit“. Doch was ist Nachhaltigkeit eigentlich und was hat das mit Reinraumtechnik zu tun?

Nachhaltigkeit bedeutet laut Duden, die Bedürfnisse der Gegenwart so zu befriedigen, dass die Möglichkeiten zukünftiger Generationen nicht eingeschränkt werden oder anders gesagt, dass künftige Generationen nicht schlechter gestellt sind, ihre Bedürfnisse zu befriedigen als gegenwärtig lebende. In erster Konsequenz bedeutet dies, mit vorhandenen Ressourcen schonend umzugehen und insbesonders im Hinblick auf den Klimawandel auch den CO2-Fußabdruck zu reduzieren.

Der CO2-Fußabdruck (carbon footprint) bewertet die Gesamtmenge der Treibhausgase (in Tonnen CO2), die ein Mensch oder ein Unternehmen in einer bestimmten Zeit verursacht. Der CO2-Fußabdruck stellt einen großen Teil bei der Betrachtung des menschlichen Lebenszyklus (Life-Cycle) dar. Besonders durch den Verzicht auf fossile Brennstoffe für die Verstromung, lässt sich der CO2-Fußabdruck erheblich reduzieren.

Wo sind in der Reinraumtechnik Ansätze zur Nachhaltigkeit und Reduzierung des CO2-Footprints?

Beginnen wir mit der ersten Phase im „Leben“ eines Reinraumes, der Planung – hier werden die wichtigsten Grundlagen für die Zukunft gelegt. Wir alle wissen, dass der Betrieb eines Reinraumes ein sehr energieintensiver Prozess ist. Plant man die Energieeffizienz in den Reinraum „hinein“, wird man eine energetisch nachhaltige Lösung über die gesamte Lebensdauer haben. Es beginnt mit dem Layout des Reinraums selbst und somit auch der Festlegung des Raumvolumens. „So groß wie nötig, so klein wie möglich“ klingt zunächst trivial, wird aber bei der Planung oft vernachlässigt oder unterschätzt: je größer der Raum, umso größer die Lüftungsanlage und damit der Energieverbrauch. Das Raumluftvolumen wird von 10 bis über 100 mal in der Stunde gewechselt.

Neben den Räumen ist auch die technische Anlage so zu planen, daß sie die notwenigen Leistungen mit geringst möglichen Einsatz elek­trischer Energie zur Verfügung stellt. Ist  z.B, eine Energierückgewinnung schon von Gesetz vorgeschrieben, gibt es dennoch eine Vielzahl technischer „Kniffe“, den Stromverbrauch drastisch zu senken: dezentrale Luftsysteme, Außenluftvorentfeuchtung, Ersatz von fixen Druckstufen durch gezielte und sichere Überströmungen sowie innovative Methoden der Luftbefeuchtung sind nur einige davon.

Hier sind die Erfahrungen des Reinraumanbieters gefragt, welches Konzept für welchen Anwendungsfall geeignet ist und zu welchen Erfolgen es in Referenzobjekten schon nachweislich geführt hat – nicht alles was theoretisch gut klingt, funktioniert auch in der Praxis.

Eine weitere Grundlage nachhaltigen Planens ist die Arbeit mit Methoden des BIM („Building Information Modelling“). Hier bekommt jedes Bauteil bereits in der Planung eine Vielzahl von Daten mit, die von der Auslegung, Einbau, Ersatzteilbeschaffung  bis zur späteren Entsorgung beim Rückbau den gesamten Lifecycle abbilden und somit mehrfach nützlich sind.

Auch die Bauphase des Reinraumes bestimmt die Nachhaltigkeit entscheidend. So hat z.B. die Auswahl der Komponenten und Aggregate entscheidenden Einfluß auf die Lebensdauer und das Maß der Umweltbelastung eines Reinraums. Lüftungsgeräte etwa, die zwar in der Investition günstig sind, aber über die Nutzungszeit immer mehr Leckagen aufweisen, führen dazu, daß immer mehr wertvoll und teuer aufbereitete Luft verloren geht bevor sie überhaupt in den Reinraum gelangt. Gleiches gilt für das Luftkanalsystem, wenn es nicht fachgerecht installiert, abgedichtet und isoliert ist.

Die Frage, welche Reinraumwand- und deckensysteme eingebaut werden, trägt ebenso zur Ökobilanz bei: es macht einen Unterschied, ob man eine Wand mit günstigem PU Schaum verwendet, der ggf. noch ausgast, leicht entflammbar ist und dazu noch schwer entsorgt werden kann oder ob man eine flexible Doppelschalenwand nimmt, bei der die dazwischen liegende Luft optimal isoliert. Gleiches gilt auch für die Reinraumdecken: verwendet man dünne Metallkassettendecken in einer Halle, in der sich im Sommer über der Reinraumdecke Stauwärme bildet, so geht die ganze Wärme als Transmission in den Reinraum über und muß dort teuer wieder heruntergekühlt werden.

Der Betrieb

Ist der Reinraum effizient geplant und fachgerecht aufgebaut, so gibt es auch im Betrieb des Raums viele Ansätze zur Nachhaltigkeit: Reinräume werden oft nach der Inbetriebnahme nicht kontinuierlich optimiert. Dabei liegt hier ein enormes Potenzial: eine bedarfsgerechte Anpassung der Luftwechselzahlen z. B. bei weniger personalintensiver Nutzung des Reinraumes spart viele KWh Strom im Jahr. Ähnliches gilt bei wesentlichen Änderungen im Prozeßequipment des Betreibers, sofern es die Wärmelasten und Fortluftmengen tangiert. Unsere Empfehlung ist daher, den Reinraum – am besten jährlich – auf den Prüfstand zu stellen, und auf die dann tatsächlichen Situationen hin anzupassen.

Wartung

Eine regelmäßige Wartung aller Systeme ist generell wichtig und bringt weiteres Einsparpotenzial für mehr Nachhaltigkeit. Unter anderem der rechtzeitige Austausch von Filtern und das Eliminieren von Messabweichungen. Der Differenzdruck nimmt bei Filtern nicht linear sondern exponentiell zu, d.h. es wird mit zunehmender Filterverschmutzung immer mehr Druck (also Energie) benötigt, um den Filter zu überwinden. Also muß man den Filter wechslen, bevor dieser exponentielle Anstieg beginnt.

Art und Umfang einer Wartung können risiko­basiert betrachtet und bewertet werden. Wo möglich sollte auch eine vorausschauende Instandhaltung (Predictive Maintenance) berücksichtigt werden. So können Temperatur- und Bewegungssensoren an aktiven Elementen frühzeitig warnen und unnötige Ausfälle und Energiemehraufwendungen verhindern.

Recycling und Entsorgung

Stellen Sie sicher, dass die verwendeten Einwegprodukte ordnungsgemäß recycelt oder entsorgt werden. Ein klarer Plan für das Recycling kann helfen, den ökologischen Fußabdruck zu minimieren.

Auch der Rückbau eines Reinraumes kann nachhaltig erfolgen. Dabei helfen uns die Daten aus dem BIM Modell der Planungsphase. Alle verwendeten Materialien, Geräte und Bauteile haben Ihre Datensätze seit Planungsbeginn hinterlegt. Darin können z.B. auch Informationen zu der Materialzusammenstellung sowie Empfehlungen für die Entsorgung enthalten sein.

Soweit die Einsichten in Planung, Bau und Betrieb nachhaltiger Reinräume. Es gibt darüber hinaus eine Vielzahl weiterer spannender Ansatzpunkte zur reduktion unseres Reinraum CO2-Fußabdrucks: zum Beispiel die Themen Kleidung, Reinigung, Verpackung. Dazu wird es im Juni 2024 eine Präsenzveranstaltung des Reinraumnetzwerks Cleanroomnet geben, zu der wir Sie schon jetzt herzlich einladen.

Fazit

In der gesamten Industrie ist in den letzten Jahren nicht nur das Interesse an Energieeinsparung und CO2-Footprint-Reduzierung gestiegen, sondern auch die Investitionsbereitschaft. Optimierungsmaßnahmen scheitern heute weder an grundsätzlichen Bedenken noch an Rentabilitätserwägungen. Die Industrie investiert klug in technische Reinraum-Infrastruktur und darf dabei auch unkonventionelle Ideen von uns Reinraumspezialisten erwarten. Nicht die Investitionskosten alleine sind zukünftig ausschlaggebend, sondern die Life-Cyle-Cost und der CO2-Fußabdruck eines Reinraums.

Autor: Dirk Steil, Geschäftsführer Becker Reinraumtechnik

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