Anlagenbau & Prozesstechnik

Wegbereiter der globalen Energie- und Mobilitätswende

Großanlagenbau leistet Beiträge zu einer nachhaltigen Industrieproduktion

13.07.2022 - Das Marktumfeld im Großanlagenbau ist durch das Aufkommen asiatischer Wettbewerber und die aktuell zu beobachtenden Liefer- und Logistikengpässe in den vergangenen Jahren deutlich anspruchsvoller geworden.

Gleichzeitig eröffnen sich den Anbietern durch die klimapolitisch bedingten Netto-Null-Ziele vieler Kunden jedoch auch neue Betätigungsfelder und damit Marktchancen.

Die Mitglieder der VDMA Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau (AGAB) gehören seit jeher zu den führenden Anbietern komplexer Großanlagen auf den Weltmärkten. Kunden schätzen vor allem die hohe technologische Kompetenz und Innovationskraft der Unternehmen sowie deren Fähigkeit zur Realisierung kundenspezifischer Gesamtlösungen. Diese können neben den klassischen EPC-Angeboten (also der Planung, der Beschaffung und dem Bau) auch Finanzierungen, Services und den Betrieb von Anlagen umfassen. Darüber hinaus spielen digitale Dienstleistungen wie Fernwartung und Ferninbetriebnahme sowie Datenanalysen eine immer wichtiger werdende Rolle, um damit die Produktivität und Verfügbarkeit von Industrieanlagen weiter zu steigern.

Hohe Nachfrage im Chemieanlagenbau

Für den VDMA-Großanlagenbau war 2021 ein erfolgreiches Jahr: Die von den Mitgliedern der AGAB verbuchten Auftragseingänge lagen mit 21,2 Mrd. EUR um 78 % über dem Vorjahresniveau. Triebfedern dieses Aufschwungs waren vor allem Nachholeffekte aus dem ersten Coronajahr 2020 sowie ein starkes Exportgeschäft (Exportquote: 85 %). Die Nachfrage aus dem Ausland wuchs um 108 % auf 18,0 Mrd. EUR, während die Bestellungen aus dem Inland bei 3,2 Mrd. EUR stagnierten. Die wichtigste Teilbranche im Berichtszeitraum war der Chemieanlagenbau. In diesem Segment stiegen die Bestellungen 2021 sprunghaft auf 7,3 Mrd. EUR (2020: 2,1 Mrd. EUR). Zu diesem außergewöhnlichen Wachstum haben in erster Linie Aufträge aus Russland für den Bau von Anlagen zur Herstellung von Flüssiggas, aus Malaysia für Luftzerlegungsanlagen und etwa aus Kanada, den USA und Saudi-Arabien für Anlagen zur Produktion von grünem Wasserstoff beigetragen.

Unsicherheiten im Markt nehmen weiter zu

Wie es im Großanlagenbau 2022 weitergehen wird, ist angesichts der geopolitischen Unsicherheiten und der massiv gestiegenen Lieferketten- und Inflationsrisiken schwer zu prognostizieren. So berichten rund drei Viertel aller Großanlagenbauer derzeit von Unterbrechungen bei laufenden Projekten in Russland und der Ukraine sowie vom Ausfall wichtiger Lieferanten aus der Region. Das dämpft die Geschäftsperspektiven bis Ende 2023 spürbar: Über die Hälfte der VDMA-Großanlagenbauer gab in einer Umfrage aus dem April 2022 an, dass sich ihre längerfristigen Erwartungen in Bezug auf den Auftragseingang im Vergleich zum Jahresbeginn deutlich eingetrübt haben.

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Effizienter Klimaschutz funktioniert nur mit dem Großanlagenbau

Dass viele Unternehmen trotz dieser Herausforderungen zuversichtlich bleiben, liegt vor allem daran, dass im aktuellen Marktumfeld Lösungen für mehr Nachhaltigkeit besonders gefragt sind. Dem technologiegetriebenen Großanlagenbau bieten sich dadurch enorme Chancen, neue Anlagen, Services und Verfahren auf den Markt zu bringen und die Kunden zu einer energieeffizienten und ressourcenschonenden Produktion zu befähigen. Die Branche ist damit einer der Wegbereiter der globalen Energie- und Mobilitätswende und trägt zum gesellschaftlichen Ziel einer nachhaltigen Industrieproduktion bei. Klar ist: Ohne wesentliche Beiträge des Großanlagenbaus sind die angestrebten globalen Klimaschutzziele nicht zu erreichen.

Beispiele für die Leistungsfähigkeit der Branche auf dem Feld der Nachhaltigkeit sind Anlagen für eine CO2-arme Energieerzeugung, wie etwa Wind-, Wasser- und Hybrid-Kraftwerke. Ein weiterer Bereich, bei dem der Großanlagenbau Maßstäbe setzt, ist der Bau von Anlagen zum Recycling von Wertstoffen. Bei der Entwicklung von Technologien für eine besonders effiziente Papier- und Zellstoffproduktion auf Basis geschlossener Wasserkreisläufe sowie für die Produktion von synthetischen, CO2-neutralen Kraftstoffen gelten VDMA-Großanlagenbauer ebenfalls als globale Marktführer.

 

„Die globale Wasserstoffproduktion lässt sich nicht auf Knopfdruck von fossil auf grün umstellen.“

 

Nachhaltige Produktion vongrünem Wasserstoff

Darüber hinaus liefert der Großanlagenbau auch Gesamtanlagen zur Erzeugung von grünem Wasserstoff, der in der Energiewirtschaft der Zukunft als Stromspeicher und Energieträger sowie als Reduktionsmittel in der Stahlindustrie eine zentrale Rolle spielen soll. In diesem Kontext kommt die besondere verfahrenstechnische Kompetenz der Unternehmen zum Tragen, Technologien vom Labormaßstab in ein industrielles Format zu skalieren. Die Anlagenbauer schaffen damit die Voraussetzungen, die am Markt benötigten Mengen an grünem Wasserstoff – die Bundesregierung spricht in ihrer Wasserstoffstrategie vom Aufbau von 5 GW Elektrolyseleistung allein in Deutschland bis zum Jahr 2030 – zur Verfügung zu stellen. International ist die Branche bereits heute ein gefragter Technologiegeber, wie ein Auftrag zur Lieferung einer Elektrolyseanlage für eines der weltweit größten Projekte zur Erzeugung von grünem Wasserstoff in Saudi-Arabien belegt.

Um grünen Wasserstoff in der genannten Größenordnung bereitstellen zu können, sind enorme Mengen an regenerativem Strom erforderlich. Der VDMA-Großanlagenbau begrüßt daher die Initiativen der Bundesregierung für eine signifikante Vereinfachung und Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien sowie für den Ausbau dieser Energieformen im Zuge der geplanten Novelle des Erneuerbare-­Energien-Gesetzes. Wie groß der Ausbaubedarf in den kommenden Jahrzehnten ist, verdeutlicht eine sektorspezifische Analyse des Verbands der Chemischen Industrie (VCI). Demnach könnte der Bedarf an regenerativ erzeugtem Strom allein in der chemischen Industrie in Deutschland im Jahr 2050 bei mehr als 600 Terrawattstunden (TWh) liegen – vorausgesetzt, dass alle heute noch konventionell betriebenen Prozesse bis dahin auf Treibhausgasneutralität umgestellt werden. Zum Vergleich: 2020 belief sich der gesamte deutsche Stromverbrauch auf 489 TWh, der regenerative Anteil lag bei rund 50 %.

 

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Blauer Wasserstoff als Übergangstechnologie unverzichtbar

Dieses Beispiel verdeutlicht, dass sich die globale Wasserstoffproduktion aufgrund der derzeit noch zu geringen Kapazitäten für erneuerbaren Strom nicht auf Knopfdruck von fossil auf grün umstellen lässt. Um die für den Transformationsprozess in den Branchen Chemie, Stahl und Zement, die allein für über 20 % der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich sind, erforderlichen Mengen an klimaneutralem Wasserstoff bereit stellen zu können, ist für eine Übergangszeit die Nutzung von blauem Wasserstoff im Grunde ohne Alternative.

Die Erzeugung von blauem Wasserstoff auf Erdgasbasis ist mit einem CO2-Abscheidungs- und -Speicherungsverfahren (Carbon Capture and Storage, CCS) gekoppelt, so dass das bei der Produktion entstehende Kohlendioxid nicht in die Atmosphäre gelangt und die Wasserstoffproduktion bilanziell als CO2-neutral verbucht werden kann. Ein weiterer Vorteil dieses Verfahrens: Blauer Wasserstoff wäre sehr schnell in großen Mengen verfügbar, da bestehende Anlagen mit überschaubarem Aufwand umgerüstet werden können. Insofern erscheint es aus Klimaschutzerwägungen sinnvoll, bei der Wasserstoffproduktion in einem ersten Schritt bei den bestehenden Industrieanlagen anzusetzen und CO2 dort an der Quelle abzuscheiden und zu lagern. Neben Japan ist vor allem Südkorea derzeit führend in diesem Marktsegment: Dort sind bis 2030 Investitionen von 9 Mrd. USD allein für blauen Wasserstoff geplant. Darüber hinaus besteht die Absicht, Werke zur Herstellung von flüssigem und auch von grünem Wasserstoff zu errichten. Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau sind bei einer Reihe dieser Projekte als Kooperationspartner und Technologiegeber involviert.

 

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Branche setzt sich eigene Nachhaltigkeitsziele

Die Mitglieder der AGAB unterstützen nicht nur ihre Kunden bei der Dekarbonisierung, sie setzen sich auch eigene Nachhaltigkeitsziele und übernehmen damit Verantwortung für Klima und Umwelt. Die von den Unternehmen formulierten Meilensteine betreffen sowohl die deutschen und internationalen Standorte, die klimaneutral werden sollen, als auch die komplette Lieferkette. Da der Zulieferanteil im Großanlagenbau im Durchschnitt aller Projekte über 50 % beträgt, liegt insbesondere in der globalen Lieferkette noch viel Potenzial, um nachhaltiger zu werden. Ansatzpunkte bieten etwa der Einkauf von recycelten Materialien oder der Einsatz umweltfreundlicher Transportmittel und Verpackungen.

Autor:

„Im aktuellen Marktumfeld sind Lösungen für mehr Nachhaltigkeit besonders gefragt.“

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