Anlagenbau & Prozesstechnik

Biomasseverwertung

Reaktionsverfolgung mehrphasiger Synthesen zu nachhaltigen Grundchemikalien mithilfe der in-situ Spektroskopie

30.09.2014 -

Der Exzellenzcluster „Maßgeschneiderte Kraftstoffe aus Biomasse" erforscht die Verwendung von Lignocellulose zur Kraftstoff- und Chemikalienproduktion.
Am Lehr- und Forschungsgebiet Technische Chemie der RWTH Aachen werden in-situ spektroskopische Methoden eingesetzt, um reaktionskinetische Daten zu gewinnen und diese frühzeitig in die weitere Forschung einfließen zu lassen. Das angewandte Forschungsvorgehen (s. Abb. 1) wird hier anhand der Dehydratisierung des Zuckers Xylose (Bestandteil der Hemicellulose der Lignocellulose mit größter Verfügbarkeit) zu Furfural (Jahresproduktion ~300000; Plattformchemikalie für die Herstellung nicht erdölbasierter Chemikalien) vorgestellt.

Reaktionssystem
Um die in-situ Spektroskopie, mit geeigneter Messmethode und geeignetem Messaufbau, möglichst zielführend einsetzen zu können, sollten alle hierfür relevanten Informationen des zu untersuchenden Reaktionssystems bekannt sein. Neben den vorhandenen Edukten und Produkten sollte auch auf mögliche Neben- oder Folgeprodukte geachtet werden. Die unterschiedlichen Substanzen bestimmen die Anwendbarkeit der spektroskopischen Methoden, insbesondere bei großer molekularer Ähnlichkeit. Des Weiteren werden durch diese Voruntersuchungen schon die Aufgabenstellung und die entsprechende Zielsetzung der jeweiligen Forschung präzisiert.
Xylose wird in einem zweiphasigen Reaktionssystem, bestehend aus Wasser und 2-Methyltetrahydrofuran, zu Furfural umgesetzt. Dabei können günstige und ökologisch unbedenkliche Eisensalze als Katalysatoren verwendet werden.
Die Reaktionsverfolgung soll dazu genutzt werden, um erste Einblicke in das Reaktionssystem und die Reaktionskinetik zu erhalten. Eine der Herausforderungen sind hierbei die Folgereaktionen von Xylose mit Furfural zu polymeren Huminen. Durch die Bildung von Huminen sinkt die Furfuralausbeute, dadurch wird auch die Effizienz der angestrebten Bioraffinerie signifikant reduziert. Daher soll durch geeignete Modellierung und anschließende Optimierung die Huminbildung minimiert, die Furfuralausbeute dagegen erhöht werden.
Messmethode & Messaufbau
Wenn das Reaktionssystem und das Forschungsvorhaben präzise formuliert worden sind, werden die adäquate Messmethode und der passende Messaufbau (s. Abb. 1) hierfür gewählt. Im Lehr- und Forschungsgebiet Technische Chemie stehen zur Echtzeit-Reaktionsverfolgung unter anderem UV/Vis-, mIR- und Raman-Spektroskopie zur Verfügung. Dabei sind, bei den absorptiven Spektroskopiemethoden, sowohl Messungen mit abgeschwächter Totalreflektion (ATR) als auch Messungen in Transmission möglich. Raman-Messungen sind sowohl mittels Tauchsonden als auch kontaktlos durch entsprechende Fenster im Messaufbau möglich.
Die zu untersuchenden Substanzen müssen mit den gewählten Messmethoden im Bereich der gegebenen Konzentration in ausreichender Genauigkeit untersucht werden können. Über das Messprinzip (ATR oder Transmission) entscheidet hierbei, neben der Konzentration, auch die Trübheit der vorliegenden Reaktionsphasen. Die gewünschte Reaktionsführung (batch, semibatch, kontinuierlich) und die Reaktionsparameter (Druck, Temperatur,...) des Systems geben weitere Grenzen vor. Die Anzahl der Phasen des jeweiligen Reaktionssystems und die jeweilige Reaktionsführung unter Berücksichtigung der relevanten zu untersuchenden Substanzen gibt die Zahl der Messstellen vor, die notwendig ist, damit das Reaktionssystem ausreichend bestimmbar ist. Besonders ins Auge gefasst werden sollte hier die mögliche Überlagerung der Banden und Peaks in den jeweiligen Spektren.
Für die Dehydratisierung von Xylose zu Furfural sind das Substrat Xylose und das Produkt Furfural relevant. Dabei wird Xylose in der wässrigen Phasen analysiert, wofür sich mIR- und Raman-Spektroskopie eignen. Die Verfolgung von Furfural in der wässrigen und der organischen Phase wird ebenfalls verfolgt, was mit UV/Vis- oder Raman-Spektroskopie möglich ist. Durch die Bildung von unlöslichen Huminen im Verlauf der Reaktion sind beide Reaktionsphasen für Transmissionsmessungen zu trübe, sodass ATR-Messungen notwendig werden. Für die Raman-Spektroskopie bedeutet dies die Verwendung von Tauchsonden mit kurzer Fokussierung. Des Weiteren ist die Verfolgung der Huminbildung in beiden Phasen mit der Raman- und mIR-Spektroskopie möglich. Auf ausreichende Genauigkeit in dem gegebenen Konzentrationsbereich wurde unter Reaktionsbedingungen getestet.
Die Reaktion wird zunächst batchweise durchgeführt. Für diese Art der Reaktionsführung eignet sich ein im Lehr- und Forschungsgebiet Technische Chemie entwickelter Autoklav (s. Abb. 2). In diesem Autoklaven können zeitgleich beide Phasen mit jeweils zwei Tauchsonden untersucht werden.
Mit dem vorgestellten Reaktions- und Reaktorsystem wurde die Dehydratisierung von Xylose zu Furfural bei verschiedenen Reaktionstemperaturen durchgeführt, um den Temperatureinfluss auf die Huminbildung in-situ zu untersuchen.
Datenanalyse und Interpretation
Den gewonnenen Daten sollte ein Maximum an Informationen entnommen werden, und diese sollten entsprechend interpretiert werden (s. Abb. 1). Dabei ist zunächst nicht nur die quantitative Analyse der zeitlichen Verläufe der jeweiligen Spektren von Interesse. Rein qualitative Veränderungen in den Spektren, besonders in Bezug zur jeweiligen Messposition, liefern häufig schon erste Einblicke in das untersuchte Reaktionssystem.
Für weitere Erkenntnisse müssen in der Regel quantitative Auswertungen der Spektren vorgenommen werden. Einige Analysen, wie zum Beispiel die Peakintegration, sind bei manchen Systemen schon ohne Modellbildung zielführend. Bei stärkeren Überlagerungen der Banden und Peaks in den Spektren muss auf die Methoden der Chemometrie, mit der entsprechenden Kalibrierung und Validierung, zurückgegriffen werden. Generell sollte die Datenanalyse so einfach und schnell wie möglich, bei gleichzeitiger Generation qualitativ exakter Daten, erfolgen. Zur Datenanalyse und Bildung chemometrischer Modelle wird das Programm PEAXACT der Firma S-PACT verwendet.
Der Verbrauch der Xylose kann bei dem beschriebenen System in den mIR-Spektren verfolgt werden. Dabei zeigt sich, dass die Dehydratisierung bei höherer Temperatur mit größerer Geschwindigkeit abläuft. Allerdings gilt dies auch für die Huminbildung, welche im Wesentlichen in der wässrigen Phase abläuft. Mittels Raman-Spektroskopie kann hierbei der Zeitpunkt bestimmt werden, ab welchem die Huminbildung dominant wird. Das Produkt Furfural, aber auch die Humine, liegen zu einem größeren Anteil in der organischen Phase vor.

Reaktionstechnik
Die gewonnenen Erkenntnisse über das untersuchte Reaktionssystem werden in die weitere Forschung des Projektes einfließen und dabei im Kontext des jeweiligen übergeordneten Themas gesehen werden.
Für die Biomasseverwertung ist die Steigerung der Effizienz der angestrebten Bioraffinerie ein entscheidendes Forschungsziel. Hierfür ist die Steigerung der Ausbeute der Plattformchemikalien von signifikanter Bedeutung.
Entsprechend beschriebener Aspekte der Dehydratisierung von Xylose zu Furfural kann die Furfuralausbeute gesteigert werden, indem das Furfural effizient extrahiert wird. Somit kann die Huminbildung in der wässrigen Phase zurückgedrängt werden. Hierfür scheint ein kontinuierlicher Prozess mit zweiphasigem flüssig-flüssig System geeignet. Die Reaktionszeit sollte dabei so gewählt werden, dass die Huminbildung nicht dominant wird, und somit keine unlöslichen Humine den kontinuierlichen Prozess blockieren.

Fazit
Durch den umfassenden Einsatz der in-situ Spektroskopie können schon relativ früh weitgehende Einblicke in ein Reaktionssystem gewonnen werden.
Im Rahmen der Forschung zur Biomasseverwertung, ausgehend von einer Rohstoffquelle aus Lignocellulose, kann besonders mittels ATR-mIR und Raman-Spektroskopie das Problem der Huminbildung direkt untersucht werden, um dieser bei einem Bioraffinerieprozess effizient aus dem Weg zu gehen.